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Die Lust im Mondenschein

Frau Luna strahlte in vollem Antlitz. Die runde Scheibe stand über der Frauenkirche. Mit verklärtem Blick betrachten Heinrich und Emma dieses himmlische Bildnis von der Wiese am Ende der Körnerstraße neben dem Garten des Japanischen Palais. Zu dieser späten Stunde im Juni 1851 war es ruhig an der Elbe. Milde sommerliche, nach Gras riechende Luft. In Beiden erwachte die Lust auf mehr und nur der Vollmond schaute zu und Amor war auf Pirsch.

Caspar David Friedrich: Zwei Männer in Betrachtung des Mondes1819/1820
Caspar David Friedrich: Zwei Männer in Betrachtung des Mondes1819/1820

Lust darf Spaß machen

Und man ging gelassen um mit Liebe, Lust und Leidenschaft in diesen Zeiten. Kaum zu glauben. Wer heutzutage das Bild eines verklemmten Zeitalters in Sachen Sex vor sich aufbaue, würde einem Irrtum unterliegen. Zwischen dem Zeitalter der Aufklärung im 18. Jahrhundert und den Revolutionen in der Mitte des folgenden war man gemeinsam empfundenen Sinnesfreuden keineswegs abgeneigt. Da war nicht nur der Mann der aktive Part, und die Frau dürfte notfalls alles als eine Art eheliche Notwendigkeit oder männliches Recht über sich ergehen lassen.
Natürlich gab es die moralischen Zeigefinger in den Kirchen und in der Gesellschaft. Macht und Ohnmacht waren beieinander. Und natürlich gab es auch hier in der Königlich-sächsischen Residenz die Shakespeare’schen Tragödien frei nach Romeo und Julia. Die Tageszeitungen sind ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts voll von gemeinsamen Selbsttötungen unglücklicher Liebespaare.

Die Gefahr geht vom Mond aus

Das war eine damals weit verbreitete Theorie. Fakenews würde man heute sagen. Als sich Heinrich und Emma im Schein der Leuchte der Nacht unbekümmert und lustvoll am Elbufer liebten, ahnten sie nichts davon. Vielleicht wäre es ihnen auch egal gewesen. Frisch Verliebte waren auch damals für Einflüsse der Eltern, der Kirche, der Moralisten meist immun gewesen. Es galten nur das Hier und das Jetzt.

Abendzeitung vom 17. April 1851
Abendzeitung vom 17. April 1851

Aber die Abendzeitung, das Hausblatt der Dresdner Intellektuellen, verbreitete am 17. April 1851 diesbezügliche warnende Informationen. Ausgangspunkt war die Auffassung, „dass das Mondlicht großen Einfluss auf den Geist ausübt.“ Das sei eine „durch die Mondsucht bestätigte Tatsache, die bekanntlich besonders zur Zeit des Vollmondes ausbricht.“

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Da unsere Liebenden sich auch noch unbekleidet dem Mondlicht hingaben, verstärkte dessen schädlichen Einfluss auf die Körper, wie die Zeitung faselte. Als Beweis führte die Abendzeitung das Verhalten von Matrosen auf hoher See an. „Matrosen, die auf dem Schiffe in dem Mondenscheine so liegen, dass ihr Gesicht den Strahlen des Mondes ausgesetzt wird, ist oft der Mund krumm gezogen und die Muskeln sind ihnen krampfhaft verdreht worden.“

Das sind aber noch nicht alle Folgen der Mondbestrahlung. „Andere haben an ihrem Sehvermögen gelitten und dasselbe wohl gar auf Momente verloren.“ Leider gab es keine Untersuchungen bezüglich der Frage, ob besagte Matrosen in der besagten Vollmondnacht eine Bulle Rum zu viel gesoffen hatten.

Wie dem auch sei. Die Zeitung blieb bei ihrer Tatsachenbehauptung und fand Beweise des schädlichen Nachtlichtes auch in der Natur anderer Lebewesen. „Fische, welche die ganze Nacht im Mondlicht gehangen hatten, verursachten, als man sie am nächsten Tage aß, gefährliche Krankheiten und entsetzliche Schmerzen.“

Ausdrücklich gewarnt seien zudem die Schreiberlinge der Zeitungen, die Autoren der Bücher, Lehrer, Beamte und natürlich auch die etwas größeren Schüler, die des Nachts nicht in ihren Betten schlafen wollen. Bleibt also dringendst des Nachts in euren Zimmern, so der Appell. Neugier und romantische Ausflüge könnten größte Schäden anrichten, wie die Zeitung schrieb. „Manche wollen bemerkt haben, auch der Geist stumpfe bei denen ab, welche eine Nacht vom Mondlichte beschienen würden.“

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Liebe und Lust bleiben

Ob unser Liebespaar nach dieser Liebesnacht vom Vollmond Muskelschwund und hängende Mundwinkel bekam, war aus heutiger Sicht nicht mehr zu ermitteln. Auch nicht die Vermutung, dass sich derartige Missbildungen vererben könnten. Im Zeichen des sich am Horizont abzeichnenden neuen Tages verließen Heinrich und Emma überglücklich und nach „geradezu zoologischer Gelassenheit“, wie der französische Historiker Alain Corbin schrieb, die Wiese am Ende der Körnerstraße. Der Mond war längst untergegangen und die sich zum Strahlen anschickende Sonne des neuen Junitages beseitigte diskret die Spuren der Nacht.

Johan Christian Clausen Dahl: Blick auf Dresden bei Vollmondschein, 1839
Johan Christian Clausen Dahl: Blick auf Dresden bei Vollmondschein, 1839

Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek durchstöbert.