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bewundert, gesammelt, ausgestellt | Behinderungen in der Kuns des Barock und der Gegenwart

Die Ritterstraße

Ritterstraße – das klingt nach guten alten Zeiten. Und in der Tat führt uns der Exkurs genau dorthin. Wo alles noch besser war, das Leben tobte, die Hoffnungen sprossen … Um genauer zu sein in den Februar 2020, als MuNaSchu und Physical Distancing noch Fremdworte waren. Denn da wurde dieser Text begonnen.

Tante Litfass hat keine Neuigkeiten.
Tante Litfass hat keine Neuigkeiten.
Obwohl die Sonne zum ersten Mal wie Frühling scheint, ist es ein Montag auf der Ritterstraße und ein Montag braucht ein mutig‘ Ritterherz, am besten zwei. So haben wir uns in die Woche gestürzt, mit rostig quietschenden Gelenken, Schlafsand im Augenwinkel und hochgeklappten Visier, wir zwei Ritterinnen vom Silbernen Ferkel. Denn wenn vier Augen wandern, kann man je eins zukneifen.

Menschenzüge statt Dampfloks

Wir schlagen also tapfer die Kokosnusshälften aneinander und ziehen im gemütlichen Tempo zweier beladener Europäischer Schwalben los, gen Ritterstraße! Der Weg, den die Suche der Ritterstraße in Anspruch nimmt, ist mindestens sechs Mal so lang wie die Ritterstraße selbst.

Die Mühlen mahlen langsam. Auseinandersetzungen mit rotierenden Flügeln bleiben uns erspart. Wir wedeln aus Gründen der Auflockerung trotzdem etwas mit den Armen und versuchen uns daran, mit der Linse ein paar Raben im Flug einzufangen.

Blick von der Ritterstraße über die Platten-Zeile hin zur Altstadt.
Blick von der Ritterstraße über die Platten-Zeile hin zur Altstadt.

Der Himmel hat die Farbe von Seifenwasser, die Sonne zeigt: Der Frühling kommt auch, wenn nie Winter war. Vor der Markthalle läuten drei Blaumänner mit Pils-Flaschen zum Mittagsgebet und wir treten ein.

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Vive la France, möchte man rufen! Mon Dieu, hier sieht es aus wie in einem französischen Bahnhof zur Gründerzeit. Keine Dampfloks, schmale Menschenzüge. Ziemlich viel Stand für recht wenig Markt.

Blick ins Innere der schmucken Markthalle in der Neustadt.
Blick ins Innere der schmucken Markthalle in der Neustadt.

Wie kam die Straße zum Ritter?

Vom Spitzendeckchen-Basar am Ende Metalltreppe aus wandern unsere zwei Augen (zwei zugekniffen!) wohlwollend durch die Halle. Konsumtempel, die mit Verlockungen knausern, sind gerade am Montag eine Ruhe-Oase. Oder sind wir nur wunschlos glücklich?

Portal der Markthalle Neustadt an der Ritterstraße.
Portal der Markthalle Neustadt an der Ritterstraße.

Wieder draußen angelangt, versucht die Ritterstraße ihrem Namen Ehre zu machen. Die Hausnummern der WGJ-Hochhäuser sind dekorativ gerüstet. Aber sonst – keine stolze Burg, keine Festung in Sicht. Wie kommt die Straße zum Ritter?

Das kam im 18. Jahrhundert, als die Ritterstraße noch Kasernenstraße hieß (nach der Kaserne, an deren Platz jetzt die Markthalle steht) und in Richtung der Ritterakadememie führte, nach der sie 1790 benannt wurde.  Die Ritterakademie befand sich im Palais Wackerbarth. So könnte auch ein Märchenritter heißen.

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75 Jahre Friedenskirche

Von gleichnamigen Grafen wurde sie in Auftrag gegeben. Auch einer ihrer zwei Erbauer war ein ‚von Wackerbarth‘: August Christoph entwarf gemeinsam mit Johann Christoph Knöffel das Gebäude, das am nicht mehr existenten Beaumontplatz zwischen Markthalle und Zirkus Sarrasani angesiedelt war.

Goldene Fledermaus am Sandstein-Denkmal an der Ritterstraße.
Goldene Fledermaus am Sandstein-Denkmal an der Ritterstraße.

Stramm stehen bis zum Abitur

In der Ritterakademie befand sich bis 1878 die Kadettenschule. Stramm stehen bis zum Abitur, und dann einmarschiert ins Leben. Am Ende des des Zweiten Weltkrieges wurde das Palais durch einen Brand stark beschädigt und im Gegensatz zur Markthalle nicht saniert, sodass es zu Beginn der 60er Jahre abgerissen wurde, lese ich auf Sachsens Schlösser-Seite.

Eine Dekade später beschloss man mit dem Bau der Hochhäuser an der Albertstraße die Straße umzutaufen. Der Ringer und Kommunist Werner Seelenbinder war Namensgeber der neu entstandenen Parallele zur Albert-, wie der ehemaligen Ritterstraße.

Blick in die Ritterstraße.
Blick in die Ritterstraße.

Umtaufe von Seelenbinder- in Ritterstraße

Der in Stettin geborene Werner Seelenbinder, wohnhaft in Berlin, hatte sich nicht nur dem sportlichem Wettkampf, sondern auch dem Kampf gegen das Nazi-Regime verschrieben. Internationale Wettkämpfe visierte er besonders an, um widerständlerische Netzwerke zu knüpfen. Beim Ringen im Halbschwergewicht sollte er sechsmal den Meistertitel erlangen. Bei seiner ersten Siegerehrung 1933 verweigerte er den Hitlergruß und wurde dafür von der Gestapo verhaftet.

Es war der Auftakt für zahlreiche Haft-Aufenthalte in Zuchthäusern und Konzentrationslagern, denn Werner Seelenbinder gab den Widerstand nicht auf, bis er am 24. Oktober 1944 im Gefängnis Brandenburg-Görden enthauptet wurde.

Ein Ritter ohne Akademie und Rüstung.

Rittersymbol an den Wohnhäusern auf der Ritterstraße.
Rittersymbol an den Wohnhäusern auf der Ritterstraße.

An ihn wird seit 1991 nicht mehr erinnert, denn in diesem Jahr wurde die Ritterstraße zurück getauft. Vermutlich hatte das Lokalkolorit den Zuschlag bekommen. An dieser Stelle sei Werner Seelenbinder gedacht – und der Ritterschlag im Geiste versichert.

Die Ritterstraße

Straßen und Plätze im Ortsamtsbereich Neustadt