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Baden in der Elbe (2. Teil)

Die Freunde Friedrich und Heinrich schlenderten an diesen Sonnabend, den 26. Juli 1913, bepackt mit einem Rucksack, vom Obergraben in der inneren Neustadt in Richtung Elbe. Dort hofften sie, den dritten in der Runde, den etwas begriffsstutzigen Jan, zu treffen. Dieser absolvierte gerade sein Freiwilliges Jahr im Grenadierregiment „Kaiser Wilhelm“ Nummer 101, auch 2. Königlich-sächsisches Grenadierregiment genannt. Eine Begegnung mit Jan war nicht unwahrscheinlich, weil sich dieses Regiment in den Infanteriekasernen rechts und links der Carolaallee in der Albertstadt befand. Und diese Truppe besuchte regelmäßig das Militärbad an der Elbe unterhalb des Gesamtministeriums.

Die Elbbäder am Königsufer.
Die Elbbäder am Königsufer.

Was aus den drei Freunden wurde

Alle drei haben das 21. Lebensjahr erreicht. Friedrich beendete zwei Jahre zuvor seine Lehre als Schornsteinfeger. Da er weder beweibt noch eine eigene Wohnung hatte und bei seinen Eltern wohnte, besaß er genügend Geld, um auch den schönen Seiten des Lebens zu frönen. Heinrich, der Intelligenteste der Freunde, hatte zu Ostern 1912 das Abitur am Königlichen Gymnasium an der Holzhofgasse absolviert. Sein Interesse galt dem Maschinenbau. Dafür bewarb er sich um einen geförderten Studienplatz an der Technischen Hochschule hier in Dresden.

Das Problem war, dass er sich die Studiengebühren nicht leisten konnte. Es fiel seiner Familie schon schwer, das jährliche Schulgeld am Gymnasium von 150 Mark1 zu zahlen. Selbst für das Abiturzeugnis musste er 15 Mark hinblättern. Nun hieß es warten, bis ein gesponserter Platz möglich wurde. In der Zwischenzeit kellnerte er immer mal wieder als billige Aushilfskraft in verschiedenen Lokalen der Stadt. Zumindest konnte er wenigstens etwas zum Familieneinkommen beitragen. Für Bier oder andere Vergnügungen blieb kaum übrig.

Und zum Heiraten war es für das Trio zu früh. Zwar illerten sie den Mädels hinterher, aber sie waren den meisten wohl noch zu grün. Damit folgten sie dem Trend der Zeit. Der Mann begab sich meist erst jenseits der 30 unter die Haube. Vorher hieß es beruflich fortkommen, eine kleine Barschaft erarbeiten und sich die Hörner abstoßen.

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Das Militärbad

Und sie hatten Glück. Als Friedrich und Jan am Königin-Carola-Platz ankamen, marschierte gerade das Grenadierregiment heran. In der sechsten Reihe erkannten sie Jan, der ihnen ein leichtes Lächeln zusandte. Ohne Marschschritt liefen die Soldaten über die Zugangsbrücke ins Militärbad. Aber nicht zum Vergnügen kamen sie her, sondern um Schwimmen zu lernen. Denn die meisten der Soldaten kamen aus ländlichen Gebieten und konnten nicht schwimmen. Jan konnte es. Und so assistierte er mit noch zwei anderen Freiwilligen dem Schwimmmeister.

Badende im Militärbad - Postkarte um 1915
Badende im Militärbad – Postkarte um 1915

Friedrich und Heinrich gingen nebenan in Krügers Badeanstalt, gleich oberhalb der Königin-Carola-Brücke, entledigten sich der Klamotten, schlüpften in die schnittigen Badehosen und sprangen in die kühlende Elbe.

Baden war nicht immer garantiert

Zum einen lag das am schwankenden Wasserstand der Elbe. War dieser zu niedrig, schlossen mangels Wasser die Elbebäder. Das passierte jeden Sommer des Öfteren. Dann hissten die Bäder eine gelbe Flagge.

Das andere Problem waren die städtischen Verordnungen. Nach diesen war das Baden in der freien Elbe, also außerhalb der Elbebäder, strikt verboten. Das war besonders für die weiter weg von der Elbe wohnenden Badedurstigen ein Problem. Mal plantschen an der Mündung der Prießnitz konnte ein finanzielles Nachspiel haben. Die Wohlfahrtspolizei achtete streng darauf. Zuwiderhandlungen wurden mit Geldstrafen bis zu 50 Mark2 oder mit Haft bestraft, schrieben die Dresdner Neuesten Nachrichten am 24. Mai 1913. Aber wer hielt sich schon immer an den Gesetzen und Verordnungen.

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Zudem begutachteten die Wohlfahrtspolizisten sittenstreng die Badekleidung, besonders die der Frauen. Bei den Männern tolerierte man die gerade in Mode gekommenen knapp geschnittenen Höschen.

Sie durften aber nicht zu enganliegend sein. Ansonsten hatte Geschlechtertrennung zu herrschen. Getrennte Elbebäder für Damen und Mädchen, sowie für Knaben und Herren. Und natürlich eine Extrabademöglichkeit für das Militär. Und wehe, es wagte jemand splitternackt im Sinne der sich verbreitenden Freikörperkultur der Reformbewegungen in das kühlende Nass zu steigen. Mit Freude nahm die Wohlfahrtspolizei diese Sittenstrolche in Gewahrsam.

Die Eintrittspreise

Dazu schrieben die Dresdner Neuesten Nachrichten zum Saisonbeginn am 15. Mai 1913 folgendes: „Für die Benutzung der Bäder sind von den Erwachsenen 5 Pfennig3 zu bezahlen. Für ganz Unbemittelte werden Freimarken vom Armutsamt ausgegeben. Schulkindern ist die unentgeltliche Benutzung sämtlicher Badeanstalten gestattet.

Die Badehosen für Herren waren Anfang des 20. Jahrhunderts gerade deutlich knapper geworden. Postkarte von 1915
Die Badehosen für Herren waren Anfang des 20. Jahrhunderts gerade deutlich knapper geworden. Postkarte von 1915

Diebesgesindel

Darauf machten die Dresdner Nachrichten am 10. August 1913 aufmerksam. Man möge sich hüten vor besonders freundlichen Leuten, die unerfahrenen Auswärtigen Hilfe bei einem Rundgang durch die Residenz anboten. Wegen der großen Hitze führten sie diese oft in eins der Elbebäder. Mit besonderer Perfidie boten sie an, auf die Bekleidung und Wertsachen aufzupassen. Anschließen machten sie sich mit dem wertvollen Besitz an Geld und Schmuck aus dem Staube.

Heimwärts

Am späten Nachmittag dieses heißen Julitages lechzte es Friedrich und Heinrich nach einem kühlen Bier. Recht zielstrebig führte sie der Durst in ihre Stammkneipe von Albin Schubert an der Ecke Obergraben zur Königstraße. Es war wie bei den Pferden: Wenn der heimatliche Stall nahte, liefen sie schneller.

Anmerkungen des Autors

1 rund 825 Euro (entsprechend der Liste „Kaufkraftäquivalente historische Beträge in deutschen Währungen“, Stand Januar 2022
2 rund 280 Euro
3 rund 28 Cent


Unter der Rubrik “Vor 100 Jahren” veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür durchstöbert der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Der vorliegende Text ist literarischer Natur. Grundlage bilden die recherchierten Fakten, die er mit fiktionalen Einflüssen verwebt.