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Auch 2023 keine BRN im Juni

Mehr als 30 Jahre lang war das dritte Juni-Wochenende der Höhepunkt des Neustadt-Lebens. Zehntausende, ja teilweise über 100.000 Besucher*innen kamen an den drei Tagen um die Bunte Republik Neustadt (BRN) zu feiern. Doch in diesem Jahr wird es im Juni keine Geburtstagsfeier geben. Das war gestern in der Sitzung des Ausschusses “Allgemeine Verwaltung” am Rande zu hören.

BRN 2017
BRN 2017

Eigentlich ging es nur um verkaufsoffene Sonntage, aber so nebenher erklärte ein Vertreter des Straßen- und Tiefbauamtes (STA), dass es keine Ausschreibung für die diesjährige BRN geben werde.

Das hatte sich schon im vergangenen Jahr angedeutet. Damals hatte Doris Oser, persönliche Referentin des zuständigen Baubürgermeisters Stephan Kühn (Grüne) erklärt: “Bis heute sind dem Straßen- und Tiefbauamt keine Veranstaltungsanzeigen zur BRN für das Jahr 2023 bekannt. Auch liegen keine Anträge von Veranstaltern oder Organisatoren vor, welche die Voraussetzungen für eine Kontaktaufnahme wären.”

BRN-Kinderumzug mit Ente Flora im Jahr 2012 - Foto: Archiv/Anton Launer
BRN-Kinderumzug mit Ente Flora im Jahr 2012 – Foto: Archiv/Anton Launer

Der Neustädter Grünen-Stadtrat Torsten Schulze war gestern in der Sitzung dabei. Er berichtet: “Derzeit gibt es keine Anmeldungen und aktuell würden wohl auch keine Anträge bearbeitet”. Schulze findet das ziemlich schade und hätte gern die Meinung der Anwohner*innen zu dem Thema gewusst. “Sind die Neustädter überhaupt noch an einer BRN interessiert?”, fragt er. Er wolle sich nun mit weitern Akteuren abstimmen, wie man eine solche Befragung durchführen kann.

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Langes Sterben der BRN

Die Bunte Republik, ausgerufen im Juni 1990, hatte sich im Laufe der Jahre immer mehr zu einem kommerziellen Straßenfest entwickelt, das jährlich größer wurde. Zwischen 2000 und 2015 kamen regelmäßig mehr als 100.000 Besucher*innen. Unzählige Konzerte und Partys paarten sich mit noch viel mehr Bierwagen und Bowleständen. Mittendrin aber immer wieder wunderbare Neustädter Kleinkunst. Erinnert sei da exemplarisch an den Lustgarten, das Konzert für Grünpflanzen oder die Merkwürden-Bühne auf dem Alaunplatz.

Spätestens seit dem Unglück zur Loveparade in Duisburg wurden aber die Bedenken immer größer. 2015 gab es erstmals eine Sicherheitsanalyse, die feststellte: Die BRN ist lebensgefährlich. Teilweise wurden sieben Personen pro Quadratmeter gezählt. Danach versuchte die Stadt mit einem Sicherheitskonzept gegenzusteuern. Die Zahl der Stände wurde stark reduziert. Und mit der zunehmenden Bebauung des boomenden Viertels fehlten auch Freiflächen für Tanzveranstaltungen. Immer auch ein Problem waren die riesigen Müllberge, die Lautstärke und der Urin.

Müll-Republik Neustadt - Foto: Archiv Anton Launer 2015
Müll-Republik Neustadt – Foto: Archiv Anton Launer 2015

Bei der Stadtverwaltung blieb die BRN immer das ungeliebte Kind. Nach drei Jahren pandemiebedingtem Ausfall war nun offenbar die Gelegenheit günstig. Eine starke Initiative, die das Fest im Juni wiederbeleben möchte, ist derzeit nicht zu erkennen.

Nachtrag – Statement der Stadtverwaltung

Am Nachmittag teilte die Stadtverwaltung dann auch offiziell mit, dass es 2023 keine „Bunte Republik Neustadt“ (BRN) geben wird. Da sich kein Gesamtveranstalter gefunden hat, seien die Verantwortlichkeiten für die allgemeine Ordnung und Sicherheit, insbesondere für Leben und Gesundheit von Menschen, ungeklärt.

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In einem Gespräch mit den Geschäftsbereichsleitern Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften sowie Ordnung und Sicherheit am 16. Dezember 2022 zur BRN 2023 haben die Neustädter Koordinatoren und Akteure der BRN angezeigt, dass sie nicht als Gesamtveranstalter auftreten und für 2023 auch keine Organisation des Festes übernehmen werden. Einzelaktionen von Bürgern sind nicht genehmigungsfähig, da sie in ihrer Gesamtwirkung auf den öffentlichen Raum betrachtet werden müssen. Sie führen zu einem Fest ohne Veranstalter.

Im Laufe des Jahres 2023 wird nach Lösungen für künftige Veranstaltungen in der Äußeren Neustadt gesucht. Das Stadtteilhaus Dresden-Äußere Neustadt soll eine Umfrage zum Inhalt und zur Ausgestaltung eines künftigen Stadtteilfestes oder einer zukünftigen BRN vorbereiten. Wenn die Ergebnisse vorliegen, kann über den Fortgang der BRN und zur Veranstalterrolle beraten werden.

Baubürgermeister Stephan Kühn: „Wir suchen nach einer Möglichkeit, das Fest nach der pandemiebedingten Pause zu reaktivieren. Dafür bedarf es eines tragfähigen Konzepts, und die Bürgerschaft muss für sich definieren, was sie will. Die BRN steht für bürgerschaftliches Engagement in der Äußeren Neustadt, zieht aber auch Besucher über die Stadtgrenzen hinaus an.“

Für 2023 bekundeten die genannten Koordinatoren und Akteure der BRN ihr Interesse an mehreren kleinen Aktionen, verteilt auf verschiedene Wochenenden des Jahres, um die geplanten Befragungen besser durchführen zu können. Die Initiatoren der Befragung prüfen derzeit, inwiefern sie als Veranstalter auftreten können und welche Konzepte möglich sind. Nach Vorliegen eines Veranstaltungskonzepts für den öffentlichen Raum kann die Stadtverwaltung prüfen, ob die erforderlichen Erlaubnisse für die Durchführung des Festes/der Veranstaltung erteilt werden können.

Geöffnet am Wochenende: BRN-Museum
Im Stadtteilhaus befindet sich auch das BRN-Museum – Foto: Archiv Anton Launer 2017

P.S. Irgendwer müsste dem Stadtmarketing aber mal Bescheid geben, dass das Fest ausfällt. Auf der Seite “Veranstaltungen in Dresden” wird noch für das “Stadtteilfest mit Kultcharakter” geworben.

15 Kommentare

  1. Wenn sich gefragt wird, wie Bürger befragt werden:

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerbefragung

    Es ist doch indiskutabel, wenn hier irgendwer irgendwen befragt…
    Hier muss die Stadt sich die Mühe machen, jedem Wahlbrechtigten Bürger entsprechende Post mit einem Fragebogen zukommen zu lassen, damit es eine Bürgerbefragung genannt werden kann….
    So einfach kann es sein, auch wenn es Geld kostet.
    Wenn als Grundlage für Entscheidungen der Verwaltung Interessenvertreter im eigenen Sinne nur Interessierte befragen werden demokratische Werte mit Füssen getreten…
    Hier sollten alle Bürger der äußeren Neustadt / 01099 befragt werden, denn nur die sind betroffen.

  2. Na da wäre ich doch für eine große Trauerparade und einen Leichenschmaus auf den Straßen der Neustadt. Ansonsten ist das die Chance, das Ding wieder in die Hände der Neustädter zu legen und “back to the roots” zu gehen. Ein “MaLuPla”-Fest wäre doch zum Beispiel was.

  3. Die BRN muss von den Bewohnern ausgehen und ist nicht dadurch BRN, dass man bewirtet und bespaßt wird.
    Solange sich der “Anwohnerwille” am großen Frühstückstisch formiert und jeder in seiner Art zu leben und zu feiern willkommen ist, ist mit der BRN alles in Ordnung.
    Wie 1990 wird sie sowieso nie wieder sein. Die Monarchie ist der Demokratie gewichen, die Anarchie der Verwaltung und aus Hausbesetzern wurden Hausbesitzer.
    Bei mir kriegt jeder einen Kaffee und in der Nacht spiel ich Musik. Wie immer. Kommt vorbei!

  4. So nah war sie wohl nie an den Ursprüngen. 1990 hat keiner eine Stadtverwaltung gefragt. Wir Neustädter verabreden uns, an einem Wochenende gemeinsam schöne Dinge zu machen. Viel Eigeninitiative – keine Bierwagen. Perfekt.

  5. ist mal wieder fein. ich traure dem lärm, dreck, den besoffenen, dem sinnlosen gepöbel und wildpinkeleien nicht nach. BRN? Nein Danke!

  6. Jeder macht was er möchte, ohne Konzept, einfach frei. Einfach an einem Wochenende Tisch und Stuhl raus, Schrammelmusike, kleiner Flohmarkt vorm Haus. Passt doch!

  7. Einfach machen?

    Nette Idee und ging in den 90igern als die Behörden nur mit sich selbst beschäftigt waren. Aber Heute nicht mehr, bzw. Kriegskasse und gute Anwälte bracht man dann im Nachhinein für die Strafen und die “netten” Damen und Herren vom O-Amt und Polizei lernt man dann direkt kennen.

    Warum? –> Siehe Hier:

    https://www.dresden.de/de/rathaus/dienstleistungen/veranstaltung-anmelden.php

    FAQ: Muss ich meine Veranstaltung anmelden?

    … ja wenn einer der Punkte zutrifft..:

    – Die Veranstaltung ist der Öffentlichkeit zugänglich. (Frühstückstisch auf Straße)
    – Gewinnerzielungsabsicht (Tisch mit Flohmarkt…)

    & dann kommt noch die GEMA (Musik). Und im Artikel gibt es ja dieses schöne, entlarvende Zitat aus Richtung Verwaltung:

    “Einzelaktionen von Bürgern sind nicht genehmigungsfähig, da sie in ihrer Gesamtwirkung auf den öffentlichen Raum betrachtet werden müssen. Sie führen zu einem Fest ohne Veranstalter.”

    Fazit: Die BRN ist, als Fest von Bürgern für Bürger, von der Stadt Dresden, bzw deren Verwaltung, nicht gewollt. Man möchte zwingend den Gesamtveranstalter, nicht einzelne Bürger oder Hausgemeinschaften die einfach Spaß haben.

    Ich schließe damit mit dem unvergessenen Hausmeister Krause (der mit dem Dackelclub): Ordnung muß sein!

  8. Also kann ich spontan nicht meine Mordbücher vor der Haustür für Appel ind Ei verkaufen… Schade.

  9. Ach, Thorsten…
    Einfach mal aus der Angst heraustreten, machen und gucken was passiert. Das wäre der ursprüngliche “BRN”-Gedanke.

    Ich glaube nicht, dass der Staat mit Panzern anrückt, wenn jemand Kuchen und Kaffee zum Selbstkostenpreis verkauft, mit der Klampfe auf dem Gehweg hockt oder mit den Nachbarn frühstückt.

  10. @someone else:

    Kann man machen, aber die Verwaltung/Politik hat da echt keinen Bock drauf…
    https://www.dresden.de/media/pdf/satzungen/satzung_sondernutzung.pdf

    Schon lange ne üble Satzung, hat bald 20jähriges….

    Wenn man die Nachbarschaft zusammen bringen will, empfehle ich NICHT das bisherige Datum zu nehmen. Weil genau da wird der Ordnungsdienst genau hinschauen wollen.

    Ansonsten, Personaldokumente zu Hause lassen, sich nicht erinnern wer den Tisch da wann hingestellt hat und die Verfahren ALLE bis in die Gerichte hocheskalieren lassen. Verhältnismäßigkeit anzweifeln. Naja, oder die Ordnungswidrigkeitsbußgelder halt mit einkalkulieren (Hauskasse), wird soooo viel ja nicht sein…. Falls doch, siehe oben, Verhältnismäßigkeit und so…

  11. „Einzelaktionen von Bürgern sind nicht gehmigungsfähig!“ … soviel zum Thema Eigenengagement. Selbst erlebt, was passiert, wenn Strassenkunst nicht erwünscht ist. Da braucht es nicht mal das O-Amt. Der aufmerksame Noi-Neustädter reicht schon..

  12. Wie wäre die Idee eines crowed fundings, welches nur die Rahmenbedingungen finanziert (Absperrungen, Versicherungen, Bürokratie, etc) und damit die Möglichkeit schafft, dass die Bewohner aktiv werden können (und wirklich nur die Bewohner), wäre Mal spannend, was da raus kommt. Eine Satzung müsste es natürlich geben, die ein paar Grundsatzregeln vorgibt…

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