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Von falschen Miethaien

Es begab sich zu einer Zeit, in der noch viele, viele Wohnungen, ja ganze Häuser in der Neustadt leer standen. Als die Görlitzer Straße noch Allee hieß und die Anzahl der Kneipen fast an zwei Händen abzuzählen war.

Zu jener Zeit wohnten ein paar junge Leute mit recht wilden Manieren in einem stattlichen Gründerzeithaus an der Königsbrücker Straße. Doch eines schönen Tages im Frühjahr tauchten sie plötzlich auf: Männer in dunklen Anzügen, mit weißen Kragen und Aktenkoffern. Sie brachten ein goldglänzendes Firmen-Schild an einer Wohnungstür an.

Die Königsbrücker Anfang der 1990er Jahre
Die Königsbrücker Anfang der 1990er Jahre

Den jungen Leuten wurde unbehaglich, ihnen dämmerte, wenn jetzt schon Büros eingerichtet werden, wird bestimmt auch bald der Vermieter vor der Tür stehen und nach einem Vertrag oder gar Geld fragen – die schöne kostenlose Zeit wird wohl bald vorbei sein.

Dann, quasi über Nacht, prangte in fetten Lettern der Spruch im Treppenhaus: “Miethaie zu Fischstäbchen”. Mit roter Farbe hingesprüht. Innerhalb der Wohngemeinschaft wurde diskutiert, ob das nicht kontraproduktiv sei. Doch die Männer in den Anzügen, die lachten nur darüber. Bis auf gelegentliche Beschwerden über die Lautstärke waren sie recht umgänglich. Sie fielen gewissermaßen gar nicht auf.

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Bis dann eines Tages die Polizei vor der Tür stand. Einer der jugendlichen Bewohner fürchtete das Schlimmste. Ist sein Zimmer geräumt? Hat die Polizei vielleicht ein paar Gräser gefunden? Wo soll er nun wohnen? Vorsichtig tappst er die Treppe hoch.

Doch was ist das? Ihm kommen Polizisten entgegen, die Arme voller Aktenordner – die waren gar nicht in der Wohngemeinschaft, die besuchten das “Büro”. Von den Männern in Anzügen keine Spur mehr. Auf die vorsichtige Frage nach dem warum, lacht ein Polizist: “Das war die Zentrale der Pyramidenspieler”*, und nicht ohne Stolz: “Die sind jetzt Vergangenheit.”

Nur ein paar Wochen später sollte die WG dann doch noch Besuch von der Polizei bekommen, aber das ist dann schon wieder eine ganz andere Geschichte


*Das Pyramidenspiel hatten zu Beginn der 1990er Jahre windige Geschäftsleute nach Dresden gebracht. Für einen gewissen Betrag konnte man mitspielen und wenn man fünf oder sechs weitere Mitspieler fand, bekam man dann von deren Betrag eine Prämie. Im Unterschied zu heutigen Pyramidensystemen, bei denen noch Produkte gehandelt werden, ging es damals pur ums Geld. Mit exklusiven Veranstaltungen in teuren Dresdner Hotels wurden Mitspieler geworben. Aber die Kosten für ein richtiges Büro mit Mietvertrag wollten die Organisatoren offenbar sparen.

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War früher alles besser?

  • Als kleine Erinnerungsstütze an die frühen 1990er Jahre werde ich in loser Folge ein paar Geschichten über die wilde Zeit von damals veröffentlichen.
  • Alle Geschichten unter #Früher-war-alles-besser? oder in den Büchern “Anton auf der Louise” und “Anton und der Pistolenmann”
Alaunstraße in den frühen 1990er Jahren
Alaunstraße in den frühen 1990er Jahren

9 Kommentare

  1. Das Foto vom Haus Ecke Köni / Bischofsweg
    hättest Du Dir getrost sparen können. Bei dem dortigen
    Eigentümer aus Berlin handelt es sich keineswegs
    um 1 Miethai…..

    I.

    ++++

  2. @Insider: Hast Du die Geschichte überhaupt gelesen? Oder haben für Deinen Kommentar bereits Überschrift und Bild ausgereicht? Das betreffende Haus ist übrigens das auf dem unteren Bild.

  3. @Anton Launer
    “Görlitzer Straße noch Allee hieß”?????
    Also ich weiß, dass man auch Baumviertel sagte, weil auf zahlreichen Dächern Birken wuchsen, aber für eine Allee hätten die sicher nicht gereicht. Da frage ich mich, wie es zu diesem Satz kam?

  4. @HinzunKunz: Den Spruch habe ich von nem Taxifahrer. Als ich 1991 mir mal ein solches gönnte und “Görlitzer Straße” sagte, meinte der ganz lässig “Ach, zur Görlitzer Allee” – das Fällen der Birken wurde übrigens per Film dokumentiert.

  5. @Anton Launer
    Dass erklärt es natürlich! ;)
    Aber auch im Hecht gab es einige stattliche Exemplare der Gattung “Dachrinnenbirke” und ein Exemplar brachte sogar die Giebelwand eines Hauses auf der R.-Leonhard-Straße zum Einsturz, was dem Bewohner einen plötzlichen, aber nicht gänzlich unerwarteten unverstellten Blick auf den damals noch wesentlich besser zu sehenden Sternenhimmel und den am Haus verlaufenden Bahndamm ermöglichte. Nach diesem Vorfall hatte man dann doch ein Einsehen und der Mann bekam seine sehnlichst erwartete Neubauwohnung in Gorbitz zugeteilt.

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