Was kann ein Glas mit Apfelsaft noch? Zugegeben, Artikel mit Fragen zu beginnen, ist nicht sonderlich sexy. Doch Moritz Simon Geists Arbeiten beginnen gerade damit. Sie stellen Altbewährtes sinnstiftend in Frage, und das ist schon sexy. Dabei ist entscheidend, dass Simons Arbeit eben nicht dekonstruiert, um den Verlust einer Bedeutung erfahrbar zu machen. Im Gegenteil: in seinem Kelleratelier in der Prießnitzstraße dichtet er den Dingen eine weitere Bedeutung zu. Er schraubt den Dingen einen Klang an, den er zur Musik fortführt.

Von Geist aus
Der Name ist zur Hälfte Programm. Neue Klangerlebnisse zu erfinden ist kein rein phantastisches Unterfangen. Die andere Hälfte der Arbeit besteht aus Handwerk. Löten, Schweißen, Verdrahten, Ausmessen. Stimmt die Spannung im Trafo? Wieso ist kein Saft auf dem Beamer? Dafür hat Simon mehrere Angestellte, denen er vertraglich einen bezahlten Mittagsschlaf aufgebrummt hat. Nutze wer wolle. Er selbst tut es. Auch wenn mal wieder eins zum nächsten kommt. Simon bewahrt immer Oberwasser über die Ideenflut.
Spätestens seit dem radikalem Einschnitt durch Covid, behauptet er ohnehin das Prinzip der Resilienz: Lieber an fünf bis sieben Ideen im Ausland arbeiten, statt an nur einer in Dresden. Und immer schön Mittagsschläfchen.

Mehr statt weniger
Denn es gibt nicht die eine Idee. Es gibt unendlich viele Ideen, die sich aus dem Prinzip der dekontextualisierenden Robotisierung von Objekten ergeben. Das können kinderhandflächengroße Ideechen sein oder 350 kg schwere, raumeinnehmende Ideen. Wie der „MR-808“, gerade auf Tour in einer Galerie in Milano. Das können Online-Shows sein, kuratierte Soundinstallationen in Museen, ein gemeinsamer Song mit seinen Lieblings-Künstler*Innen-Combo. Simon sucht sich aus, was er macht, weil er das kann. Und Simon macht sich keinen Stress, weil er das schafft.
Das Poetische des Basalen
Man begegnet Simons Arbeiten nicht in einer Galerie im Barock-Viertel Dresdens. Wer weiß schon wieso. Aber man trifft Simon am Späti im Bischofsweg. Da diskutiert er gerne mit einem Bier in der Hand über das Hintersinnige des Offensichtlichen, über das Poetische des Basalen.
Es geht immer um Dinge und Menschen. Die Dinge, die Simon zum Klingen bringt, brauchen den Menschen. „Sonst werden sie mir langweilig“, sagt Simon. Er arbeitet gerade, mit Sicherheit unter anderem, an einem Projekt für das Theater in Hellerau im Februar 2023. Da geht es wieder um Objekte und Klänge, aber eben auch wieder um Menschen, die von allen Seiten zuhören und zusehen können. „Vibrations“ oder einfach „eine Arbeit von Simon Moritz Geist“ lautet der Arbeitstitel. „Das Hörbare sichtbar- und das Sichtbare hörbar zu machen, und zwar von allen Seiten“, ist Simons Plan.
Wir sind gespannt und werden vor Ort sein.
