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Ostergruss von Julia Hartl

Von fliegenden Menschen und verschwundenen Szene-Kneipen

Neulich abends stand ich mal wieder ein Weilchen länger an meiner Lieblings-Ecke, auch bekannt als Meinel-Eck, wegen des gleichnamigen Musikfachgeschäftes, an der Görlitzer Straße. Besonders gern steh ich dort, weil ständig Menschen vorbeiströmen. Ab und an auch ein bekanntes Gesicht. An jenem besagten Abend war es recht ruhig, plötzlich baut sich ein schlanker Mann vor mir auf, klopft mir auf die Schulter und freut sich übers ganze Gesicht.

Zugemauerte Bronxx - Foto: Archiv Anton Launer 1991
Zugemauerte Bronxx – Foto: Archiv Anton Launer 1991

Mir ist das etwas unangenehm, sein Name ist mir entfallen und auch Ort und Zeit des Kennenlernens. “Ich bin’s, Frank. Mensch, du musst dich doch noch an mich erinnern.” Ich hab nicht die leiseste Ahnung, doch bin ich jetzt etwas neugierig geworden und schlage vor, bei ein paar Bierchen die Geschichte aufzurollen. Schnellen Schrittes steuern wir das Max, die neue Großraumkneipe an, das Bier wird zügig gebracht, Frank beginnt zu erzählen und mir fallen die Schuppen gleich dutzendweise von den Augen.

1990 wars im Herbst, wir hatten uns in der Schauburg einen Film angesehen und wollten noch was Wildes erleben. Vor der Neustadt hatte man mich immer gewarnt, da hausen nur Knastis und Alkis, die zärtliche Umschreibung für Menschen mit Alkoholproblemen. Doch wir hatten Lust auf das Abenteuer und brachen über die Alaunstraße in das Viertel ein. Am oberen Ende befindet sich immer noch die 100, nur gab es damals kein Vorderhaus und der Eingang war auch an anderer Stelle. Gerade wollte ich die Tür aufziehen, als sie mir entgegen geflogen kam. Mitsamt der Tür flogen die Worte „Lass Dich nie mehr hier blicken“ und einer dieser Alkis in den Dreck vor der Kneipe.

Frieden in der Bronxx

Wir merkten, wie sich unsere Abenteuerlust auf die Socken machte und die Alaunstraße entlang floh, also eilten wir hinterher. Dann mitten im Viertel sahen wir eine weitere Kaschemme: Die Bronxx. Bis heute ist diese Kneipe für mich Inbegriff einer Szene-Kneipe geblieben. Statt Tischen und Stühlen gab es Teekisten, Bier aus der Flasche und Heißgetränke nur, wenn der Kellner einen besonderen Tag hatte.

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So war das damals, inzwischen haben wir schon mehrere dieser hübschen kleinen Biertulpen geleert und die Kellnerin hat uns auch jedes Mal ein süßes Lächeln geschenkt, doch von Szene ist hier keine Spur.

6 Kommentare

  1. Lieber Anton, lieber Someone Else,

    dieses Thema wird ja gerade in der Neustadt und auch auf diesem Forum ständig diskutiert und beweint. Sofort fällt das das Wort Gentrifizierung. Leider befürchte ich, dass wir diesen Trend nicht gänzlich aufhalten können. Und die Neustadt ist ja nicht das erste Beispiel für das Verschwinden schöner, gemütlicher und uriger Szenekneipen. Damit haben westdeutsche Städte schon immer zu kämpfen. Wem es gänzlich reicht, den Wochenendproleten beim abendlichen Cocktailtrinken in einer Shisha-Bar zu belauschen, der sollte gezielt die Kneipen aufsuchen und supporten, die noch den Charme eines alternativen Viertels versprühen. Im Zuge der Veränderung des Kneipenpublikums und stetig steigender Mieten werden im schimmsten Falle nur die Kneipen überleben, die den Großteil der Leute anziehen. Das Radio-PSR der Lokale quasi. Um das zu verhindern, heisst es einfach: weiter schön in die 100, das Bottoms Up etc. gehen. Und das nicht alles neue schlecht ist, zeigt ja beispielsweise das Ostpol. Ungeachtet dessen eine schöne Geschichte Anton :) Ich werd dich demnächst mal am Meinel Eck ansprechen und so tun, als ob wir uns kennen :)

  2. Eine wirklich schöne Geschichte. Vor nunmehr 16 Jahren setzte ich meine ersten Schritte in die Neustadt. Frisch aus dem Westen einer Frau zuliebe in Dresden angekommen. Erstes Ziel: Oscars, danach ins Herr Rossi und sein Hund. Ich war begeistert von allem was ich zu sehen bekam.

    Heute ist die Frau schon lange wieder im Westen, ich immer noch da und meine Treffpunkte heißen auch noch 100, bottoms up und artverwandtes solange der Sommer noch nicht da ist und ein verweilen an der feuchten Ecke zulässt ;)
    Ich kann mich nur anschließen und denen die es “sehen” wollen die Neustadt ans herz legen, wie ich sie mal kennengelernt habe

  3. ich kenn das Meinel-Eck ja eher als Verrecker-Eck hehe, ach jaa schöne Erlebnisse dort gehabt ob um 22 Uhr kurz vor Bierschluss oder Nachts um drei….irgendwer den man kennt lief immer vorbei oder saß schon da

  4. Wenn ich in die Neustadt in die Kneipe komme, gehe ich auch immer ins Bottoms Up, wusste gar nicht, dass das ein Inbegriff des Neustadtlebens ist. Dabei wohnt der Betreiber nicht mal in der Neustadt. :D

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