Die Sebnitzer Straße gehört zu den Altvorderen im Straßenbild des Viertels. Sie wird gesäumt von 38 Häusern, die als Kulturdenkmäler gelten. Über Schaufenstern zeugen verblasste Schriftzüge von der Krämerladen-Ära der Neustadt. In ehemaligen Lebensmittelgeschäften findet man heute Ateliers oder den Tierarzt. Die Straße quert ihre quirligen Schwestern Alaunstraße und Görlitzer in aller Ruhe. Achtung, Sie betreten ein Soziotop!
Wenn es nach Friedrich August Rutowski gegangen wäre, wäre die Sebnitzer Straße eine Marktgasse geworden. Zwischen Martin-Luther- und Alaunstraße wollte der Dresdner Gouverneur einen Marktplatz anlegen lassen. Aber so wie vergänglich wie die Feldmarschalle sind zuweilen ihre Bauvorhaben. Rutowski, dessen zwei Vornamen auf den bekannten Vater, „den Starken“, hinweisen, war ein unehelicher Spross des vermehrungsfreudigen Kurfürsten und der geraubten Türkin Fatima Kariman, der es zu einiger Berühmtheit brachte – mit den Dingen, mit denen man als adeliger Sohn im achtzehnten Jahrhundert nun mal Berühmtheit erlangte. Bummbumm, piffpaff und knallteratata.
Vor allem mit der Umsetzung der Heeresreform unter August machte er sich im Zeithainer Lustlager einen Namen. Friedrich August junior brachte es bis zum Orden vom Weißen Adler. Man kann sich das wie die höchste Pokémon-Karte im sächsischen Militär annodazumal vorstellen.
Im Sebnitzer Lustlager kämpfen die vorüber schlurfenden Lebenskrieger mit der Müdigkeit. Sie pilgern – die klimpernden Beutel verraten es – zu Glascontainern oder dem Netto auf der Kamenzer. Zapfanstalt und Pawlow dünsten um die Mittagsstunde die Dämpfe der vergangenen Nacht aus. Besucher trifft man selten an – es sei denn, sie haben sich auf der Suche nach der Kunsthofpassage verlaufen. Die Haustüren sind geschriebene Tagebücher und ab und an steigt ein Rauchzeichen aus einem offenen Fenster.
Bunter Flitter flattert noch an Leinen über dem Pflaster wie nicht abgenommene Wäsche und erinnert an den Taumel der BRN. Es ist ein seltsames Gefühl mit der Kamera hier entlang zu schlendern. Prompt folgt ein Missverständnis mit Sinnkrisenpotential: Aus Lollis Homestay kommt ein Gast mit verquollenen Klüsen und knurrt mich auf Englisch an, dass ich, wenn ich sein Autokennzeichen notiere, doch gleich ein Foto davon schießen könnte. Ich bin perplex. Dann rieselt die hässliche Erkenntnis: Der Typ hält mich für eine Ordnungsämtlerin! Ich gerate ins Stottern und erkläre mein Vorhaben, das seinen BMW in keiner Weise tangiert. Dann stellt sich langsam das Gefühl der Entrüstung ein. Ich schaue an mir herunter und frage ihn mit der gebotenen Höflichkeit, ob er mich eigentlich veräppeln will. Ich wünsche einen guten Morgen, spiele allerdings mit dem Gedanken, einen Strafzettel wegen Beleidigung auszustellen.
Im Grüntal fliegen die Grünfinken ein und aus und aus Naturfriseur- und Kosmetikstudio weht Seifenduft. Hoftore geben den Blick in Hinterhöfe frei, die noch Urigkeit ahnen lassen.Schon immer habe ich mich gefragt, wo dieses Zick ist – auf der Sebnitzer werde ich fündig. Hier ist Zick! Genau über drei Mülltonnen an einer mäßig gut verputzten Mauer. Bergab geht es dann, vorbei an einem ehemaligen Holz- und Kohlehandel und der Galerie 3, wo die Sebnitzer mir nichts dir nichts in die Hohnsteiner übergeht.
Die Sebnitzer Straße
- Die Straße auf dem Stadtplan von dresden.de
Straßen und Plätze im Ortsamtsbereich Neustadt
Ist es nicht statt der Martin-Luther- die Kamenzer Straße, für den Marktflecken Rutowskis?
@Königsbrücker… Die Erkenntnis kommt vom Stadtwiki. Wenn du ne bessere Quelle weißt, korrigieren wir gern.
An der ganzen Historie stimmt irgendwas grundsätzlich nicht.
Friedrich August stirbt 1764. Da gabs noch weit und breit nix von der äußeren Neustadt.
Erst ab etwa 1785 wurde das Gelände als „Neuer Anbau“ benannt und nach und nach bebaut. Vorher gabs hier nur Gärten, Sandgruben und den Holzhof unten an der Elbe. Die Bautzener und die Königsbrücker erhielten etwas später ihre Namen, existierten davor aber auch schon als Landstraßen.
Anfang des 19. Jh gabs dann auch die Alaungasse, die Badegasse (Louise), die schwarze Gasse (Kamenzer), die weisse Gasse (Görlitzer) und die Judengasse (Pulsnitzer). Die Böhmische ist auch schon uralt. Die weisse und die schwarze Gasse endeten bis etwa 1820 im Nirwana. Die Marktgasse (Sebnitzer) und den Bischofsweg gibst auf den Karten erst so ab 1833.
Die Beweiskarten hierzu kann ich leider nicht hochladen, da ich sie aus dem Fotoarchiv habe und nicht weiter geben darf.
Auf dresden-neustadt.de steht:
„Ein im Jahre 1745 aufgestellter Plan regelte die Parzellierung des „Neuen Anbaus“ und legte den Verlauf der meisten noch heute existierenden Straßen fest.“
Weiß jemand Genaueres?
Hier zwei links für Kartenwerke aus der Fotothek der SLUB. Achtung die sind nicht immer genordet.
Karte des Neuen Anbaues 1833
http://www.deutschefotothek.de/db/apsisa.dll/ete?action=queryZoom/1&index=freitext&desc=df_dk_0000001
Karte von Dresden 1799:
http://www.deutschefotothek.de/db/apsisa.dll/ete?action=queryZoom/1&index=freitext&desc=df_ld_0004267
Eine gute Kartenquelle ist auch das Virtuelle Kartenforum 2.0 der SLUB: https://kartenforum.slub-dresden.de/ (übereinanderlegbare alte Karten mit variabler Transparenz, eingenordet und bestmöglich eingepasst)
Dort findet man u. a. „Meilenblätter von Sachsen – Berliner Exemplar“ von 1785 mit einem Grundstück, welches seine Grenzen zwischen der heutigen Kamenzer und Prießnitzstraße sowie Bischofsweg und Sebnitzer Straße hat. Bischofsweg und die Hälfte der Kamenzer sind darin zumindest als Wege erkennbar, die Sebnitzer noch nicht.
(Und für Anton: Das Gebiet des südlichen Hechts mit Bebauung zwischen Hansa- und Friedensstraße sowie Fritz-Hoffmann- und Fritz-Reuter-Straße ist dort mit „Scheunen“, nicht mit „Bogen“ benannt. :D)
Hallo DerJörg,
vielen Dank für den Link. Ist wirklich super!!
Ich mag mich nicht inhaltlich einmischen, aber sehr einfach sind auch die Karten im Themenstadtplan nutzbar. Einfach zwischen den ‚Grundkarten‘ am linken Randläufer wechseln und schauen.
https://stadtplan.dresden.de/spdd.aspx?permalink=Qqj9UDH