Beide Hände auf die Brüstung wage ich den Blick auf das unter mir liegende Häusermeer. Ich habe es geschafft, die Martin-Luther-Kirche bestiegen. Die Aussicht ist Lohn genug für die überstandenen Strapazen. Zuerst der Blick nach Norden, Richtung Heide, klar ist die Kamenzer Straße zu erkennen, die vielen neuen Dächer und einige wenige mit Löchern, doch die sind auf der Talstraße. Dahinter der Wald und weiter östlich die Elbe, mit ihren Schlössern an der Bautzner Straße. Dem Blick folgend, wechsle ich die Seiten und kann jetzt auch schon nach Süden sehen: die grauen Blocks der Johannstadt. Und zu meinen Füßen das Gelände des zukünftigen Hundertwasser-Hauses.
Weiter geht es, auf zur Süd-Seite. Der Blick schweift über Elbe, Brühlsche Terrasse, bis hin zum größten Baugerüst der Stadt an der Frauenkirche. Von unten lärmen die Autos auf der Bautzner Straße. Dort fällt mir eine riesige Freifläche ins Auge. Hinter dem Autohändler liegt das Land brach, als hätten sämtliche Immobilienhaie absichtlich weggesehen. Doch wer weiß schon, wem das Grundstück gehört. Mit den schönen großen Bäumen könnte ich mir dort einen herrlichen Park vorstellen.
Näher zur Böhmischen ahne ich die Biergärten von Raskolnikoff und Oscar, doch Genaues ist nicht zu sehen. Also weiter zur West-Seite: Hier sticht sofort ein Kran ins Auge. An der Alaun- Ecke Louisenstraße wird heftig gebaut. Schade nur, dass im Nachbarhaus jetzt Risse sind. Aber die sieht man von hier oben auch gar nicht.
Zeit zum Abstieg, vorbei an der mächtigen Glocke geht es wieder runter. Ein Mann mit Rauschebart, Sohn und Feldstecher kommt mir entgegen. So eine Seh-Hilfe muss ich beim nächsten Mal auch mitnehmen.
—–
Anmerkung 2004: Leider wird das Hundertwasser-Haus wohl nicht gebaut. Dafür ist an der Frauenkirche inzwischen kein Gerüst mehr zu sehen. Das Haus an der Alaun-/Ecke Louisenstraße ist auch schon fertig, es heißt Schwalbennest, die Risse am Nachbarhaus wurden gekittet.
Anmerkung 2008: Aus dem Oscar ist das Stilbruch geworden.
2 Kommentare
Kommentare sind geschlossen.