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Gemütlich – Confortable

Das deutscheste Wort für mich, das auch perfekt zusammenfasst, was ich an Deutschland und vor allem an Dresden und der Neustadt mag, ist zweifellos: „gemütlich“. Es ist schwer, diesen Begriff Franzosen zu erklären, denn es gibt wirklich keine Übersetzung dafür. Ich versuche es oft mit „bequem, angenehm, freundlich, warmherzig, familiär, kuschelig, friedlich… alles gleichzeitig“!

Oder mit Beispielen. „Gemütlich“ sind für mich typischerweise die vielen einladenden Kneipen der Dresdner Neustadt, die wir in der letzten Zeit so vermisst haben. Ich liebe ihr gedämpftes Kerzenlicht, ihre Holztische, ihre DDR-Dekoration, ihre rauchige und lebendige Atmosphäre.

Selbst in einer so verruchten Kneipe, wie dem Little Creatures stehen Kerzen auf den Tischen - die sächsische Romantik heißt Gemütlichkeit
Selbst in einer so verruchten Kneipe, wie dem Little Creatures, stehen Kerzen auf den Tischen – die sächsische Romantik heißt Gemütlichkeit

Generell finde ich das ganze Leben der Deutschen von gemütlichen Details übersät. Ja, wenn es eine Sache gibt, die die Deutschen besonders gut können, dann ist es, ihr Leben täglich angenehm und komfortabel zu gestalten.

Kopfstütze

Kaum war ich in meinen Eurolines-Bus nach Dresden eingestiegen, bekam ich direkt einen Vorgeschmack auf diesen gemütlichen Alltag. Ich rechnete natürlich damit, eine unkomfortable Nacht in meiner unbequemen Jeans zu verbringen, wegen der Klimaanlage zu frieren und schlecht zu schlafen, den Kopf auf meinem Arm abgestützt, der immer wieder von der Armlehne rutschen würde. So sind Busreisen eben…

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Blitzumzug

So guckte ich verwundert und amüsiert zu, wie meine gut vorbereiteten deutschen Reisegefährten begannen, ihre „Sets für eine gemütliche Reise“ auszupacken: Tupperdosen mit selbstgemachten Sandwiches, Schlafsäcke, Kopfkissen, Wollsocken und sogar Pantoffeln. Als meine Nachbarn merkten, dass ich gar nicht so richtig ausgerüstet war, boten sie mir eine zusätzliche Kopfstütze, eine Decke und sogar dicke Socken an.

Zuerst schmunzelte ich innerlich, denn ich fand diese Vorausplanung und all diese Accessoires schon ein bisschen übertrieben. Doch am Ende war es mir dank der Spenden meiner Mitreisenden so kuschelig wie im eigenen Bett. Nun reise ich selbst nie mehr ohne Kopfstütze.

Grillen

Genauso gemütlich finde ich die Art wie die Deutschen grillen. In Frankreich würde man niemals auf die Idee kommen, ein Barbecue in der Öffentlichkeit zu machen.

Hier staune ich jedes Jahr wieder darüber: Kaum sind die ersten Tage warm, schon sind die Supermärkte voll mit Kohlesäcken, Würsten aller Art und marinierten Schweinesteaks. Im Alaunpark, in den Hinterhöfen, die ganze Elbe entlang qualmt es und riecht nach Wurst. Der Frühling ist da.

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Am witzigsten finde ich vor allem, wie jeder sein ganzes Wohnzimmer mit in den Park zu nehmen scheint: Grill, Decken, den Picknickkorb mit Besteck und obligatorischem Nudelsalat, Bierkästen, Kühltruhe mit Unmengen von Fleisch (und Grillkäse, und Gemüse), Wikinger-Schachspiel, Badmintonschläger, Slackline, manchmal sogar Klappstühle und Campingtische! Das Paradies der Gemütlichkeit. Unter freiem Himmel.

Alaunplatz am Mittwochabend
Gemütlichkeit auf dem Alaunplatz

Tarnung

Auch was Kleidung angeht: Wenn Franzosen Meister der Haute-Couture sind, sind die Deutschen Meister des Komforts. Mit viel Freude habe ich meine unkomfortable schicke Arbeitskleidung im Schrank gelassen und mein typisches Tarnungs-Outfit im Outdoor Laden gefunden: Wanderschuhe statt High Heels, Jack-Wolfskin-Jacke statt Mantel, Wanderrucksack als Aktenkoffer und Stoffbeutel statt Handtasche.

Ich habe schon mal sogar Socken in meinen Sandalen getragen, aber das darf ich keinem Franzosen erzählen (in Frankreich gilt das nämlich als oberster Geschmackfehler). Wie gemütlich. Und praktisch: Ein schickes T-Shirt oder ein Eyeliner-Strich wirken hier wie die Kräuter der Provence auf einer tiefgekühlten Pizza: Das ist französischer Charme!

Die Französin Peps in Dresden - Zeichnung: Jean-Pierre Deruelles
Die Französin Peps in Dresden – Zeichnung: Jean-Pierre Deruelles

Ein Gastbeitrag von Peps, der Französin in der Neustadt. Aus der Reihe “C’est la vie! – Chroniken einer Französin in der Neustadt“. Illustrationen: Jean-Pierre Deruelles. Fortsetzung folgt.

2 Kommentare

  1. Beim öffentlichen Grillen im Urlaub in Frankreich wurden wir schon des Öfteren von Passanten angesprochen: “Ach, ihr habt’s ja gemütlich hier! Guten Appetit und lasst es euch schmecken!” Schade, dass ich mich an die exakte Wortwahl nicht erinnern kann… aber der Inhalt der Botschaft war schon ziemlich im Sinne von “gemütlich”.

    Und was die Kerzen in den Kneipen angeht: Das französische Pendant sind für mich die üppigen Blumen, die in Frankreich an allen Orten zu finden sind. Egal, ob öffentlich im Rahmen des “Concours des villes et villages fleuris” oder auf privaten Grundstücken. Das wirkt auf mich immer wieder einfach nur schön und “gemütlich”. Und es erfordert wohl auch mehr und langfristigeres Engagement, als eine Kerze auf dem Tisch oder Grill und Bierkasten an der Elbe. Insofern fasse ich das sogar noch als Steigerung auf: gemütlich und liebevoll!

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