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Weihnachtsfreuden und Weihnachtsleid im schweren Jahr 1920

Das Fest der Geburt von Jesus, das Fest der Liebe war vor 100 Jahren durch Licht aber mehr durch Schatten geprägt. Dieses zweite Friedensjahr nach dem Großen Krieg 14/18 traf die Einwohnerschaft gleich zu Beginn mit der dritten Welle der Spanischen Grippe, brachte Hunger unter die Armen und verbreitete Arbeitslosigkeit sowie politische Spannungen. Die Leute froren, Kohlen und Strom waren knapp, Lebensmittel rationiert. Von der kommenden großen Inflation drei Jahre später, in der breiteste Bevölkerungskreise um ihre Ersparnisse und um ihr Eigentum gebracht wurden, ahnte man noch nichts, obwohl die Zeichen schon daraufhin deuteten.

Kinder sehnten sich nach Freude

Und diese dachte sich zum Beispiel der Elternrat der 22. Volksschule auf der Luisenstraße aus. Er mietete für den 21. Dezember 1920 das Alberttheater. 1600 Schülerinnen und Schüler eroberten begeistert lärmend und unentgeltlich den Zuschauersaal. Gespielt wurde das Märchen „Zwerg Nase“. Die Lehrerschaft übernahm die Platzierungen und der Obmann des Elternrates rief die Kinder zu Tugend und Dankbarkeit auf, wie die Dresdner Nachrichten berichteten.

Dresdner Nachrichten von 1918
Dresdner Nachrichten

Baden musste sein

Wenigstens zu den Feiertagen wollten Mann, Frau und Kinder nicht stinken. Das Nordbad in einem zweiten Hinterhof der Luisenstraße, welches seit 1895 betrieben wurde, richtete an seine Kundschaft die Bitte, nicht an Heiligabend und Silvester die Bäder aufzusuchen, „da an diesen Tagen erfahrungsgemäß der Andrang der Badegäste in den Nachmittags- und Abendstunden besonders groß sei. Wer es ermöglichen kann, mag schon an einem der vorangegangenen Tage oder an den Vormittagen die Bäder aufsuchen.“

Die Preise für ein Wannenbad 1,25 Mark, für ein Brausebad 50 Pfennig. Damit waren aber die Kosten nicht gedeckt. Die Stadt zahlte noch das Zweieinhalbfache obendrauf. Von einer geplanten Preiserhöhung wurde auf Grund der Kohlenknappheit, den allgemeinen Verteuerungen und der verbreiteten Verarmung sowie aus Gründen der Volkshygiene wieder Abstand genommen.

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Man nehme es den Reichen …

… und gebe es den Armen? Nicht ganz. Man gebe es sich selbst. Diese etwas umgewandelte Robin-Hood-Methode nahm eine Neustädterin, die als Köchin in einem Altstädter Restaurant arbeitete, für sich in Anspruch. In besagtem Restaurant, in dem die gut Betuchten verkehrten, war für die 20jährige Helene Martha M. einiges in diesen schlimmen Zeiten zu holen. In weiser Voraussicht auf die bevorstehenden Festtage ließ sie 10 Würste, 8 Eier, 4 Bratwürste, 250 Gramm Schnitzelfleisch, 125 Gramm Schinken und Mettwurst sowie 2 ½ Pfund Mehl mitgehen. Ob der sich verkleinernden Gewinnmarge kam der Besitzer dahinter und Helene landete vor der 5. Strafkammer des Dresdner Landgerichts. Da sie bereits wegen Diebstahls vorbestraft war, brauchte sie sich um die Versorgung an den Feiertagen keinen Kopf mehr zu machen. Urteil: vier Monate Gefängnis.

Adventskalender um 1920
Adventskalender um 1920

Kein goldener Sonntag

Das wäre der vierte Advent gewesen. An diesem Tag sollte eigentlich ordentlich Kasse gemacht werden. Am Nachmittag strömten die Neustädter mangels der großen Kaufhäuser in ihrem Viertel in die Altstadt. Auf den Brücken ließen eine Vielzahl von Leierkastenspielern ihre „trübselig-lustigen Weisen erklingen“, wie die Dresdner Nachrichten schrieben. Und der wieder eingetretene leichte Frost machte die Straßen und Wege halbwegs passierbarer. Leider brachte das zwei Tage zuvor eingetretene Tauwetter die Winterpracht wieder zum Schmelzen.
Aber nicht jeder hatte das nötige Kleingeld, um sich und seinen Lieben Wünsche zu erfüllen. Bei vielen regierte wieder einmal Schmalhans. Und darum war der Handel nicht zufrieden. Gebrauchtwaren-Läden waren gut besucht, Luxus- und Feinkostläden klagten über Kundenmangel.

Gut besucht wurden dagegen die Stände auf dem Striezelmarkt und der Christbaumverkauf. Letzterer hatte vor allem in der Neustadt über gute Absätze zu berichten.

Das Weihnachtsessen

Auch wenn die Lebensmittel, Fleisch, Gemüse etc. rationiert waren, versucht jeder für die Feiertage etwas Gutes auf den Tisch zu bringen. Die Dresdner Nachrichten empfahlen ihren Lesern für Heiligabend: Suppenwürfel-Suppe sowie einen bunten Salat mit Rührei aus städtischem Ganzeipulver.

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Der Erste Feiertag war dem Schlemmen gewidmet. Vorspeise: Nockensuppe. Hauptspeise: Gansbrauen, Kalbs- oder Schweinebraten mit Rotkraut und Salzkartoffeln. Dazu ein Selleriesalat. Als Nachtisch wurden schlesische Mohnklöße empfohlen.

Der zweite Feiertag fiel schon etwas magerer aus. Als Vorspeise wurde eine Erbsensuppe suggeriert. Das Hauptgericht umfasste gebackene Cornedbeef-Scheiben mit Schwarzwurzelgemüse und Kartoffeln. Als Nachtisch konnte man sich eine Milchsüßspeise zubereiten.

Einen ominösen dritten Feiertag gab es auch, obwohl dieser auf einen normalen Wochentags-Montag fiel. Aber Hunger hatte man. Und so wurde von der Zeitung ein vegetarisches Gericht empfohlen: Aus den Kartoffelresten der vorangegangenen Feiertage sollten Klöße gemacht werden. Dazu reiche man eine Meerrettichsoße und ein Apfelkompott.

Sorgen und Probleme

Manches erinnert interessanterweise an 100 Jahre später. Die Folgen von Krieg, Spanischer Grippe und sich verbreitender Armut erfasste auch die Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Kleindarsteller und Bühnenarbeiter. Vorstellungen fanden zwar statt, aber die Einnahmen deckten längst nicht mehr die Ausgaben. Immer häufiger wurden Gagen gekürzt oder gar nicht mehr ausgezahlt. Ein Künstlerverband machte den Vorschlag an die Stadtverwaltung, „dass man einen gewissen Prozentsatz der Erträgnisse der Lustbarkeitssteuer aus künstlerischen Veranstaltungen zur Unterstützung notleidender hiesiger Künstler“ verwenden möge.

Und das Sächsische Schulministerium gestattete den Schulen, die nicht ausreichend mit Heizmaterial versorgt wurden, dass die Weihnachtsferien verlängert werden können. Der Unterrichtsbeginn wurde deshalb auf den 10. Januar 1921 festgelegt.

Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek durchstöbert.