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Andre Schollbach

Punkrock Christmas in der Neustadt

Mit einem Schlag ist alles schwarz. Dunkel. Kurze Stille. Dann verwunderte Stimmen. Plötzlich laut: „Leute, bleibt mal leise – die Bullen sind gleich hier!“ Das Stimmengewirr wird zum Wispern. Wir lauschen. Im Hausflur schwere Tritte. An unserer Tür vorbei – nach oben. Dann wenige Minuten später, die gleichen Stiefel treppab. Draußen startet ein Auto, und das Licht geht wieder an.

das Wohnzimmer war stets ordentlich aufgeräumt - Foto: Archiv Anton Launer
das Wohnzimmer war stets ordentlich aufgeräumt – Foto: Archiv Anton Launer

Wir schreiben das Jahr 1991. Mein erstes Weihnachten fern vom elterlichen Gänsebraten. Das musste natürlich alles ganz revolutionär sein. Aber wir hatten es nicht geschafft, das Fest ganz zu ignorieren. Irgendwer besorgte einen Weihnachtsbaum, um ihn verkehrt herum im Hausflur aufzuhängen und mit einem guten Dutzend frisch abgebrochener Mercedes-Sterne zu dekorieren. Die einzigen legalen Mieter im Haus, eine Familie mit kleinen Kindern, hatten sich in den Winterurlaub verkrümelt.

Kurze Skizze – die Wohnung bestand im Wesentlichen aus fünf Räumen. Drei bewohnte Zimmer, eine Küche, ein Badezimmer, ein riesiger Flur. Die Toilette, o Luxus, befand sich in der gleichen Etage draußen an der Treppe.

Nudeln und Rauchgeräte

Ab 22 Uhr trudelten die ersten Gäste ein, in der Küche köchelte ein riesiger Topf Nudeln auf kleiner Gasflamme vor sich hin und schäumte immer wieder zischend über. Im größten Zimmer lief die Musik. Irgendwer hatte den damals noch ziemlich aktuellen Song der Ramones „Merry Christmas“ in einer Endlosschleife in den Kassettenrekorder gezwängt. Diverse Rauchgeräte wurden herumgereicht, die Luft war zum Schneiden dick. Kurz nach Mitternacht rissen wir die Fenster auf, schrien unsere weihnachtliche Liebe auf die gerade frisch rückbenannte Königsbrücker Straße.

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Dann begann das Dilemma mit dem Slammern, das hatten wir uns von Feeling B abgeguckt. Es galt Tequilla und Sekt zu kombinieren. Die Folgen waren verheerend. Als der erste große gelbe Fleck sich langsam an der Wand nach unten bewegte, brachen wir auf. Ins nächste Zimmer. Dort stand ein Schlagzeug, ein Bass und eine E-Gitarre mit Verstärker. Nur Sekunden später verwandelte sich das winzige Zimmerchen in eine Live-Konzerthalle mit maximal zwei Akkorden, hämmernden Drums und wildem Gekreische. „Jingle Bells“ in der Sex-Pistols-Version zu intonieren, endete dann abrupt in der Dunkelheit.

Cops ohne Haschisch-Riecher

Kleine Pause. Einer dachte mit: Als die Polizei im Hausflur anrückt, dreht er fix die Sicherung raus. Die Beamten waren offenbar noch nicht auf Cannabis-Geruch geschult, und der Party-Krach hatte sich ja nun verflüchtigt. Also Fehlanzeige für die Uniformierten.

Hausbesetzer-Zimmerchen mit Weihnachtsdeko - Foto: Archiv Anton Launer
Hausbesetzer-Zimmerchen mit Weihnachtsdeko – Foto: Archiv Anton Launer

Wenige Minuten später feiern wir weiter. Ein kleines bisschen leiser. Die spontane Session wird für beendet erklärt, ein Tisch in den riesigen Flur gezerrt und, da auf einmal alle großen Hunger hatten, der Topf mit den zerkochten Nudeln auf den Tisch gestellt.

In der Runde wird’s stiller, Gekicher ersetzt die Debatten, die Ramones-Kassette hat Bandsalat und erste Schnarcher setzen ein.

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Grelles Morgenlicht. Kälte. Die Glut in den Öfen verlöscht. Bestialischer Gestank. Blasse Gesichter um mich herum. Ich stolpere zwischen den Schlafenden herum, mag die gelben Flecken auf dem Boden gar nicht zählen. Mein Schädel droht zu platzen. Sehnsucht nach Orangensaft, ’ner Dusche. Doch die Wanne ist schon doppelt mit Schlafgästen belegt, und ein Badeofen ohne Kohle auch kein Vergnügen.

Katerstimmung und trotzdem: Beste Weihnachten!

War früher alles besser?

  • Als kleine Erinnerungsstütze an die frühen 1990er Jahre habe ich in loser Folge ein paar Geschichten über die wilde Zeit von damals veröffentlicht.
  • Alle Geschichten unter #Früher-war-alles-besser? oder in den Büchern „Anton auf der Louise“ und „Anton und der Pistolenmann“
Alaunstraße in den frühen 1990er Jahren
Alaunstraße in den frühen 1990er Jahren

7 Kommentare

  1. Hey Ho, schöne Story, habe Ähnliches in Berlin erlebt damals, im Eimer und in der Schönhauser 5, allerdings mit Feeling B live und dem alten Pilotensitz mit Dreheinrichtung als Slammermaschine
    Allerdings das Original war Tequila und Bitter Lemon.

    Punx not Dead ( zumindest „noch“ nicht)

  2. ist das zufällig in pieschen gewesen? das wohnzimmer kommt mir so, so doll bekannt vor, weil dort in einem hausprojekt hat ein freund gewohnt und ich glaube, dass ich mal in deinem wohnzimmer saß. frohe weihnachtszeit!

  3. An den Eimer erinnere ich mich auch noch ganz dunkel. Aljoscha war auch mal bei uns zu Gast, nach einem Konzert im Discozelt. Am nächsten Tag war ich mit ihm in der Konzertklause und er hat mir von seinem geplanten Radiosender, ich glaube, basierend auf Langwelle, erzählt. Er hatte da nen Sender in Russland im Auge. Soweit ich weiß, ist da aber nichts mehr draus geworden. RIP, Aljoscha.

  4. jo, das damals illegale Radio Prenzlauer Berg mit Sendern, die wir damals auf Dachböden versteckt haben mit vor produziertem Programm auf Kassette…….

Ergänzungen gern, aber bitte recht freundlich.

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