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Autofreie Woche ganz abgesagt

Wie die Stadtverwaltung heute mitteilt, wurde das Verkehrsexperiment „Woche des guten Lebens“ in der Äußeren Neustadt abgesagt.

Eine Woche autofreie Neustadt geplant.
Eine Woche autofreie Neustadt geplant.

Darüber haben sich der Projektträger BUND und der Beirat des Projektes Zukunftsstadt verständigt. Die Woche war vom 2. bis 9. Mai 2021 geplant. Im Rahmen dieses Verkehrsversuchs sollten verkehrsberuhigte Bereiche in der Äußeren Neustadt eingerichtet werden.

Dort sollte eine Woche lang nur noch Schrittgeschwindigkeit gefahren und nicht geparkt werden dürfen.

Absage-Grund: Pandemische Lage

Zur Begründung heißt es: „Die pandemische Lage setzt als höchstes Gut die Gesundheit der Einwohner Dresdens voraus. Die Durchführung eines Verkehrsexperimentes mit dem Ansinnen, dass die Bewohner den freigewordenen Raum auf ihren Straßen nach ihren eigenen Vorstellungen nutzen und gestalten, ist daher aus Sicht aller Beteiligten nicht zu verantworten.“ Die Planung und Umsetzung setze zudem die Mobilisierung von mehr als 200 ehrenamtlichen Helfern voraus, welche ebenso für die Durchführung des Experiments eng zusammenarbeiten müssten.

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In Abhängigkeit der weiteren Entwicklung der pandemischen Lage soll die beantragte Sondernutzung für eine Freiluftausstellung am Lutherplatz aufrechterhalten werden.

Norbert Rost hat das Projekt für die Stadt Dresden von Anfang an begleitet: „Schade, dass die Pandemie das Nachbarschaftsleben aktuell stark einschränkt.“ Der Geist der „Woche des guten Lebens“ wirke trotz der Absage weiter, und dafür wolle er den Engagierten danken, die sich seit vielen Monaten für die ökologische und soziale Verkehrswende in der Neustadt einsetzen. „Sie haben einen wertvollen Impuls für die Gestaltung einer nachhaltigen Zukunftsstadt gesetzt“, so Rost.

Entwicklung mit Leibnitz-Institut und TU Dresden

Das Zukunftsstadtbüro hatte die Bürgerprojekte bei der Umsetzung der sogenannten und durch das Bundesforschungsministeriums (BMFB) zu 100 Prozent geförderten „Reallabore“ betreut. Trotz der heutigen Absage sei das Projekt weit entwickelt worden und wird vom Forschungsverbund aus dem Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und dem Lehrstuhl für Verkehrspsychologie an der Technischen Universität Dresden in den bisherigen Prozessschritten ausgewertet.

Markus Egermann vom IÖR: „Die Absage ist bedauerlich aber in der Sache richtig. Auch wenn im Moment bei Einigen die Enttäuschung überwiegt, bleibt festzuhalten, dass allein durch die mehrmonatige Vorbereitung wertvolles Wissen bei allen Beteiligten entstanden ist, dass dieser Stadt und ihren Menschen auf dem Weg zu einem nachhaltigen Mobilitätssystem zur Verfügung steht.“

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Harter Schlag für das Organisationsteam

„Ziel des Projekts war immer, auf der Straße mehr Platz für Menschen zu schaffen, den sie gemeinsam gestalten und nutzen können. Da explizit keine Veranstaltung geplant war, hegten wir lange die Hoffnung, dass durch mehr Platz auf der Straße zumindest Raum für mehr Begegnungen mit Abstand geschaffen werden könnte. Doch auch das ist mit den inzwischen geltenden Kontakt- und Aufenthaltsbeschränkungen unvereinbar“, erklärt Jutta Wieding, Vorsitzende des Projektträgers BUND Dresden. Der Gesundheitsschutz gehe vor.

„Dass das Verkehrsexperiment nun doch nicht stattfinden kann, nachdem es alle Hürden genommen hat, ist ein harter Schlag für uns. Die jahrelange Arbeit und Kreativität hunderter Ehrenamtlicher steckt in diesem Projekt. Wir können gar nicht ausdrücken, wie sehr wir die Absage bedauern“, sagt Judith Kleibs, Projektkoordinatorin der „Woche des guten Lebens“. Das Verkehrsexperiment wurde bereits 2020 wegen der Corona-Pandemie auf diesen Mai verlegt. Eine weitere Verschiebung ist nicht möglich, da die “Woche des guten Lebens“ als eines von acht Dresdner Zukunftsstadtprojekten eine begrenzte Laufzeit und begrenzte Mittel hat.

Leere Talstraße - Foto: privat
Leere Talstraße – Foto: privat

Digitale Angebote in der ersten Maiwoche

Dennoch plant das Projektteam in der ersten Maiwoche Angebote zum Thema Verkehrswende: Viele Dresdner Vereine und Initiativen werden vom 2. bis 9. Mai digitale Vorträge und Workshops zu nachhaltiger Mobilität, partizipativer Stadtgestaltung und nachbarschaftlichem Engagement anbieten. Auch die Freiluftausstellung auf dem Martin-Luther-Platz wird vorbehaltlich aktuell noch nicht abzu-schätzender Corona-Auflagen zu sehen sein.

„Die Verkehrswende bleibt für die Äußere Neustadt wie auch für ganz Dresden ein wichtiges Thema. Darauf wollen wir mit der Freiluftausstellung und der Veranstaltungsreihe hinweisen“, sagt Jacqueline Griesbach, ebenfalls Projektkoordinatorin der „Woche des guten Lebens“. Die Ausstellung soll mit den bereits für das Projekt gebauten Parklets und Hochbeeten sowie Entwürfen von Studierenden der TU Dresden zeigen, wie der öffentliche Raum als Aufenthaltsort und für die Nutzung emissionsarmer Mobilitätsformen gedacht werden kann.

Obwohl die finale Durchführung nicht möglich ist, habe das Projekt einen entscheidenden Beitrag zur Debatte um eine Verkehrswende in Dresden geleistet. So sei Diskussion um die Umgestaltungspläne der Louisenstraße vorangebracht worden. Der BUND Dresden zeigt sich außerdem offen für einen neuen Anlauf. „Die ‚Woche des guten Lebens‘ hat sehr viel bewegt und viel Zuspruch erfahren“, sagt Wieding. Sollten sich neue Fördermöglichkeiten auftun und das Engagement weiterhin so groß sein, sei es durchaus möglich, das Verkehrsexperiment nach der Pandemie erneut zu starten. „Das fertige Konzept liegt in der Schublade“, so die BUND-Vorsitzende.

Vielleicht eine Neuauflage nach Ende der Pandemie

Auch der Stadtbezirksbeirat und das Stadtbezirksamt Neustadt signalisierten Offenheit für eine Neuauflage. Das Projektteam ist zudem im engen Kontakt mit der Stadtverwaltung und der Begleitforschung. So sollen die Erfahrungen, die im Genehmigungsverfahren des Verkehrsexperiments gewonnen wurden, gesammelt und gesichert werden. Die Erkenntnisse werden dokumentiert und zugänglich gemacht. Eine gemeinsame Pressekonferenz mit der Landeshauptstadt Dresden ist für Ende April geplant.

Das Projektteam dankt allen Bündnispartnern und Befürwortern und den mehr als 100 ehrenamtlichen Helfern. Die haben in den vergangenen Jahren die „Woche des guten Lebens“ unterstützt und damit gezeigt, dass ein solches Projekt in Dresden möglich ist. Zwar habe das Projekt auch viel Skepsis und Kritik erfahren. Der große Zuspruch zeige jedoch, dass die Dresdner Stadtbevölkerung offen für Wandel ist.

Woche des Guten Lebens. Foto: Ronny Rozum
Woche des Guten Lebens. Foto: Ronny Rozum

Schleichender Rückzug

Als das Projekt 2019 zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war das Ziel noch, die Äußere Neustadt für eine Woche komplett von Autos zu befreien. In verschiedenen Veranstaltungen hatte das Organisationsteam versucht, das Anliegen den Neustädter*innen näher zu bringen. Vor allem bei den Gewerbetreibenden stieß die Idee eines autofreien Viertels auf großen Widerstand. In den Verhandlungen mit den städtischen Behörden wurde das Projekt immer kleiner. Zum Schluss war nur noch von einem verkehrsberuhigtem Kernbereich die Rede.

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