Die Carolinenstraße ist eine der Straßen, die wie ein Sonnenstrahl vom Albertplatz abgeht. In der Nummer 10 befindet sich eine schmucke Villa. Hier hat der Gehörlosenverband Dresden seinen Hauptsitz. Das Haus ist das Gehörlosenzentrum – ein Anlaufpunkt für taube Menschen und ihre Familien. An diesem Dienstag ist hier Kaffeeklatsch, ein regelmäßiger Treff. Ein knappes Dutzend Leute hat sich versammelt. Für Gehörlose ist es laut im Raum, denn alle gestikulieren und gebärden. Mit dabei sind Norbert Richter, der Verwaltungsleiter der Begegnungsstätte und Martin Domke, Vorsitzender des Verbandes.
Die beiden, begleitet von zwei Gebärdendolmetscherinnen, führen durchs Haus. Über dem großen Begegnungsraum im Erdgeschoss gibt es in den oberen Etagen einige Büros und Beratungsräume. Seit 60 Jahren hat der Verband hier seinen Sitz, hat damals das in der Gründerzeit um 1895 errichtete Haus von der FDJ übernommen, die gerade ein schmuckes neues Kulturzentrum auf der Alaunstraße bekommen hatte. „Wir haben gegen etliche Widerstände gekämpft und der Zustand war katastrophal“, erinnert sich Martin Domke, der in den Anfangsjahren mit seinen Eltern selbst noch im Obergeschoss gewohnt hatte.
„Glücklicherweise gab es damals viele gehörlose Handwerker, die uns alle geholfen haben“, gebärdet er und schmunzelt. Auch Nachbar*innen und viele des schon damals 400 Mitglieder starken Verbandes packten mit an. Doch die Zeit in der DDR blieb schwierig, notdürftig konnte das Dach in den 1980er Jahren repariert werden. Nach der Wende konnte der Stadtverband die Villa kaufen und mit finanzieller Unterstützung durch die Aktion Mensch und die Stadt Dresden das Haus sanieren. Wieder halfen viele Gehörlose mit und leisteten tausende ehrenamtliche Stunden.
Treffen und Beratungen
„Hier im Haus finden Vorträge, Workshops und Weiterbildungen statt“, erläutert Richter. Die beiden schätzen, dass es in Dresden rund 800 taube Menschen gibt, im näheren Umland vielleicht noch einmal so viel. „Für alle die sind wir Anlaufstelle, beraten in sozialen Fragen und helfen so gut es geht“. Dabei gehe es um ganz unterschiedliche Themen. Kürzlich habe eine taube Frau, die ganz allein eine Weltreise unternommen hat, einen Vortrag gehalten. „Das ist Empowerment für unsere Mitglieder“, übersetzt die Gebärdendolmetscherin. „Wir wollen deutlich machen, dass wir alles können, außer hören.“
Der Verband setzt sich auch auf kommunaler Ebene für die Belange von Gehörlosen ein. Da gebe es noch vieles zu verbessern. Richter zeigt auf einen Brandmelder: „Der macht ein Geräusch, wenn es raucht, das ist für uns sinnlos, wir brauchen Brandmelder mit einem optischen Signal“. Auch in der Straßenbahn oder am Bahnhof seien optische Hinweise notwendig. Eine weitere Idee, das Fach „Gebärdensprache“ in der Schule. Eine Frühförderung sei wichtig. Seit 2022 hat das Zentrum noch eine zusätzliche Aufgabe. „Wir kümmern uns um die gehörlose Ukrainer“, so Richter. Für die sei es doppelt schwierig, sich in Dresden zurechtzufinden.
Am Freitag wird in der Villa an der Carolinenstraße nun das Jubiläum gefeiert, auch Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU) hat sich angekündigt. Die Zusammenarbeit mit der Stadt sei gut, die Beratungsstelle werde ausreichend finanziert, erläutert Richter. Außerdem soll ein Spendenscheck der Ostsächsischen Sparkasse übergeben werden und anschließend wird bei einem sommerlichen Buffet gefeiert.
Stadtverband der Gehörlosen Dresden e.V.
- Carolinenstraße 10, 01097 Dresden
- www.deaf-dresden.de