Für Olivia kam, wenn man so will, ihre Existenzgründung vor dem Berufsabschluss: Sie möchte die alte Kunst der Lithografie erlernen. Auf ihrer Suche nach Expertise ist Olivia schon jetzt zu einer Botschafterin der Druckkunst geworden.
Eine gewisse Romantik
Es ist nicht gut bestellt um den Steindruck, trotz der Renaissance, die originalgrafische Drucktechniken erfahren, konstatiert Olivia. Die Lithografie ist das älteste Flachdruckverfahren und dem Bild das, was der Buchdruck dem Text war. Im 19. Jahrhundert lief die Produktion auf Basis der Erfindung von Alois Senefelder wie am Schnürchen, wurde dann aber nach und nach vom Offsetdruck abgelöst.
“Es steckt schon eine gewisse Romantik dahinter.” Und viele akkurate Handgriffe. Ihre Leidenschaft für Drucktechniken hatte Olivia auf einer Reise in Mexiko-Stadt entdeckt. Die Liebe zum Steindruck entdeckte sie mehr oder weniger durch Zufall in der Grafikwerkstatt Dresden.
Im vergangenen Jahr hatte sie beschlossen, ihren Job beim Projekt “Stories of Change” beim Sukuma-Verein an den Nagel zu hängen und ihre eigene Geschichte der Veränderung zu schreiben. Drei Bewerbungen für ein Studium der Bildenen Kunst und Kunsttherapie scheiterten. Für Olivia war klar: “Also muss ich einen anderen Weg finden.”
Zwei Monate like a rolling stone
Sie bewarb sich “Schwarze Kunst e.V.” für ein Stipendium und ging zwei Monate nach dem Walz-Prinzip auf Wanderschaft – like a rolling stone. In vier verschiedenen Werkstätten probierte sie sich in Typographie, Buchdruck und Handsatz. Der Steindruck tat es ihr besonders an.
Peter Stephan, Torsten Leupold und Udo Haufe weihten Olivia in der Grafikwerkstatt Dresden in die traditionellen Druckkünste und die Lithografie ein. “Ich habe an meinem ersten Stein gearbeitet”, erinnert sie sich. “Das hat mich umgehauen.” Sie erkannte in dem Verfahren die Königsdisziplin. Und kostbares Wissen, das erhalten bleiben muss.
Erinnerung im Stein
Meditativ ist die Vorbereitung der Steinplatten, bestmöglich aus Solnhofener Plattenkalk, einem dichten, blaugrauen Schiefer, der nur in Bayern zu finden ist. Stein wird in kreisenden Bewegungen auf Stein gerieben, um “ihn jungfräulich zu machen”, erklärt Olivia. Nach etwa einer Stunde ist die Fläche glatt und eben. Danach wird spiegelverkehrt mit einer fetthaltigen Tusche das Motiv aufgebracht.
Der dritte Schritt ist das Ätzen mit einer Mischung aus Salpetersäure und Gummi arabicum: Wo das Fett in den Stein eindringt, haftet später die Farbe. Anschließend wird alles mit Terpentin ausgewaschen: “Dann sieht es aus, als wäre nichts mehr da. Aber die Erinnerung ist im Stein drin.” Dann wird gedruckt.
Entschlüsse in Stein gemeißelt
“Kunst und Handwerk gehen für mich Hand in Hand”, sagt Olivia. Sie war verzaubert und entschloss sich, die Steindruckerei zu erlernen. Dann fingen die Probleme an. Corona machte ihr eine Gasthörerschaft an der Burg Giebichenstein unmöglich. Sie kam in die Druckwerkstätten von Unis nicht mehr rein. Anträge wurden abgelehnt, Stipendien nicht bewilligt. Die Ausbildung als Medientechnologin im Druck beinhaltet einen 13-wöchigen Kurs zur Lithografie – aber das ist Olivia zu kurz.
“Das kann doch nicht sein”, grübelte sie. “Ich dachte, es ist so im Leben, dass wenn man etwas wirklich will, sich das dann fügt. Ich habe mich entschlossen, es trotz aller Rückschläge zu versuchen.”
Endlich Steinzeit!
Inspiriert von ihrer Mini-Walz begann sie, über Mail und Telefon ein Netzwerk aufzubauen. Sie forschte auf eigene Faust und entschloss sich mit viel Aufwand, eine Crowdfunding-Kampagne über 10.000 Euro zu starten, von der die Hälfte des Betrages bereits zusammengekommen ist: “Für die Finanzierung der Reisekosten für ein Jahr, um die “Reise der Steine” in die Tat umzusetzen.”
Neben Materialkosten und Aufwandsentschädigungen für Werkstätten, will sie die Versandkosten für die Dankeschöns damit abdecken und Zeit und Raum für die Berichterstattung auf ihrem Blog verwenden. Kurzum: Die Crowd soll ihr selbstbestimmten Lernen und “Steinzeit” für ein Jahr ermöglichen.
Auf ihrer Reise möchte sie Lithograf*innen in Porträts vorstellen, Erfahrungen sammeln und Erkenntnisse teilen.Nach ihrer Reise möchte sie eine eigene Werkstatt aufbauen und ihr Wissen dort weitergeben. Es scheint, als könne einem 200 Jahre alten Handwerk im 21. Jahrhundert nichts besseres geschehen, als eine junge Frau, die es erlernen möchte.