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Blaue Fabrik

Saufen und diskutieren

Kandidaten-Bashing, so lautete gestern Abend die wenig schmeichelhafte Umschreibung der Veranstaltung “Dem Volk aufs Maul – schau”, die der Kultur aktiv e.V. im Bautzner Tor organisiert hatte. Es sollte um neun los gehen, ich war ein paar Minütchen eher da und konnte immerhin drei Bundestagskandidaten ausmachen. So konnte es denn losgehen. Die Tische waren gedeckt und der Neustädter SPD-Chef Swen Steinberg passte auf den korrekten Ablauf auf.

Die Glocke schellte. Nun hatte Kandidat 1, Stephan Kühn (Grüne), fünf Minuten, uns zu überzeugen. Voller Elan sprach er von Verkehrswegen und Richtlinien für die er sich im Bundestag einsetzen will. Unser Tisch, allerdings auch von Grünen durchsetzt, war begeistert, so durfte er den Apfelschnaps trinken. Als nächstes kam Ines Vogel (SPD), ihr Thema Familie und Bildung. Spannend, doch leider verfuhr sich die Diskussion ganz schnell in Details, da muss ich wohl im Nachgang dann noch mal auf ihrer Webseite nachlesen. Fünf Minuten sind wohl doch zu kurz. Sie gewann unsere Zustimmung, konnte führerscheinbedingt jedoch nicht trinken. Also stibitzte ich mir ihr Schnäpschen. Nun erreichte Mirko Sennewald unseren Tisch, da er aber keine Mücke ist, scherzten wir nur rum und stimmten am Ende gegen ihn, obwohl wir einstimmig fanden, dass die Kopie wohl besser als das Original ist.

Dann Dr. Klaus Sühl (Die Linke), dem das Thema Arbeit am Herzen liegt. In ruhigen und überlegten Worten stellte er seine Ansichten zu Mindestlohn und Hartz IV dar. Auch er konnte unsere Herzen gewinnen, tapfer schluckte er den Schnaps. Schließlich setzte sich noch Patrick Schreiber (CDU), er gab sich Mühe, die Argumente des CDU-Spitzenkandidaten Arnold Vaatz (Schwerpunkt unter anderem Verteidigung) wieder zu geben. Unser Tisch war am Ende unentschieden, so dass alle trinken mussten. Inzwischen war mir von den ergänzenden Bieren und den Schnäpsen schon ein wenig blümerant. Draußen vor der Tür setzten sich die Diskussionen fort, jetzt ging es mehr um die lokale Politik, zum Beispiel den Ausbau der Königsbrücker Straße.

Schade, sagte ich mir hinterher, dass wieder fast nur Politiker da waren, denn die Chance so hautnah an sie heran zu kommen, hat man selten. Aber da wiederhole ich mich wohl.

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Akustikkollektiv Feministisch

12 Kommentare

  1. > Schade, sagte ich mir hinterher, dass wieder fast nur Politiker da
    > waren, denn die Chance so hautnah an sie heran zu kommen, hat man
    > selten.

    Mmh…ich wüsste auch ehrlich gesagt auch nicht, wozu es gut sein sollte, hautnah an Politiker heran zu kommen. Hängt es mit der Aura der Politiker (im Sinne Walter Benjamins) zusammen, auf die man bei solchen Gelegenheiten abgehen kann? Oder dienen solche Veranstaltungen eher dem Trachten nach der Gunst der (künftigen) Herren? Ich weiß es nicht, kann aber die Abwesenheit von Wahlvolk gut verstehen. Sind ja schließlich nicht mehr im Mittelalter hier.

  2. Merkwürdige Ansicht. Ich finds gut, wenn ich die, die ich wählen kann auch mal persönlich kennen lerne. Daher kann ich die Abwesenheit des Wahlvolkes nicht verstehen.

  3. Ich finde es aus genau demselben Grund auch eine tolle Idee. (Leider war das bisher zufällig immer gerade dann, wenn ich nicht in der Stadt war, deshalb konnte ich nie hin.)

    Aber klar dienen solche Veranstaltungen dem Buhlen um die Gunst des künftigen Herren, nämlich der Kandidtaten um die Gunst des Wählers (Herren).

  4. Was ist denn an meinen Fragen eine merkwürdige Ansicht?
    Mit denen wollte ich darauf hinaus, dass sich mir der Zusammenhang nicht erschließt zwischen persönlich kennenlernen (wie Du das nennst) auf der einen Seite und ääh… ja was eigentlich auf der anderen Seite.

  5. Nah dran oder nicht, die Frage für mich ist eher, wie nahe sind „die Politiker“ generell nah dran an uns, dem sogenannten „Wahlvolk“ bzw. „Herren der Demokratie“ (im eigendlichen Wortsinn? Stammtischatmosphäre kann ernsthafte Auseinandersetzung wohl kaum ersetzen, eher nur verwässern (je nachdem, was man eben da so trinkt und wieviel). Parteienpolitik hat sich wohl generell überlebt, weil jegliches „Anbiedern“ am Volk – wo und wie auch immer letztendlich und offensichtlich nur der Selbsterhaltung dient, da sind Inhalte (abgesehen derer im Glas) ziemlich sekundär und mittlerweile so austauschbar (unter den Parteien), dass man (zumindest die etablierten nicht mehr wählen möchte, selbst nicht zur vermeintlichen Verhinderung von faschistoiden Einflussnahmen, denn auch hier sind alle politischen Färbungen betroffen, und die Schreibtischtäter sind nach wie vor überall am Werk). Insgesamt droht die ganze Situation nicht nur national nach rechts abzurutschen, die Presse ist zensiert und die wirklich wichtigen aktuellen Fragen werden von allen Parteien gemieden, nämlich wie man den Bankenschwindel aufdeckt, die Zocker zum Schadenersatz zwingt und die sterbende Industrie mit einem vernünftigen Wirtschaftsprogramm aufpeppelt, dazu gehören staatliche Investitionen in den existenziellen Bereichen einer Volkswirtschaft, Kleinkredite für den Mittelstand und sinnvolle und faire Entwicklungshilfeprogramme zum Aufbau von souveränen Industrienationen in Afrika, Lateinamerika, Osteuropa etc., anstatt die Armut weltweit künstlich durch Wirtschafts- und Terrorkriege zu erhalten, um seine postkolonialen Interessen fortzuführen – wo auch immer. Der „grüne“ Weg führt zurück zu Steinzeit und Eugenik, Neoliberalismus zum Abbau von staatlich garantierten und im Grundgesetz verankerten Grund (Menschen-)rechten, darum ist der EU-Vertrag eine riesengroße Falle für alle europäischen Völker (Nationen), weil er die Verfassungen außer Kraft setzt. Das sind die Themen, um die sie sich alle rummogeln. Na dann man prost!

  6. @ Torsten: Ich finde merkwürdig, dass Du verstehen kannst, dass sich das Wahlvolk fern hält. Denn entweder ich lehne die Politker ab und gehe nicht wählen oder es interessiert mich, wie die so ticken und ich nutze die Gelegenheit mir ne Meinung zu bilden.
    @ matahatari: Zum Thema Kleinkredite hat ja Olaf Scholz (SPD) gestern eine hübsche Vorlage geliefert. Siehe z.B. hier.

  7. @ anton: Wieso ist es merkwürdig, dass ich das „Fernbleiben von Wahlvolk“ verstehen kann? Ich finds toll, wenn man eine Erklärung für das Verhalten der Bürger/Wähler/Nichtwähler hat. Auch wenn’s vielleicht eine merkwürdige Erklärung ist.
    Und übrigens: Du bist es, der keine Erklärung für das obige Phänomen hat. Also lass mich nicht so aussehen, als läge das Problem auf meiner Seite.

    Ich (nach eigener Einschätzung politisch sehr interessiert) z.B. meide solche Veranstaltungen, da sie m.E. nur den Versuch darstellen, Charisma als Funktion der Legitimation von Herrschaft einzuführen/aufrechtzuerhalten.

    Was hätte ich an dem Abend im Bautzner Tor über die Politiker erfahren können, was ich nicht durch Recherche in Bibliotheken, Zeitungen, Wahlprogrammen, dem Internet hätte erfahren können? Und wieso hätten diese Informationen eine Berechtigung als Grundlage meines Wahlverhaltens zu dienen?

  8. Ich finde Informationen aus 1. Hand, also alles was ich mit meinen paar Sinnen direkt wahrnehme, wesentlich wertvoller als das, was in Wahlprogrammen oder Sekundärquellen steht.
    Wenn Du dagewesen wärst, hättest Du zum Beispiel die Abwesenheit von Charisma feststellen können.

  9. Anton und Thorsten:
    Es gibt auch noch ein paar Nuancen dazwischen, denke ich. Man MUSS als politisch Begeisterte(r) nicht zwingend zu solchen Veranstaltungen gehen. Ich gestehe ein, ich wollte zwar zunächst auch, meine Begleitung hat aber kurzfristig abgesagt.
    Politisch weniger Bedarften oder Unentschlossenen würde ich hingegen solche Veranstaltungen weniger empfehlen, da unter dem Eindruck persönlicher Sympathien, die u.a. auch unter Alkoholeinfluss schnell entstehen, politische Kriterien in den Hintergrund treten können, was wiederum dazu führen kann, dass Leute eine Partei oder einen Kandidaten wählen, weil sie den Kandidaten so lustig oder so unkompliziert fanden, nicht, weil die Partei ein so schlüssiges und vielversprechendes politisches Programm vertritt.

    Soll heißen: Politiker zu gut persönlich zu kennen, also außerhalb ihres politischen Wirkungsfeldes, kann unter Umständen den Blick für das Wesentliche trüben, könnte ich mir vorstellen, womit ich wohl bei Thorsten wäre.
    Ich nutze lieber die rein politischen Verantstaltungen, um Politiker als Politiker näher kennenzulernen, denn am Wahltag wähle ich nicht zuletzt keine neuen Kumpels, sondern Volksvertreter, die die nächsten 4 Jahre möglichst meine Interessen repräsentieren sollen und vor allem auch dem Rest der Bevölkerung wenigstens zumutbar sein müssen.

  10. Ich finde eigentlich echt erstaunlich, wie sehr der Alkoholkonsum in der deutsche Kultur verwurzelt ist. Da lassen sich Politiker beim Saufen betrachten und es wird auch noch als Wahlkampf dargestellt. Schreien diese Vorbilder nicht die ganze Zeit, dass unsere verdorbene Jugend sich regelmäßig ins Koma säuft? Tolle Vorbildwirkung!

  11. @ Anton: Du meinst, das Auge wählt mit? ;)
    Wahrscheinlich bin ich bei politischen Dingen der weniger sinnliche Typ von uns beiden.

    @ Mattze: Der Zweck heiligt die Mittel. Saufen für Freiheit und Fortschritt, äh .. Wohlstand! (hicks)

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