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Ein Museum der kleinen Leute

Regnet es noch? Das war Hofrat Professor Oskar Seyfferts größte Sorge an diesem 6. September 1913, und er richtete seinen Blick mit einem Stoßgebet gen Himmel. Der alte kurfürstliche Jägerhof zeigte sich festlich geschmückt mit den sächsischen und städtischen Fahnen sowie Girlanden in Weiß und Grün.

der Jägerhof im Jahre 1914
der Jägerhof im Jahre 1914

Schon seit mehreren Monaten präsentierte sich das Äußere dieses alten Renaissance-Baus in erhabener neuer Schönheit. Ein Juwel war in der Neustadt auferstanden1. Seyffert erinnerte sich noch gut an den Zustand zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nachdem der Jägerhof lange Zeit als Kaserne der sächsischen Kavallerie diente, beschleunigte der Leerstand seit 1877 dessen Verfall, und die vorübergehenden Nutzungen als Armenhaus und Materiallager stoppten ihn nur unwesentlich. Abriss oder Restaurierung – das war hier die Frage.

Gerettet werden konnte letztendlich nur der Westflügel2. Dazu wurde einer der Türme versetzt und eine neue Eingangshalle errichtet.

der Jägerhof im Jahre 2021 - Foto: Heinz Kulb
der Jägerhof im Jahre 2021 – Foto: Heinz Kulb

Großer Bahnhof

Der Festakt zur Eröffnung dieses neuen Landesmuseums für Sächsische Volkskunst fand nicht im Jägerhof statt, sondern im großen Saal des Neustädter Kasinos auf der Königstraße. Majestät waren nicht da3, obwohl er das Vorhaben wohlwollend förderte. Dafür nahm Prinz Johann Georg diesen Festakt wahr.

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Die Festrede hielt Hofrat Seyffert, „der bekannte sächsische Heimatschutzvorkämpfer“, wie im Dresdner Salonblatt eine Woche später zu lesen war. Seyffert, „dessen unermüdliches und erfolgreiches Wirken ganze Zweige alter Heimatkunst neu belebt und der mit dem Zustandekommen dieses nunmehr größten deutschen Volkskunstmuseums und seiner Unterbringung im Jägerhof gewissermaßen sein Lebenswerk gekrönt sieht“, konnte zu Recht stolz sein.

Dresdner Salonblatt von 1913
Dresdner Salonblatt von 1913

Ihm half tatkräftig der Zeitgeist, der sich damals mit einer Wolke aus Heimatstolz, Traditionsbewusstsein und der Besinnung auf Volkstumsbräuche umgab, ganz im Sinne der bürgerlichen und monarchistischen Ideenwelt.

Im Saal des Kasinos war natürlich alles dabei, was in der Residenz und im Land Rang und Namen hatte, so u.a. Oberbürgermeister Otto Beutler, der Königliche Finanzminister und die parlamentarischen Vertreter in der Ständekammer. Anschließen begaben sich alle zum Jägerhof. Dort erwartete sie der vorausgeeilte und kritisch den Himmel beäugende Hofrat, Professor und Direktor Oskar Seyffert.

Der Jägerhof ist das älteste Baudenkmal der Dresdner Neustadt. Er wurde im 16. Jahrhundert erbaut.
Der Jägerhof ist das älteste Baudenkmal der Dresdner Neustadt. Er wurde im 16. Jahrhundert erbaut.

Blick ins Innere

In den Dresdner Nachrichten vom 3. April 1913 wurde das Umbaugeschehen beschrieben. “Im Erdgeschoss wirken jetzt, da die vielen kleinen Einbauten entfernt worden sind, die prächtigen Bogenhallen in reicher Abwechslung, und im ersten Obergeschoss nimmt ein langer Saal mehr als die Hälfte des Gebäudes ein, der recht geeignet sein wird, Einbauten von Bauernstuben aufzunehmen.” Die Objekte für das Seyffert’sche Museum4 lagerten schon viele Jahre im Keller des Japanischen Palais.

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Der Hofrat hatte den richtigen Riecher. „Wir haben noch in einer Zeit angefangen zu sammeln, in der es sich lohnte. Heute ist wenig mehr erhältlich und dann mit schwerem Gelde zu bezahlen“, war in den DN zu lesen. Rund 8.000 Exponate waren anfangs im Bestand des Museums, das zu den Königlich-Sächsischen Kunstsammlungen5 gehörte. 1908 gründete er gemeinsam mit Oberbaurat Karl Schmidt den Landesverein Sächsischer Heimatschutz6.

Der Jägerhof an der Köpckestraße.
Der Jägerhof an der Köpckestraße.

Sich regen bringt Segen

Zumindest einen Geldsegen. Professor Seyffert war nicht nur als Maler, Illustrator und Volkskundler eine wissenschaftliche Koryphäe an der Königlichen Kunstgewerbeschule, sondern auch ein umtriebiges Organisationstalent. Geboren wurde er in der Inneren Neustadt, ging hier zur Schule und lernte an der Kunstgewerbeschule am Güntzplatz.

Mit seiner gewinnenden Art gelang es ihm, den Verein für Sächsische Volkskunde zu gründen und namhafte Personen aus Dresden, Sachsen und aus anderen Ländern zu gewinnen. Im Jahre 1913 hatte der Verein 3.333 (!) Mitglieder. Sein Ziel war, dem sächsischen Volk und seiner Kunst eine Heimat zu geben, wie er in seiner Autobiografie Von der Wiege bis zum Grabe schrieb.

Sein Warten auf den Prinzen Johann Georg samt Gefolge am Eingang zum Jägerhof belohnte der Wettergott, indem er die Schleusen im Himmel über Dresden geschlossen hielt.

Anmerkungen

    1 Die Eröffnungsfeier fand laut den Zeitungen aus dieser Zeit übereinstimmend am 6. September 1913 statt. Ab Montag, dem 8. September war das Museum dann für den Besucherverkehr geöffnet aber ohne Teilnahme des Königs.
    2 Es gibt einige Websites, in denen ist zu lesen, dass der Jägerhof durch die Bombardierung des 13. Februar 1945 zerstört wurde und danach nur der Westflügel rekonstruiert wurde. Das ist nicht richtig. Der Abriss der drei anderen Flügel erfolgte zwischen 1911 und 1913. Im Februar 1945 wurde der größte Teil des übrig gebliebenen Westflügels zerstört. Nur im Erdgeschoss blieben einige Gestaltungselemente erhalten.
    3 In einigen Publikationen und Websites ist zu lesen, dass König Friedrich August III. persönlich die Eröffnung durchgeführt habe. In der Presse von damals ist immer nur die Rede davon, dass Prinz Johann Georg die offizielle Eröffnungsfeier besucht hat.
    4 Zwischen 1927 und 1949 trug das Haus den Namen Oskar-Seyffert-Museum.
    5 Heute gehört das Museum zu den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und diese gehören dem Freistaat Sachsen.
    6 Dieser Verein übernahm 1923 das Museum und den Verein für Sächsische Volkskunde. 1949 wurde der Verein stark unter Druck gesetzt und sein gesamtes Vermögen konfisziert. Die Neugründung des satzungsrechtlich nie aufgelösten Vereins erfolgte noch vor dem Ende der DDR.

    Infos zum Volkskunstmuseum auf den Seiten der Staatlichen Kunstsammlungen unter: volkskunst.skd.museum


Unter der Rubrik “Vor 100 Jahren” veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek durchstöbert.