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Christel Dohnal: “Ich habe mich zurück gezogen”

"Schulschwänzen wäre mir nie eingefallen. Ich habe die Schule geliebt"
“Schulschwänzen wäre mir nie eingefallen. Ich habe die Schule geliebt”

Christel Dohnal ist eine behutsame, vorsichtige Frau. Halt ist ihr wichtig und Sicherheit – und sei es nur ein gut platziertes Treppengeländer. Geboren wurde sie in Oelsa. Als Kind liebte sie die Schule, aber nicht jeden Lehrer. Selbst Lehrerin zu sein war ein Traum, den sie sich in Dresden erfüllte.

Ich wohne seit ’87 in Neustadt. Und zwar auf der Albertstraße habe ich gewohnt, hinter der Markthalle. Ich war vorher in Friedrichstadt. Seit ’53 bin ich in Dresden. Ich hab in Friedrichstadt im Altbau gewohnt und hatte dann die Möglichkeit, eine Neubauwohnung zu kriegen. Mir ging es damals drum: ich wohnte im 3. Stock und hatte Ofenheizung und es war mir zuviel, die Kohlen hochzuschleppen. Dann hatte ich Schichtdienst und mit dem Heizen war es vor allem in den Wintermonaten ein Problem. Früh habe ich geheizt, und wenn es warm wurde, musste ich arbeiten. […]

Die Neustadt hat mich an sich wenig berührt. Ich bin arbeiten gegangen und war mehr oder weniger zum einkaufen und zum schlafen zuhause. Schichtdienst bei der Volksbildung habe ich gemacht, Internatserzieher. Zum Teil mit Lehrbefähigung. Es war  schon interessant. Das waren schwerhörige Kinder. Anfangs gab es Probleme mit der Verständigung. Die verstanden mich nicht und ich wusste nicht, was die von mir wollten. Aber mit bisschen gutem Willen hat man sich schnell eingearbeitet. Ich hab es dann doch 30 Jahre ausgehalten.

"Am liebsten sitze ich hier an meinem Tisch"
“Am liebsten sitze ich hier an meinem Tisch”

Ich habe direkt Lehrer gelernt. Ich wollte aber nicht lehren, sondern mehr mit Kindern arbeiten, außerschulisch. Das bot sich dann an. […] Ich habe meinen Beruf gehabt und in den Tag hinein gelebt. […] Die Arbeit mit Kindern war seit jeher mein Wunsch. Die kamen am Montag von zuhause und fuhren am Freitag mit Schulbussen zurück. Montags war meistens ein bisschen Kopfhängen, es ist wie bei allem eine Sache der Gewohnheit. Die meisten haben es nach einem halben Jahr gar nicht mehr so empfunden. Einige hatten es im Internat wohl auch besser als zuhause. […] Hier hatten sie ihre Freunde und kannten die Macken ihrer Erzieher. […]

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Ich war damals verheiratet, mein Mann ist mittlerweile verstorben. Es bot sich dann an, dass wir hier die Wohnung bekamen. Um halb sechs musste ich morgens im Internat sein, wegen der Ablösung der Nachtwache und dann hatte man bis acht abends oder bis streckenweise neun/zehn Dienst. Mein Mann war bei der Polizei und hatte auch Schichtdienst. Natürlich anderen Schichtdienst als ich. […] Mit einem bisschen gutem Willen und Einsicht von anderen Seiten bekommt man alles hin. […]

"Mit ein bisschem gutem Willen und Einsicht bekommt man alles hin"
“Mit einem bisschem gutem Willen und Einsicht bekommt man alles hin”

Ich wollte immer raus, was erleben. Nicht unbedingt Skandalmärchen, aber … Man lernt doch viele Menschen kennen, mit denen man sich anfreundet  und was unternimmt. Wobei ich an sich in jungen Jahren Probleme mit Kontakten hatte. Bisschen zurückhaltend. Ich dachte, na mal sehen, was sie von dir wollen. Ganz im Gegensatz zu meiner Schwester. Die war eineinviertel Jahr jünger als ich. Die ist los marschiert. Der war nichts zuviel. Auf die Leute zugegangen. Wenn dann die Misserfolge ausblieben, die man erwartet hat, ging das dann schon. […]

Ich bin in meinem Beruf geblieben. Ich war gar nicht so auf Vergnügungen aus. Abends wollte ich meine Ruhe haben. Es strengte einen dann doch irgendwie an. Solange man im Trott war, hat man das nicht gemerkt, aber wenn dann Ruhe war, tat der Kopf weh.[…]

Gebärdensprache kann ich nicht. Die Kinder sollten das auch gar nicht in dem Maße lernen, sondern die sollten mehr vom Mund ablesen, was man will. Damit sie das Sprechen lernten. Damit sie auf den Beruf vorbereitet wurden, wo normalhörende Menschen waren […]

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Ich habe mich jetzt vollkommen zurückgezogen. Man muss auch mal loslassen können. Das hat man mir immer vorgeworfen, dass ich nicht loslassen könne. Weil ich oftmals noch in die Einrichtung bin, obwohl ich gar nicht mehr arbeiten musste. Die Kinder haben sich natürlich gefreut, wenn ich kam. Aber die anderen Mitarbeiter fühlten sich gestört. […]

Eigene Kinder habe ich nicht. Die hätte ich dann vernachlässigen müssen wegen des Berufs. Das wäre nicht in Ordnung. Und es hat sich auch nicht ergeben, dass Kinder kommen sollten. Mein Mann war auch nicht so sehr […] Er hatte einige jüngere Geschwister, auf die er aufpassen musste und sagte immer: lass mich mit Kindern in Ruh’. Ich sagte, ich brauch sie nicht, ich habe sie auf Arbeit. […]

"Jetzt muss ich mal ganz blöd fragen, wie kommt man denn an Internet?"
“Jetzt muss ich mal ganz blöd fragen, wie kommt man denn an Internet?”

Memento

Die Neustadt ist Kult, Szene und vor allem eines: jung. Doch im Viertel leben auch Menschen mit Geschichten aus einer Zeit, da in Dresden-Neustadt an Szene noch nicht zu denken war. Mit freundlicher Unterstützung der Seniorenresidenz Kästner-Passage stellen wir in der Serie “Memento” immer sonnabends Persönlichkeiten und ihre Viertelgeschichten vor.

2 Kommentare

  1. Ein bisschen Angst bekommt man da schon vorm Alt werden…aber ein liebervoller Bericht. Vielen Dank dafür.
    Auch an Frau Dohnal.

  2. Vielen lieben Dank an Philine!

    Für mich ist DD Neustadt, seit dem ich hier hin gezogen bin, etwas ganz Besonderes.
    Worte von einem Punk, bei dem ich etwas abgeholt habe, sind mir seit langem in Erinnerung:”Glaube nicht, dass hier alle links sind. Aber liberal sind sie alle. Man darf hier so sein, wie man ist!”.

    Den Eindruck habe ich auch. Und ich glaube, dass man hier auch gut alt werden kann.

    Ganz vorsichtig angefragt:
    “Jetzt muss ich mal ganz blöd fragen, wie kommt man denn an Internet?”

    Gibt es hier schon Hilfe für ältere Menschen? Würde ich gerne unterstützen!
    Falls nicht, hat jemand Bock, da etwas zu machen? C3D2 würde bestimmt Hilfe leisten.

Kommentare sind geschlossen.