Gestern hatten sich die beiden Grünen Stadträte Johannes Lichdi und Michael Schmelich von der Grünen Stadtratsfraktion getrennt (umfangreiche Infos dazu in Pieschen-Aktuell). Heute nun geben die beiden Stadträte gemeinsam mit den zwei bisher fraktionslosen Stadträten Max Aschenbach (Partei) und Martin Schulte-Wissermann (Piraten) die Gründung einer neuen Fraktion bekannt, sie nennen sich „Dissidenten im Stadtrat Dresden“.
Ein Dissident ist jemand, dessen Ansicht laut dem digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache von einer offiziellen (Lehr-)Meinung, einer politischen oder staatlichen Ideologie abweicht und der seine Kritik öffentlich kundtut.
Der Name sei Programm heißt es in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung der neuen Fraktion. Weiter heißt es dort: „Die über die Listen von „Die PARTEI“, „Piraten“ und „Bündnis 90/Die Grünen“ gewählten Stadträte werden künftig auf der Basis einer gemeinsamen Grundsatzerklärung ihre Arbeit im Stadtrat Dresden gestalten.
Mit der Gründung dieser Fraktion erfahre die lagerunabhängige Mittelinks Position im Dresdner Stadtrat eine institutionalisierte Stärkung. Die Gründungsstadträte verstehen sich als avantgardistische Speerspitze einer innovativen Kommunalpolitik in und für Dresden. Sie sind offen für andere Stadträtinnen und Stadträte, die sich aus der parteipolitischen Fesselung der Mittelmäßigkeit befreien möchten.
Zum Fraktionsvorsitzenden wurde Martin Schulte-Wissermann gewählt. Die Dissidenten-Fraktion im Dresdner Stadtrat bekennt sich radikal zum Prinzip der Macht auf Zeit und wird ihren Vorsitzenden im Rotationsprinzip für jeweils ein Quartal wählen.
Vier Dissidenten
Max Aschenbach, der im Neustädter Wahlkreis 2 bei der Stadtratswahl 3.078 Stimmen bekam: „Seit Beginn meiner Stadtratsregentschaft strebe ich eine Fraktion der Aussätzigen, Irren und Ungewollten an. Dass sich nun ausgerechnet die aufmüpfigen Kampfopas von den Grünen dazu gesellen, hätte ich auch nicht erwartet. Dafür danke ich den Grünen ausdrücklich, die sich seit der Wahl so trantütig im eigenen Führungsanspruch und identitätspolitischen Feel-Good-Zeitgeist suhlen, anstatt Politik zu machen, dass ihnen jetzt die kompetentesten Experten davonlaufen. Mit dem vermittelnden Ansatz meines Lieblingspiraten und den ca. 150 Jahren Erfahrung der beiden Politurgesteine bekommen wir hoffentlich ein bisschen Schwung in diesen dysfunktionalen Stadtrat.
Johannes Lichdi, der bei der Stadtratswahl 2019 in der Neustadt mit 5.689 Stimmen das zweitbeste Ergebnis im Wahlkreis erzielen konnte: „Mit der Neubildung der Dissidenten-Fraktion im Dresdner Stadtrat erobere ich mir meine politischen Handlungsmöglichkeiten zurück, die ich wie die Luft zum Atmen brauche. Mit unseren politischen Grundsätzen in ökologischen, sozialen, demokratischen und kulturellen Fragen beziehen wir klare Position zu den aktuellen Fragen Dresdens. Sie sind ein Angebot zur engen Zusammenarbeit mit allen Stadträtinnen und Stadträten, die sich politisch links der CDU verorten.“
Michael Schmelich, angetreten im Wahlkreis 9 (Coschütz/Plauen) erreichte dort 4.029 Stimmen: „Aus dem abgestreiften Korsett der Mittelmäßigkeit wird die neue Dissidenten-Fraktion im Dresdner Stadtrat neue Impulse für eine innovative Stadtratspolitik setzen. Verrückte Ideen sind eine gute Voraussetzung für realistische Zukunftsvisionen. Nur das Unmögliche schafft neue Möglichkeiten und meine neuen Mitstreiter sind verrückt genug, genau diesen Weg gemeinsam zu beschreiten.“
Martin Schulte-Wissermann wurde im Wahlkreis 2 mit 1.767 Stimmen in den Stadtrat gewählt: „Dieser Stadtrat ist bislang weitestgehen dysfunktional. Ich versuche seit Ewigkeiten mit Engelszungen das zu verändern. Sogar als Fraktionsloser ist mir das bislang ab und zu gelungen – aber viel zu selten. Mit dieser Riege an geballter tadtratskompetenz wird es jetzt viel besser werden. Dresden muss endlich die Zukunft gestalten.“
Die Gründung der neuen Fraktion war vermutlich schon seit ein paar Tagen geplant. Den Twitter-Account @DissidentenDD gibt es immerhin schon seit April. Auf einer Fraktionswebsite äußern sich die vier Politiker auch zu den Zielen ihrer Fraktion. Es geht unter anderem um die Verteidigung der Demokratie, Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus, den Klima- und Umweltschutz, eine Mobilitätswende (unter anderem wollen sie den Schwarzbau am Waldschlösschen abreißen und den Flughafen schließen), Stadtentwicklung, Mieter*innenschutz, Naturschutz, Gesundheit und Soziales, Wirschaft, Kunst, Kultur und Bildung.
Neustadt-Power im Stadtrat
Immerhin hat die neue Fraktion nun zu drei Vierteln Neustadt-Power. Ihr Engagement fürs Viertel ist unbestritten, so gelang es Max Aschenbach, erfolgreich gegen Knöllchen fürs Eckensitzen vorzugehen. Johannes Lichdi hat schon im Ortsbeirat mitgewirkt und sich zuletzt für eine Grünfläche statt Parkplatz an der Friedensstraße engagiert. Und Martin Schulte-Wissermann ist die treibende Kraft hinter der Initiative „Königsbrücker muss leben!“.
Kommentar entfernt, bitte beachten Sie die Neuregelung seit Anfang März.
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Laut DNN kostet diese neue Fraktion jährlich 180 000 Euro zusätzlich. Ein teurer Scherz.