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Der Wald ist kein Park

Was tun, wenn Naturschutz und Auswirkungen menschlichen Handelns aufeinanderprallen? Unterwegs mit Naturschützerin Christina Loose auf einem Rundgang durch die Heide. Über Konflikt und den Versuch ihn zu überwinden.

Christina Loose beim Waldrundgang - Foto: Jonas Breitner
Christina Loose beim Waldrundgang – Foto: Jonas Breitner

Die Dresdner Heide ist grün wie lange nicht. Die Sonne lacht, die Vögel zwitschern. Eine angenehme Kühle herrscht im Schatten der Bäume. Doch der Schein trügt: Es ist trocken in der Tiefe, die Heide verändert sich, viel Müll liegt herum und noch dazu werden Hütten gebaut.

Hütten in der Heide: Schutzgebiet oder Wohngebiet?

Sicher und rasch geht die Naturschützerin Christina Loose auf ihrem Rundgang durch die Heide. Plötzlich riecht es nach Rauch im Wald.

Sie schaut sich um, steigt einen Hang hinab, und nähert sich einer Hütte im Wald. Dort sitzt ein junger Mann mit Dreadlocks und grünem Kapuzenpulli, der gerade seine Brennnesseln über den Kohlen kocht.

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Loose begrüßt ihn, setzt sich zu ihm und fragt ihn, was er hier tue. Der Mann zeigt sich wenig gesprächsbereit und abweisend. Auf die Hütte angesprochen meint er, es sei nicht seine und selbst wenn: Der Mensch komme aus dem Wald und es sei nur natürlich dort zu leben.

Bunte Hütte im Wald - Foto: Jonas Breitner
Bunte Hütte im Wald – Foto: Jonas Breitner

Loose entgegnet, dass der Mensch im 21. Jahrhundert nicht mehr im Wald lebe und er sein Feuer ausmachen solle. Er weigert sich. Er vergebe keine „Audienzen“ und sie solle verschwinden.

Da nimmt Loose seine Wasserflasche und schüttet das Wasser auf die Kohlen. Dann sagt sie ihm, dass sie nun Fotos machen und die Hütte dem Forstamt melden werde.

Sichtlich aufgebracht fragt er sie, in welchem Auftrag sie hier sei. Sie antwortet: „Im Auftrag des Naturschutzes, und meinem.“ Sie wendet sich ab, macht die Fotos und geht.

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Gefiederte Nachbarschaft

Hauptberuflich arbeitet Loose am Theater, außerdem ist sie seit 15 Jahren als Vogelkundlerin im Prießnitzgrund tätig.

Mandarinenten in der Prießnitz - Foto: Christina Loose
Mandarinenten in der Prießnitz – Foto: Christina Loose

Sie deutet nach oben, späht durch ihr Fernglas, sucht die Nistplätze ab. Hier der verwaiste Falkennistkasten, dort ein Grünspecht und da drüben: ein Trauerschnäpper.

„Oh den hab ich ja lange nicht gesehen!“ ruft sie aufgeregt.

Gebirgsstelze am Nistplatz bei der Prießnitz - Foto: Christina Loose
Gebirgsstelze am Nistplatz bei der Prießnitz – Foto: Christina Loose

Loose weiß, wo die Vögel wohnen und wer was zwitschert. Als wären sie alte Bekannte und Teil der Nachbarschaft. Doch diese Nachbarschaft ist bedroht. Loose möchte sie bewahren.

Trocken in der Tiefe

Das mit dem Bewahren ist ein hoch gestecktes Ziel. Drei Dinge machen es dem Wald schwer: der Klimawandel, daran anknüpfend die Trockenheit und schließlich die menschliche (Über-)Nutzung.

Die Dürre scheint an diesem Tag weit weg. Der Wald ist kräftig grün und wirkt gesund und munter. Doch der Schein täuscht. „In der Tiefe ist der Boden noch immer knochentrocken“ weiß Loose. Daten des Dürremonitors des Helmholtz Instituts bestätigen das.

Wirkt alles andere als Trocken: Die Grüne Heide - Foto: Jonas Breitner
Wirkt alles andere als Trocken: Die Grüne Heide – Foto: Jonas Breitner

„Ein regenreicher Frühling gleicht drei trockene Jahre nicht aus“. Gerade die großen, alten Bäume holen ihr Wasser aus der Tiefe. Die Naturschützerin sagt voraus, dass die alten Bäumen, die am Hang wachsen und es ohnehin schwieriger haben, nicht mehr viel älter werden.

Die Buchen kämpfen ums Überleben, selbst den Kiefern wird es langsam zu trocken, die Eiche hält sich noch. Doch der Trend ist klar: starke Ausdünnung an den Hängen.

Verlassenes Baumhaus in Hanglage - Foto: Jonas Breitner
Verlassenes Baumhaus in Hanglage – Foto: Jonas Breitner

In Zukunft werden Robinie, Traubenkirsche und Birke vorherrschen. Diese Bäume wachsen schnell, wenn sie gelassen werden, erreichen aber kein Alter. Ein dichter schattiger Wald wird so nicht entstehen.

Die Heide wie der Heller

Langfristig wird die Heide wohl wie der Heller aussehen. Mit dem ist der Prießnitzgrund auch geologisch verwandt.

Jetzt mögen manche sagen der Heller sei doch auch schön. Natur verändert sich. So ist das eben. Darauf angesprochen meint Loose, dass es einen Hauptunterschied zum Heller gibt: das Wasser der Prießnitz.

Diese Art Hütten sind erlaubt - Foto: Jonas Breitner
Diese Art Hütten sind erlaubt – Foto: Jonas Breitner

Wasser in Kombination mit der Bodenvielfalt, der Abwechslung von schattigen Tälern und sonnenbeschienenen Hängen und dem Altholz gefallener Bäume führen zu einem hohen „Biopotenzial“.

Das erklärt die Artenvielfalt im Mischwald. Wenn die Heide sich zu schnell verändert, geht die Vielfalt, die Kühle und die grüne Lunge gerät außer Atem. Das Biopotenzial wird verschenkt.

Müll und Frust im Wald

Während Loose über den Waldboden geht, sammelt sie eine hingeworfene Maske auf. Hier wird klar, der Wald hat ein weiteres Problem: Müll. Loose hat schon Matratzen aus dem Wald gezogen und eine Badewanne gefunden.

Soviet-Überbleibsel, man darf sich wundern, was das mal war - Foto: Jonas Breitner
Überbleibsel der Sowjetarmee, man darf sich wundern, was das mal war – Foto: Jonas Breitner

Müll nehme sie noch mit, Steine zum Bau von Sprungschanzen nicht mehr. Auf die Frage, ob das nicht frustrierend sei, meint sie: „Ich mache das nur, wenn es mir gut geht, sonst kann ich das nicht leisten.“

Außerdem sei man, wenn man sich für den Naturschutz engagiert und auf irgendwelche zeitlichen Erfolge hinarbeite, ohnehin fehl am Platz.

Flächennaturdenkmal auf dem Müll - Foto: Jonas Breitner
Flächennaturdenkmal auf dem Müll – Foto: Jonas Breitner

Die Arbeit, wenn auch nicht von Erfolg verwöhnt, ist umso wichtiger. So erzählt Loose von einem Tag im Februar vor einigen Jahren: Damals entdeckte sie bei einem ihrer Rundgänge einen schwelenden Waldbrand. Sie alarmierte die Feuerwehr, die den Brand löschte.

Naturschutz braucht Leidenschaft

„Wir sind zu Gast im Wald“, auf diese Formel bringt es die Naturschützerin.

Auf die Hütten-Thematik angesprochen sagt Loose, das Forstamt sei zwar engagiert und bemüht, jedoch unterbesetzt und stellenweise überlastet (Stichwort: Borkenkäfer). Allgemein, nicht nur im Forstamt, braucht es Freiwillige, um zu unterstützen.

Hier vor Jahrzehnten abgekippte Schlacke färbt den Boden schwarz - Foto: Jonas Breitner
Hier vor Jahrzehnten abgekippte Schlacke färbt den Boden schwarz – Foto: Jonas Breitner

Das Durchschnittsalter im Naturschutzdienst liegt über 50 Jahre. Junge Leute sind besonders willkommen. Aber alle, die wollen, können mitmachen. Das Einzige, was man braucht ist Leidenschaft für die Natur.

Diese Leidenschaft merkt man Loose an. Auf dem Rückweg zeigt sie aufgeregt auf eine Pflanze am Wegesrand. „Ein Vielblütiges Salomonssiegel! Da freu ich mich!“.

6 Kommentare

  1. Es gab doch kürzlich schon einen Beitrag dazu, wieso nochmal?

    Übrigens sehr witzige Aktion dem Hippie das Feuer auszumachen, find ich super.

  2. Die erste Hitzewelle dieses Sommers ist vorbei, und es hat geregnet! Über die Erfrischung freuen sich nicht nur die Menschen, sondern auch die Natur. Das will ich zum Anlass nehmen, noch eine Ergänzung zu schreiben.
    Viele wünschen sich, ein naturverbundenes Leben zu führen, haben aber aus unzähligen möglichen Gründen eine Wohnung in der Stadt, keinen Garten, vielleicht nicht einmal einen Balkon. Da ist es schön, wenn man die Elbwiesen, Grünanlagen, Parks oder den Prießnitzgrund um die Ecke weiß. So kann man sein Wohnzimmer erweitern. Wie wir sehen, wird davon gern und oft Gebrauch gemacht, und es ist absolut verständlich. Der Blick ins Grüne bedeutet Lebensqualität. Dresden hat davon eine Menge zu bieten. Die Flucht aus der Stadt ist ohne Aufwand zu bewerkstelligen, in der Neustadt ohnehin. Bis hierher ist alles Bestens.
    Grenzwertig wird es, wenn das Bedürfnis draußen zu sein, dazu führt, irgendwo im Abseits, seinen “Claim” abzustecken. Das klingt nicht nur nach Wild-West, sondern ist auch meist irgendwie das Vorbild, nur dass die Weiten im Prießnitzgrund ein bisschen kleiner und der Nachbar manchmal gleich in Sichtweite ist. Jemand gründet “sein Reich”, besetzt einen Platz, an den er immer wieder zurückkehrt, wo sich der Freundeskreis trifft oder ein Spielplatz entsteht. Selbst wenn nicht gesägt, genagelt geschraubt, gegraben, keine waldfremden Materialien herbeigeschleppt, Müll hinterlassen und kein Feuer gemacht wird, ein solcher Ort zeichnet sich durch fest getretenen Boden aus, irgendwoher wurde das Fallholz herzugeholt (in welchem vielleicht Insekten leben, die Nahrungsgrundlage anderer Tiere und des Lebens im Boden), Laub bewegt, aus Moos ein Dach gebaut usw. Ist nicht verboten, doch in der Häufigkeit, wie das geschieht, bedenklich. Nebenan wurde möglicherweise unbemerkt das Rotkehlchen (aktueller Vogel des Jahres) oder der Waldlaubsänger beim Nisten gestört. Allerspätestens, wenn der rohe Boden zum Vorschein kommt, auf dem kein Laub liegt und nichts wächst, sollte der Platz aufgegeben werden, damit die Natur ihre Chance zurückerhält, wieder etwas entstehen zu lassen, wie es ihre eigenen Prozesse vorsehen. Also der Bude beim Einstürzen helfen, damit sich keine Nachnutzung findet, und wegziehen.
    Über das Buden-Phänomen denke ich tatsächlich immer wieder nach. Was bringt jemanden dazu, sich mitten im Wald unter Einsatz von viel Mühe, Zeit und aufwendig transportierten Material (bis hin zu Möbeln), eine Laube zu errichten. Wildnis geht anders. Eine Weile mag es gut gehen, gefunden wird aber eigentlich jeder Platz einmal. An anderer Stelle fehlt die Energie, welche hier für ein (kurzfristiges und fruchtloses) Experiment aufgebracht wird. So denkt der Bauherr sicher nicht. Über Bushcrafting gibt es Bücher, und das hat so einen Hauch von Kanada. Zieht bei Regen und Kälte jemand in den Wald, um dort in einer Hütte, die kaum schützt, zu nächtigen? Sind nicht eher die warmen, langen, trockenen Tage die geeigneten? Warum dann nicht das Dach weglassen? Es reichen Schlafsack und Isomatte, was der Natur keinen vergleichbaren Schaden zufügt (Zelten ist nicht gestattet). Für ein heimliches Natur-Erlebnis, das den Namen verdient, reicht diese Ausrüstung. Baumhäuser sind sicher der Traum aller Väter und Söhne, doch eben Häuser und ebenfalls kein Waldinventar.
    Die Natur spüren, beobachten und genießen, dazu möchte ich Sie gern einladen. Als Kontrastprogramm zu unserem sonst städtischem Treiben. Andernfalls wird die Natur zur Kulisse und Nutzungsobjekt. Die wenigen tatsächlichen Rückzugsmöglichkeiten für Tiere und Pflanzen sind durch den Menschen bedroht. Wir können uns das in dem Ausmaß nicht mehr leisten. Lassen Sie bitte, so oft es geht, die Natur Natur sein. Uns braucht sie nicht, aber wir sie.

  3. Auch wenns sisyphosich ist, auf dem Waldspaziergang kann man oder Frau auch den Müll anderer einsammeln und mitnehmen. Ich träume auch von einer Welt in der kein Müll im Wald landet, aber das ist eben Träumerei und besonders in unserer bunten Plastikkonservierungswelt nicht denkbar. Einzige sinnvolle Lösung: Kritische Masse aufbauen die nicht wegschaut sondern sich regelmäßig bückt… Gesellschaftliche Verantwortung und so… In diesem Sinne: Europa nicht den Leyen überlassen, und den Nazis auch nicht!

  4. @g.kickt Vielen Dank für Ihre Beteiligung an der Debatte. Mittlerweile sehe ich ebenfalls vieles kritisch, was aus Brüssel kommt, das gehört zur Demokratie. Der EU verdanken wir allerdings ein großartiges Schutzgebietsnetz: NATURA 2000, zu dem auch der Prießnitzgrund gehört. Leider hapert es mit der nationalen Umsetzung, wegen deren Vernachlässigung Deutschland sogar Strafen riskiert. Das muss an dieser Stelle jedoch nicht vertieft werden.
    Den Gesinnungsaspekt können wir gleichfalls herauslassen. Die Natur kümmert sich nicht darum. Hier geht es lediglich um ihren Schutz vor schädigendem Verhalten durch Menschen insgesamt. Sich für das Gemeinwohl konstruktiv verantwortlich fühlen, kann wirklich jeder. Das begrüße und befürworte ich ausdrücklich. Diesen Impuls will ich geben, daran erinnern und sensibilisieren. In diesem Sinne unterstütze ich Ihren. Es passiert leider sehr viel aus Gedankenlosigkeit, das erfahre ich immer wieder in Gesprächen. Auch der Nachahmungseffekt spielt eine große Rolle. Den möchte ich gern positiv verstärken. Sie nennen es “eine kritische Masse aufbauen”.
    Ich freue mich sehr über die Beiträge des “Neustadt-Geflüsters” zur Natur vor unserer Haustür. Ihr gehört in der Tat mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

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