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Lange Nacht der Angst im Hygiene-Museum

Waschsalon mit kleinem Kaufhaus

Klaus Körner - der Mann hinter der Groovestation.
Klaus Körner – der Mann hinter der Groovestation.

Dresden Neustadt – frühe 90er Jahre. Die Anzahl der Szene-Kneipen lässt sich locker an zwei Händen abzählen. Sanierte Häuser, gepflegte Gehsteige, Hipster auf den selbigen – Fehlanzeige. Die Neustadt gebärdete sich noch als ungezogenes Kind, als Rotzlöffel, auf den der Rest der Stadt mit dem Finger zeigte. Mütter verboten ihren Kindern die Überquerung der Elbe. In dieser Zeit kam Klaus Körner nach Dresden, um hier als Energie-Ingenieur zu arbeiten. Er entdeckte die Neustadt und das Schicksal nahm seinen Lauf.

Ein Kaffee gehört dazu. Arbeitsbeginn am Nachmittag.
Ein Kaffee gehört dazu. Arbeitsbeginn am Nachmittag.

Auf dem Grundstück an der Katharinenstraße hatte ein gewisser Andreas Voigt einen Club im Keller etabliert, das Down-Town. Darüber residierte ein Büromöbelhandel. Doch der Händler wollte weg, da schlug die Stunde von Klaus. Kurz zuvor hatte er das Ingenieur-Leben an den Nagel gehängt, was Neues musste her. Mit einem Kompagnon übernahm er den Handel mitsamt Restbeständen und gründete die „Appel & Ei Möbelfüchse“. Was die Kunden nicht wussten, mit Appel und Ei war der Übernahmepreis gemeint.

Nach einer kleinen Weile des Restbeständeverkaufs war genügend Geld da für ein neues Projekt. Inspiriert von dem Hollywood-Schinken „Mein wunderbarer Waschsalon“ eröffneten die Möbelfüchse die Groovestation, offiziell am 1. April 1996. Das Projekt zog Kreise, außer den Waschmaschinen zogen wilde Läden ein. Es gab Silberschmuck und Leder. Das Condomi, ein Tattoostudio, ein Schallplattenladen und ein Fachgeschäft für Motorradteile zogen ein. Die entsprechende Klientel kam prompt mit. Und dann entwickelte sich alles sehr biologisch. Der Empfangstresen des Waschsalons wurde zum Szene-Treff. Irgendwann schleppte irgendwer irgendwelche Musiker mit an. „Die brachten ihre Anlage mit und spielten einfach los“, berichtet Klaus, dessen Augen zu leuchten beginnen, wenn er von den alten Zeiten erzählt. Das Publikum war hartgesotten. „Hier waren bestimmt schon tausend Jahre Knast“, fasst Klaus seine Gäste der frühen Jahre zusammen. Ob er damit abgesessen Jahre oder das angedrohte Strafmaß meint, bleibt offen.

Ungewohnt: Tageslicht in der Groovestation
Ungewohnt: Tageslicht in der Groovestation

Irgendwann wurde das Gebäude dann versteigert, mit viel Unterstützung und Krediten gelang es Klaus, das Haus zu kaufen. Damit war auf einmal noch mehr Platz für Projekte da. Das Hostel „Mondpalast“ öffnete seine Pforten. Mit der Entwicklung der Neustadt drängten die Läden nach draußen, suchten die Laufkundschaft auf Alaun- und Louisenstraße. Für die Groovestation bedeutete das: mehr Platz für Billard-Tische und Kicker. Und natürlich mehr Platz für Konzerte. Das Programm wurde professioneller. Irgendwann zog auch das Hostel um, das Angebot, das Hotel „Stadt Rendsburg“ an der Kamenzer Straße zu übernehmen, konnten sie nicht ausschlagen. So entstand Platz für den Tanztempel „Lofthouse“. „Ich gehe da auch nicht rein“, bekennt Klaus, aber der Laden funktioniert, vor allem aufgrund der Wechselwirkung mit dem Down-Town. Alles zusammen gibt dem Hof an der Katharinenstraße eine herrlich bunte Mischung. Und da Klaus sich inzwischen auch das Vorderhaus unter den Nagel gerissen hat, stehen die Chancen sehr gut, dass alles weiter so funktionieren kann.

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Groovestation in den 90ern
Groovestation in den 90ern

Denn seine ursprüngliche Überlegung vom Anfang der 90er „Ich wollte das ganz sicher nur übergangsweise machen“ hat Klaus inzwischen weit von sich geschoben. Inzwischen sind in seinem Team insgesamt rund 25 Leute beschäftigt und Programm gibt es jeden Abend. Wer Lust auf eine kleine Reise in die Vergangenheit hat, sollte sich morgen Abend aufmachen. Es spielt „Die Art“, wie jedes Jahr im Dezember (Vergleiche Neustadt-Geflüster vom 20. Dezember 2009).

Groovestation

7 Kommentare

  1. Glückwunsch an Anton für einen wirklich gelungenen Artikel, aus dem ich ne Menge Sympathie herauslesen kann, die ich teile.

    Dank an Klaus fürs jahrelange Durchhalten und einfach nur dafür, dass DebistwieDebist, ohne Leute wie Dich würde die Neustadt heute ganz anders aussehen!!! Hätte beinah gesagt: bist äh ganz Großer, wenn das ni so doppeldeutig wäre ;-)

    Viel Spaß heut abend mit Makarios, beste Grüße an ihn und die Bande, UND: unbedingt weitermachen!!!

  2. @Gyhly,

    früher war natürlich nicht alles besser.
    Aber zumindest konnten die Frauen unsere
    Wäsche noch mit der Hand waschen ohne
    Waschbuden.
    Wo ist das gute alte Waschbrett geblieben ?
    Frohes Fest allen Neustädtern und Wachfrauen :-)

    :-)

  3. war ein beinahe total schickes konzert, mit kleinem zwischenfall, aber getanzt hat er wie ein wilder, ganz vorn an der bühne hat er gestanden :D

  4. Stasi störte Art-Konzert

    Unglaublich aber wahr, die Machenschaften der ehemaligen Geheimdienstler reichen bis in die Gegenwart. Beim gestrigen Rock-Konzert von „Die Art“ hat ein Schläfer nach zwanzig Jahren wieder die Initiative ergriffen. Bei dem Song „wide wide world“, der maßgeblich zum Untergang des DDR-Regimes beigetragen hat, erkletterte der Mann zunächst die Bühne, griff sich das Bier eines anwesenden Neustadt-Flüsterers und tänzelte um die Combo herum. Die fanden das anfangs noch lustig. Aus dem Publikum löste sich ein als Szene-Gänger verkleideter Sicherheitsmitarbeiter. Dieser versuchte den Taumelnden von der Bühne zu drängen. Das gelang, doch er konnte sich wieder los reißen, stürmte erneut die Bühne und hinderte die Band an der Fortführung des freiheitsbejahenden Songs. Mit vereinten Kräften gelang es Musikern und Aufpassern, den Burschen von der Bühne zu zerren. Dabei gelang es dem Neustadt-Flüsterer das inzwischen gut geleerte Bier zurück zu ergattern.

    Und nach gutem Zureden spielte auch die Band wieder, zum Trotz nun noch einmal den Titel in voller Länge. Vorher hatte sich das Publikum in stakkatoartigen Ovationen ergangen.

    Zeitpunkt und Art und Weise der provokanten Störung lassen keinen Zweifel offen, hier war ganz klar die Handschrift des berüchtigten Geheimdienstes zu erkennen.

  5. „gyhly sagt: 21. Dezember 2012 um 13:37
    …musste denn ausgerechnet vor Weihnachten uns noch sagen, dass früher alles besser war, Anton !?“

    Bei ‚Früher war alles besser‘ fällt mir immer ‚… und danach, in der ddr, war auch nicht alles schlecht‘ ein.

    Auch ganz nett zu lesen: http://www.taz.de/!95169/

    Peter

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