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Immer Ärger mit dem Personal

Personal zu finden, geschweige denn gutes, war auch 1913 kein leichtes Unterfangen. Die gutbürgerliche Familie Redlich, ihres Zeichens eine Kaufmannsfamilie, wohnhaft in der zweiten Etage der Bautzner Straße 14, da, wo die kleine Bautzner in die große einmündet, konnte ein Liedchen davon singen. Der Ehemann, der Rudolf, war schon wer. Seit kurzem durfte er sich Hoflieferant des Großherzogs von Sachsen-Weimar nennen. Dieser Titel öffnete ihm die Türen zu den oberen Kreisen der Königlich-Sächsischen Residenz.

Bautzner Straße 14 vor rund 100 Jahren.
Bautzner Straße 14 vor rund 100 Jahren.

Lange bemühten sich die Redlichs um ein Kindermädchen für die kleine zweijährige Tochter Emma. Mehr aus Mitleid denn aus Qualifikationsgründen entschied man sich für die erst 15-jährige Paula. Man dachte wohl, jung und unerfahren lasse sich besser lenken. Und wie bei Kaufleuten üblich, spielten natürlich auch die Kosten eine nicht zu vernachlässigende Rolle.

Die Bewährungsprobe

Sonntag, 14. September 1913, ein spätsommerlich lauer Abend. Herr und Frau Redlich verabredeten sich mit Freunden zu einem Ausflug ins Lincke’sche Bad. Dort warteten eine gute Küche, tolle Weine und ein Ballabend. Der jungen Paula wird ihre kleine Tochter zum ersten Mal anvertraut. Bisher erwies sich das Dienstmädchen zwar als etwas begriffsstutzig. Dies wurde jedoch ihrer Jugend und ihrer mangelnden Lebenserfahrung angelastet und nicht als großes Problem gesehen. Sei es, wie es sei.

Als das Pärchen spät abends fröhlich und vergnügt nach Hause kam, herrschte Stille in der Wohnung. Im Glauben, Töchterchen Emma und das Kindermädchen schliefen selig, ging die Gattin ins Kinderzimmer, um nachzuschauen. Das Kind war nicht da. Mit wachsender Unruhe rauschte die Mutter in Paulas Zimmer. Hier keine Spur von Beiden. Auch alle anderen Räume fand man leer vor.

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Suche, so wirst du gefunden

Rudolf Redlich lief hoch erregt zur nahen Polizeiwache. Ein Aufgebot der diensthabenden Wachtmeister der Wohlfahrtspolizei schwärmte aus und durchkämmte die Äußere Neustadt.

Zunächst vergebens, wie die Dresdner Neuesten Nachrichten zwei Tage später über diesen Vorfall schrieben. Kurz vor dem Abbruch der nächtlichen Suche ging einer der Wachleute in das Ballhaus auf der Bautzener Straße 35, also schräg gegenüber der Wohnung der Redlichs. Inzwischen war Mitternacht schon vorbei. Und da fand er sowohl das Dienstmädchen als auch die kleine Emma der Redlichs gesund und putzmunter vor.

Blick auf die Bautzner Straße vor rund 100 Jahren.
Blick auf die Bautzner Straße vor rund 100 Jahren.

Er und seine Kollegen stürmten die Tanzfläche.

Paula befand sich gerade in den Armen eines Soldaten und tanzte, von ihm eng umschlungen, einen dieser von den Moralisten verpönten Schiebertänzen. Und die zu betreuende kleine Maus? Die saß vergnügt auf der Galerie, wippte zum Takt der Musik und tat sich gütlich an einer Tafel Schokolade. Was für ein Abenteuer. Das sahen Papa und Mama Redlich natürlich anders.

Die rasch herbeigeholten Eltern eilten zu ihrer Tochter und schlossen sie überglücklich in ihre Arme.

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Das Donnerwetter

Mit lautem Gezeter wurde Paula nach Hause gezerrt. Ihr war zunächst ein Unrecht nicht bewusst. Die Herrschaft war zum Vergnügen außer Haus und sie selbst hatte ebenfalls Lust auf selbiges. Entsprechende Etablissements gab es in der Umgebung. Und die Kleine war eher eine Nachtschwärmerin, die keinen Trieb auf zeitiges Zu-Bett-Gehen hatte. Und das Ballhaus war schräg gegenüber. So ein oder zwei Stunden Vergnügen würde die Herrschaft eh nicht bemerken.

Paula wurde umschwärmt und ihre Galanen kauften der Kleinen Maus immer wieder Schokolade, die diese genüsslich in sich reinstopfte. Und Paula drehte eine Tanzrunde nach der anderen. Was sie vergaß, war die Zeit.

Und in diese holte sie ihre Herrschaft mit einer saftigen Standpauke zurück. Das Ergebnis, so in den Dresdner Neuesten Nachrichten am 16. September 1913 zu lesen, war die sofortige Kündigung. Noch in der Nacht musste sie das Haus verlassen. „Jugend von heute“, resümierte lakonisch die Zeitung.

Unter der Rubrik “Vor 100 Jahren” veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek durchstöbert.