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Von rauschenden Zügen und einem besorgtem Blonden

Die Sonne versucht sich mit letzter Kraft über dem Horizont zu halten als das Schauspiel beginnt. Klammheimlich klettere ich über das kleine Tor am Dammweg. Das Schild, auf dem in großen Lettern prangt: „Betreten verboten“, gilt heute nicht für mich.

Vorher habe ich im Schutz der Häuserschluchten gewartet, bis der Bahnangestellte das Fenster seines Wärterhäuschen schloss und keiner aus der Gruppe vor Öz Nemrut`s Dönerladen zu mir schaute. Die waren mir aufgefallen, weil sie so hektisch und planlos wirkten  – gar nicht zu meinem Streifzug passend. Gebückt laufe ich den Bahndamm hoch.

Einige dunkelrote Sonnenstrahlen treffen die blank polierten Schienen – durch Tonnen von Stahl abgeschliffen. Ich sitze am rostigen Geländer im Gras. Die Dresdner Silhouette, die Schienenstränge und der laue Sommerabend wirken fast schon kitschig. Ein metallisches Surren zerrt mich aus der dämmrigen Beschaulichkeit – mein Zug naht. Ich glaube, die Schienen vibrieren zu sehen, doch ich weiß, dass mich das scheele Abendlicht täuscht. Die Schienen bewegen sich keinen Millimeter.

Jetzt kann ich ihn sehen. Er ist schwarz, völlig schwarz, im Gegenlicht. Und er wird schnell größer. Den Bahndamm hinunter stolpere ich mehr als das ich klettere. Dann, der Zug ist noch nicht ganz auf meiner Höhe, spüre ich, wie sich die Nackenhaare aufrichten. Ein heftiger Windstoß eilt der Bahn voraus. Dann, für einen winzigen Augenblick, Windstille, bis die geballte Kraft der monströsen Elektrolok vorbei prescht.

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Genug Abenteuer für heute. In Gedanken in ich schon bei einem erfrischenden Blonden. Plötzlich zucke ich heftig zusammen: „Alles in Ordnung mit Dir?“ fragte es unvermittelt aus der Dunkelheit. So hab ich mir das Blonde nicht vorgestellt. Einsneunzig groß und breitschultrig, Hände wie Lkw-Radkappen – nur die besorgte Miene passt nicht recht zur Figur. Diese hektischen Menschen von vorhin wieder. Sie sind mir wohl gefolgt. Mein Herz schlägt schneller, die Handflächen werden feucht, ich bin allein.

Etwas perplex murmle ich, dass alles „o.k.“ ist. Doch der Frager lässt nicht locker und nimmt mich auf ein Bier mit. Im Café Europa erfahre ich, wer zur Hektik-Gruppe gehört: Der Große ist Student, die anderen zwei sind ehemalige Mitbewohner und zu Besuch in Dresden. Nach einigen Sätzen und einem halben Blonden wird einiges klarer. Sie haben mich doch den Bahndamm hochschleichen sehen und dachten … aber nein: Ich wollte mich nicht vor den Zug werfen.

Den Rest der Nacht unterhalten wir uns prächtig. Unterdessen surrt es metallisch am Bahndamm – es scheint fast, als würden die Schienen vibrieren.

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