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Martin Schulte-Wissermann – Piraten

Am kommenden Sonntag wird ein neuer Stadtrat gewählt. Ich habe den Neustädter Spitzenkandidaten ein paar Fragen gestellt. Die Übersicht über die Kandidaten findet sich hier.

Dr. Martin Schulte-Wissermann (48), selbstständiger Physiker - Piraten
Dr. Martin Schulte-Wissermann (48), selbstständiger Physiker – Piraten

Verkehr

Die Planungen zum Ausbau der Königsbrücker Straße liegen aktuell zur Prüfung bei der Landesdirektion, es gibt rund 3.000 Eingaben. Wie ist ihr Standpunkt zum Ausbau der Straße?

Die Königsbrücker Straße in ihrer Gesamtheit ist viel mehr als irgendein Verkehrsweg – sie ist ein historischer Boulevard und das Stadtzentrum von Neustadt und Hechtviertel. Und in Stadtzentren braucht man Platz zum Einkaufen, Fahrradparken, Flanieren, sich treffen, für Kinderwagen, Rollstühle, Café-Tische und viele große Bäume.

Die Menge des Autoverkehrs auf der Königsbrücker Straße sinkt seit 20 Jahren. Heute sind es so wenige Autos, dass sie nach den Baurichtlinien eigentlich gar nicht ausgebaut werden darf. Die Königsbrücker braucht aber dringend eine Perspektive durch eine Sanierung. Das hoppelnde Kopfsteinpflaster ist untragbar, insbesondere für Radfahrende.

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Piraten

Die jetzige Planung (Variante 8.7) ist nach der Prämisse der Geschwindigkeitsmaximierung geplant worden. Nach dieser Planung wird der Straßenzug auf 2/3 der Strecke zu einer vierspurigen Trennschneise zwischen der Neustadt und dem Hechtviertel. Fast alle der schönen, großen Bäume müssten gefällt werden und die Gehwege würden an vielen Abschnitten absurd schmal. Fahrradparken ist dann z. B. so gut wie unmöglich. Für den Bau dieser Variante muss Dresden sogar das Naturschutzgesetz brechen, da der Verlust der Bäume – offiziell in den Unterlagen bestätigt – nicht ausgleichbar ist.

Die Piraten Dresden und die Neustadtpiraten wollen das nicht. Ich will das nicht. Und daher kämpfe ich als Pirat und als Mitglied der Bürgerinitiative “Königsbrücker muss leben!” für eine echte Bestandssanierung und das Wiederaufforsten der historischen, vier reihigen Baumallee. Eine Bestandssanierung ist am kostengünstigsten und lässt sich relativ schnell umsetzen, da kein langwieriges Planfeststellungsverfahren notwendig ist. Aber vor allem ist es die Gelegenheit, diesen ehrwürdigen Boulevard wieder erstrahlen zu lassen.

Wer zu breit plant, wird niemals bauen!

Es gibt in der Neustadt mehrere Initiativen für eine „autofreie Neustadt“ – was verbinden Sie mit diesem Schlagwort und halten Sie das in der nächsten Legislaturperiode für realisierbar?

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Sehr viele Städte auf der Welt gehen sehr erfolgreich den Weg, den Autoverkehr in den Stadtzentren zu beschränken. Und eigentlich passiert dann immer das Gleiche: Der Stadtraum belebt sich und neue Geschäfte, Cafés und Orte der Begegnung entstehen. Das Leben verlagert sich auf die Straße. Es ist Platz für Radbügel, Bänke, Bäume und Café-Tische. Die Luftverschmutzung reduziert sich enorm.

Die Piraten Dresden, die Neustadtpiraten und natürlich auch ich fordern daher die “Autofreie Neustadt”. Als erste Schritte fordern die Piraten ein Parkverbot in Louisen-, Alaun-, Kamenzer, Rothenburger und Görlitzer Straße sowie am Martin-Luther-Platz. Wir wollen den Durchgangsverkehr durch die Äußere Neustadt durch intelligente Straßenführung minimieren, wobei dem Lieferverkehr Rechnung getragen wird. Weiterhin sollen die Parkgebühren massiv erhöht werden. Ich will “Leben statt Parken”.

Den freigewordenen Stadtraum soll zum Flanieren (auf der Straße), für Radbügel, für Stadtgrün und für den Einzelhandel sowie die Gastronomie genutzt werden. Die Piraten wollen Stellplätze für Lastenräder und E-Bikes inklusive Ladesäulen einrichten.

Um die Mobilität innerhalb des Viertels zu verbessern, setze ich mich schon seit gefühlt einer Ewigkeit für einen Quartierbus ein, der vom Jägerpark, durch das Preußische Viertel, die Neustadt bis in das Hechtviertel mäandert, und die Menschen dort abholt wo sie herkommen und hinfährt, wo sie hinwollen.

Welches Verkehrsmittel benutzen Sie am liebsten, um Ihren Wahlbezirk zu durchqueren?

Zu Fuß oder mit dem Lastenrad.

Wohnen

In den vergangenen Jahren sind in der Neustadt sehr viele Wohnungen entstanden, dennoch sind die Mietpreise kontinuierlich gestiegen, können Sie das erklären?

Die Neustadt ist sehr beliebt und der Wohnraum ist faktisch zu 100 Prozent belegt. Dadurch steigen die Mieten. Luxussanierungen werden lukrativ, wodurch der Mietspiegel weiter steigt. Die ungezügelte Luxusbebauung der noch freien Flächen kommt noch oben drauf – der Mietspiegel steigt, die Bestandsmieten ziehen nach. Ein geradezu teuflischer Teufelskreis.

Jetzt rächen sich die fatalen Fehler der Kommunalpolitik in den 2000er Jahren. Die WoBa hätte nie verkauft werden dürfen und das Abrissprogramm von tausenden Wohnungen war ein Riesenfehler.

Müsste die Stadtpolitik dagegen etwas unternehmen und wenn ja, was?

Der Stadtrat ist auf jeden Fall in der Pflicht, diese angespannte Situation zu verbessern. Die bereits gegründete kommunale Wohnungsbaugesellschaft WiD unterstütze ich voll und ganz, ebenso kooperative Baulandmodelle mit einer vorgeschriebenen Sozialbindung. Außerdem setze ich mich für die Förderung von Genossenschaften/Syndikaten und alternativen Wohnformen wie Wagenplätze ein.

Neben der Schaffung von kommunalem Wohnraum brauchen wir auch Milieuschutz-Satzungen, um die Mieten dort nicht weiter explodieren zu lassen. Auch muss die Stadt endlich eine aktive und partizipative Liegenschaftpolitik betreiben. Städtische Grundstücke dürfen nicht an den monetär Meistbietenden verkauft werden, sondern vielmehr an diejenigen, die den meisten Mehrwert für die Stadtgesellschaft als Ganzes bringen. Sowas wie die Tragödie beim Elixir-Projekt will ich nie wieder erleben.

Sicherheit

2018 hat die Dresdner Polizei insgesamt 741 Roheitsdelikte – also Gewaltverbrechen – registriert. Die Anzahl ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Die Polizei erlässt Platzverweise, ist nahezu jedes Wochenende vor Ort, Gunter Thiele (CDU) fordert jetzt ein Messerverbot, was wäre Ihre Idee für mehr Sicherheit in der Neustadt?

Die Polizeipräsenz vor Ort ist ein Mittel, um Rohheitsdelikte einzudämmen. Allerdings ist gerade die Äußere Neustadt ein beliebter Ort zum Feiern. Und wo viele Menschen sind, entstehen soziale Spannungen. Hier allein mit Verboten und Repression vorzugehen halte ich für den absurd falschen Weg. Wir als Piraten stehen immer für Angebote statt Verbote und setzen uns daher dafür ein, mittels Sozialarbeiter*innen Spannungen abzubauen. Der von den Linken geforderte Nachtbürgermeisterin halte ich ebenso für einen guten Weg.

Wann waren Sie das letzte Mal nach Mitternacht in der Äußeren Neustadt unterwegs?

In den letzten Wochen eigentlich jede Nacht – in Wahlkampfzeiten gar nicht anders machbar.

Vergangenes

Was konnten Sie oder Ihre Partei bzw. Wählervereinigung in der vergangenen Legislaturperiode für die Neustädter*innen erreichen?

Die Piraten haben u. a. folgendes in Zusammenarbeit mit Rot-Grün-Rot-Orange erreicht:

  • die Aufhebung der Neustadtprohibition, die den Straßenverkauf von Alkohol am Freitag und Samstag ab 22 Uhr verbot
  • die Westerweiterung des Alaunplatzes teilweise erzielt
  • Livestream und Aufzeichnung der Stadtratssitzungen eingeführt
  • das Müllkonzept für den Alaunpark verstetigt
  • Globus am Alten Leipziger Bahnhof verhindert, Entwicklung hin zu einem schönen “Walkable City” Stadtteil angestoßen
  • die Sanierung der Königsbrücker in der massiven Stadtautobahn-Variante verhindert (Varianten 7)
  • S-Bahn-Haltepunkt am Bischofsplatz eröffnet
  • Radwege am Bischofsplatz erstellt
  • Radbügel “auf der Straße” aufgestellt (Bischofsplatz)
  • Die Mega-Hafencity als Investorentraum verhindert und einen Gebietsschutz für Neustadt/Pieschen auf den Weg gebracht
  • Marina Garden als Investorentraum verhindert und einen hübschen Bebauungsplan erstellt
  • Pfandringe gegen alle Widerstände durchgesetzt

Neben diesen sichtbaren Erfolgen arbeite ich eng mit politisch interessierten Menschen und Bürgerinitiativen zusammen, um deren Punkte im politischen Prozedere einzubringen und die Stadtpolitik greifbarer zu gestalten. Ich verstehe mich als Proxi der Menschen in den Stadtrat hinein.