Sie schießen überall in der Neustadt wie hölzerne Pilze aus den Pflastersteinen und geben dem Straßenbild etwas Organisches zurück: sogenannte Parklets, also Terrassen, die Gastronomiebetrieben als Außenbereich dienen und dafür die direkt davorliegenden Parkplätze als Fläche nutzen.
Terrasse oder Verkehrshindernis?
Um ein solches Parklet installieren zu dürfen, muss zunächst ein Antrag beim Straßen- und Tiefbauamt gestellt werden, um sich „vom Verbot, Hindernisse auf die Straße zu bringen“ (§46, Absatz 1 Nummer 8 der StvO) befreien zu lassen. Innerhalb von Bewohnerparkgebieten dürfen fünf bis maximal zehn Prozent der Parkstände für gastronomische Zwecke genutzt werden. (Kein Grund zur Aufregung also für um Parkplätze besorgte Bürger*innen: von apokalytischen Zuständen wie autofreien Innenstädten sind wir noch sehr weit entfernt!)
Bis es so weit ist und die Genehmigung, die jeweils für ein Kalenderjahr gilt, erteilt wird, fällt so einiger Verwaltungsaufwand an. Heike von Dhaliwal‘s Café, das seit einigen Wochen Gäste auf seiner temporären Terrasse bewirten darf, erläutert: „Um den Antrag zu stellen, braucht man erst einmal einen Beauftragten für Verkehrssicherheit. Dafür macht man einen Online-Kurs und bekommt ein MVAS-Zertifikat [Merkblatt über Rahmenbedingungen für erforderliche Fachkenntnisse zur Verkehrssicherung von Arbeitsstellen an Straßen].“
Von einem Antrag zum nächsten
„Als nächstes möchte dann das Bauaufsichtsamt noch einmal eine professionelle, maßstabsgetreue Skizze, dazu einen Auszug vom Liegeschaftskataster und die Benennung eines Bauherrn plus Vertretung.“ Wenn das Haus, in dem das Geschäft sich befindet, unter Denkmalschutz steht, bedeutet das noch einmal einen Antrag mehr. Damit alles durchgeht, muss eine ganze Liste baulicher Kriterien – Mindesthöhe, Barrierefreiheit, Überdachungsverbot, Freilassen von Gulli und Schnittgerinne und so weiter – erfüllt sein, was auf einer Begehung durch die Straßeninspektion überprüft wird.
Auch die finanziellen Hürden, die bei der ganzen Prozedur anfallen, sind nicht unerheblich: zu den 400 Euro für den Hauptantrag kommen der Kurs für das Zertifikat, die verschiedenen weiteren Anträge, das Ausleihen von Verkehrsschildern für den Aufbau, für den gesamten Nutzungszeitraum tägliche Parkgebühren pro Stellplatz, und natürlich die Kosten für den Bau.
Für den hat Dhaliwal‘s Café nach dem Bauingenieur eigens einen Tischler beauftragt. Die Möblierung und Deko ist dann fast nur noch ein kleiner Posten auf der Liste. „Es sind wirklich enorme Kosten gewesen, aber wir hoffen, dass es sich lohnt“, resümiert Heike. „Seit dem ersten Tag, an dem das Ding hier steht, sitzen auch Gäste drauf.“
Grünes Licht nach langer Rotphase
Vor allem für Cafés dürften die Parklets tatsächlich ein Zugewinn sein. „Die Sommermonate sind normalerweise eher kritisch – die Leute wollen draußen sitzen und nicht drinnen, wo es dunkel ist“, ist auch die Erfahrung von Guram, der seit 22 Jahren mit dem Café Combo am Treiben auf der Louisenstraße teilnimmt.
Er freut sich besonders über seine erste Saison mit Parklet: „Ich hatte die Idee schon vor zwanzig Jahren, da führte aber bisher kein Weg ran.“ Die Anfragen bei der Stadt waren nicht von Erfolg gekrönt, und auch die Idee, die Ladefläche von zwei Pickups als Außenbereich zu nutzen, blieb wegen technischer Tücken in der Garage stecken.
Immerhin zu der ein oder anderen BRN hatte der unternehmungslustige Gastronom schon Gelegenheit, mit Terrassen herumzuexperimentieren, bevor nun der erste Sommer mit amtlich abgesegnetem Außenbereich jenseits der immer gut besetzten breiten Fensterbretter beginnt. Da haben sich so einige Ideen angesammelt: „Wir wollen auf jeden Fall noch einen Springbrunnen, und grün soll es natürlich sein. Da müssen wir mal schauen, was an Pflanzen so funktioniert.“
„Wir sehen es als Entwicklungsprojekt“
Funktionieren, das heißt unter anderem, nicht geklaut werden. Guram nimmt das statt als Ärgernis eher als einen der vielen Faktoren, die es zu beobachten gilt und an die sich anzupassen sinnvoll ist, soll das Geschäft laufen und eine gewissen Grundgelassenheit beibehalten werden. So auch die Herangehensweise ans Parklet: „Mal schauen, wie es angenommen wird. Wir sehen es als Entwicklungsprojekt.“
Wie es nächstes Jahr aussehe, sei er selbst gespannt, das hänge ja auch davon ab, was die Stadtverwaltung sich entscheidet zu genehmigen oder anzupassen. Diesen Sommer geht es ja gerade erst los mit ausprobieren im Café Combo. Konkret bedeutet das hier statt geradliniger Konstruktionen zunächst Holzpaletten und Campingstühle – „am Ende bauen wir das wieder ab und verwenden die Paletten weiter. Das ist nachhaltig und verbraucht keinen Lagerplatz“.
Die Frage nach der Überwinterung ist ansonsten wohl noch für viele eine knifflige. „Da müssen wir mal sehen, wie wir da eine Lösung finden“, meint auch Heike. Nun, was wir vorher erst einmal sehen werden, sind hoffentlich gut gefüllte Parklets, die den Straßen Lebendigkeit und im besten Falle auch den Cafés, Bars und Restaurants Auftrieb verleihen.
„Alles ordentlich abgesichert: das Parklet von Dhaliwal’s Café“ So, so. Meine rudimentären Restkenntnisse aus der Führerscheinprüfung sagen mir, dass Warnbarken bzw. solche Aufkleber dem Straßenbenutzer (Auto, Fahrrad etc.) anzeigen sollen, auf welcher Seite das Hindernis zu passieren ist. In diesem Fall also voll rein in die Terrasse.
schön sehen sie meistens nicht aus, aber aller anfang ist schwer und das suchen nach guten lösungen ist ja erst einmal normal. hier im artikel gut beschrieben.
insbesondere in der louisenstrasse können die provisorischen ausssenplätze schon mal eine ahnung geben, was möglich ist.
ich bin gespannt.
Ein kleiner Hinweis, speziell für das abgebildete Kaffee.
Gesetzliche Vorgaben -Verbleibende Fusswegbreite 1,10m und lichte Höhe für die Markise 1,95m.
Als Fußgänger hat man es nicht leicht in Dresden.
Interessante Thematik. Etwas mehr Infos wären schön. Haben sich die gesetzlichen Vorgaben geändert, dass dies plötzlich (offenbar im Gegensatz zu vorher?) möglich ist? Was hat alles in Summe gekostet (aber wohl Betriebsgeheimnis?)? Wie sind die Erfahrungen der Parklet-Besitzer aus dem Vorjahr (Hat es sich aus deren Sicht bewährt?)?
@Alles wird gut
Die „Warnbarke“ (links und vertikal) ist eine Schraffenbake, die laut StVO hin zum fließenden Verkehr abfällt – also links dran vorbei. Die „Absperrbarke“ rechts daneben ist kein Verkehrszeichen, sondern so gestaltet wie eine Schranke (schmerzstillende Farbgebung ;-)
Die Vorliebe der Grünen für maximal hässliche Provisorien werde ich nie verstehen. Hauptsache, es werden Parkplätze blockiert.