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Die Talstraße

Höchste Zeit, ein paar Tales-Sätze zu verlieren. Die Straße in der äußersten Neustadt ist Heimatstätte eines Schriftstellers und Lehrers, dessen Sohn sich auch in der Stadt verdient machte und verkörpert das, was allgemein jenseits von Bierwagen, Bowlegläsern und Bässen unter dem Spirit der ausgemolkenen BRN verstanden wird.

Blick auf die Martin-Luther-Kirche

Der BRN-Sonntag gehört der Talstraße. Wenn im Alaunpark die Schnapsleichen wiederauferstehen, die Müllautos Plastikbecher verdauen, sich von den Balkons Kaffeearoma über die steigenden Dünste legt und Frühstückssektkorken in die Lüfte steigen, dann beginnt im Tal der Ahnungsvollen der gemütliche Teil mit Kinderflohmärkten, Debüt-Konzerten, Gesichtsmalereien und Selbstgebackenem. Natürlich gab es das die Tage davor schon – man ist nur nicht durchgekommen. Die Talstraße, Godmother of Anwohner-Straßenfest.

Nach der BRN ist vor der BRN

Auf der Talstraße erlebte ich meinen ersten winzigen Kinobesuch, einen kleinen Zauberer mit großem grünen Hut, der laut „Silence, I kill you!“ rief und eine kostenlose Massage mit einem Guckloch ins Nirwana. Ich kann diese traumhaften Sequenzen rückblickend nicht genug glorifizieren – wenn auch mit Bauchkneipen. Schließlich verrät man auch ungern sein Pilzfleckel.

Als die Talstraße Grüntalstraße hieß

Die Talstraße ist ein tief empfundenes Original. Umso größer die Empörung, als die Stadtverwaltung anstrebte, ihr den Namen „Ohorner Straße“ aufzubügeln. Um dem entgegen zu wirken gab es einen Aufschrei, eine Petition und eine symbolische Umbenennung in Grüntalstraße auf der BRN 2012. Die Talstraße durfte Talstraße bleiben.

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Vielleicht wäre der Umtaufe weniger Wind entgegen geblasen, wenn es sich um einen naheliegenderen (bis nach Ohorn sind es dreißig Kilometer!) Namenswunsch gehandelt hätte: Carl-Guratzsch-Straße zum Beispiel. So hieß ein Dresdner Pädagoge und Publizist, der im Haus Nummer sechs wohnte und den Vorsitz im Verband zur Förderung der Neustadt hatte. Die Straße, die seinen Namen trägt, befindet sich in Niedersedlitz. Seit 1993 ist sie nach ihm benannt.

Bärtiger weißer Mann blickt auf spielende Kinder: Talstraße 18.

Carl Guratzsch schrieb 1932 in der Monatsschrift „Das schöne Sachsen“ über „Die schöne Dresdner Neustadt“:

„Heute liegt alle städtebauliche Entwicklung still; es ist aber charakteristisch, daß an keiner Stelle Dresdens der Wille zum Weiterbau so stark in der Bürgerschaft lebt wie gerade in der Neustadt. Zu bestimmten Zeiten des Jahres sammelt sich ihre ganze Bevölkerung zu eindrucksvollen Kundgebungen dieses Willens.

Auf ‚Festwochen‘ zeigt die Neustadt dann, was sie besitzt: sie zeigt ihre Museen – das Haus Gottfried Körners, des Freundes Schillers und Goethes, Kleists und Mozarts, das Geburtshaus Theodor Körners; das Armeemuseum am Königsplatz, die würdige Gedenkstätte der sächsischen Armee, mit dem Garnison-Friedhof dahinter; das Landesmuseum für sächsische Volkskunst, die einzigartige Schöpfung eines Mannes von Geist und Gemüt, der der sächsischen Volksseele auf die Spur gegangen ist und zusammengetragen hat, was sie erfindet, und was sie sinnt, was sie liebt, und wie sie sich’s behaglich sein lässt; das Hauptstaatsarchiv – eine Sammlung von Dokumenten aus der Zeit vor der Reformation, des Siebenjährigen Krieges und der Napoleon-Zeit, wie sie ihresgleichen auf der Welt nicht hat; das stille Eisenbahnmuseum am Neustädter Bahnhof und die Landesbibliothek. […]“

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Riesenschneckengehege auf der Talstraße

„All dies hat die Neustadt zu geben. Dies und ein übriges: Ihre Zukunft! Es wird die Zeit kommen, in der es glücklichere Umstände ermöglichen werden, daß das Ufer gegenüber dem ‚Balkon Europas‘, der Brühlschen Terrasse, als ‚Königsufer‘ aufgebaut wird. Es wird die Zeit kommen, wo hierher der Fremde strebt, dem von der Schönheit der Stadt erzählt worden ist, und wo er hüben wie drüben wahrnimmt, daß sie geworden ist, was sie werden sollte: eine königliche Stadt!“

Bauwille und Festwochen

Nun, die hier gelobten Charakteristika sind in der Neustadt konstant geblieben: Der Wille zum Weiterbau und die Festwochen. Die „sächsische Volksseele“ hat tiefbraun blicken lassen und tut es noch. Am schönen Königsufer entstanden tatsächlich nach Guratzschs Text beachtliche Bauten. Gartenanlagen und Pavillons, Freitreppen und Plastiken. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unterm Hakenkreuz. Unter diesen Fahnen ging die „königliche Stadt“ in Schutt und Asche.

… rief der Zombie.

Carl Guratzschs Erbe beschränkt sich nicht auf Texte: Er hinterließ einen Sohn mit dem klangvollen Namen Dankwart. Der Doktor phil. und Feuilletonist brachte es zu Titeln und Expertise und wurde mit seinem Faible für alte Häuser das, was man vermutlich unter einem Traum-Vermieter versteht. Selbst Eigentümer von etlichen Grundstücken in der Neustadt, setzt sich der Architekturkritiker im Haus & Grund e.V. für den behutsamen Umgang mit dem architektonischen Erbe von Städten ein. Zweimal bekam er den Deutschen Preis für Denkmalschutz verliehen – ein Titel, den es sich lohnen könnte als Berechtigungsschein zum Altbaubesitz einzuführen.

Die Talstraße liegt jedenfalls so verträumt und gründerzeitig, dass man in ihr den Protegé erkennt – inhaltlich betütelt und beseelt von ihren Bewohner*innen, äußerlich vom Denkmalschutz bewacht.

Die Talstraße

Straßen und Plätze im Ortsamtsbereich Neustadt

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