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BRN-Geschichte – Teil I

Die Bunte Republik Neustadt (BRN) ist ein Stadtteilfest, das am 20. Juni 1990 als Mikronation gegründet wurde. Es wird im Dresdner Stadtteil Äußere Neustadt gefeiert. Gemeinsam mit der Chefin vom Stadtteilhaus, Ulla Wacker, habe ich die folgenden Zeilen verfasst, die Ende 2020 in den Dresdner Heften erschienen sind und hier noch einmal wieder gegeben werden.

Da war sie noch ganz jung. Die BRN zu ihrem ersten Geburtstag 1991.
Da war sie noch ganz jung. Die BRN zu ihrem ersten Geburtstag 1991.

Der anarchistische Staat oder Die gezähmte Widerspenstige

Von Ulla Wacker und Anton Launer

1. Teil

Zwei Tage im Juni 1990 (23. und 24. Juni 1990)

„Morgen werden wir annektiert!“ – Die Menge tobt. Juni 1990 in der Scheune, Dresden, Äußere Neustadt. Das Fest zur Gründung der buntesten aller Republiken ist im vollen Gange. Während draußen staunende Bürger und unsichere Volkspolizisten vorbei ziehen, wird drinnen gefeiert. Die Bunte Republik Neustadt (BRN) ist geboren.

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„Sie betreten den demokratischen Sektor der Stadt Dresden. Dieses Gebiet, geleitet von einer Ordentlichen Provisorischen Regierung, nennt sich BUNTE REPUBLIK NEUSTADT. In diesem Bereich gelten DDR-Mark und Neustadtmark (NSM) als Zahlungsmittel (DM ungültig). Jegliche Anwendung von Gewalt ist untersagt.“ Mit diesen Worten wurden Besucher der ersten BRN im Juni 1990 begrüßt.

Es war die wilde Zeit zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung, das Wochenende vor der Währungsunion. Die erste und letzte demokratische Volkskammerwahl der DDR im März hatte ihr Ende eingeleitet. Der Traum einer reformierten DDR war aus. Doch in der Dresdner Neustadt lebte er weiter.

Dresdner Neustadt Anfang der 1990er Jahre - Foto: Archiv Lothar Lange
Dresdner Neustadt Anfang der 1990er Jahre – Foto: Archiv Lothar Lange

Die Äußere Neustadt, was war das für ein Viertel?

Das Gründerzeitviertel war 1945 größtenteils unzerstört geblieben. Während der Jahre unter sozialistischer Führung verfiel die Bausubstanz. Das hatte verschiedene Gründe. Das DDR-Wohnungsprogramm orientierte sich an Plattenbauten. Altbausanierung war teuer, dem Staat fehlte das Interesse, den privaten Eigentümern Geld und Material.

Die Neustadt in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts: Einige Häuser, kleine Betriebe und Läden waren in Familienbesitz geblieben. Die Ausstattung: Toilette, halbe Treppe, Kohleheizung, kaum Bäder, desolate Dächer. Viele Wohnungen, zum Teil ganze Häuser standen leer. Die Neustädter, die konnten, zogen weg. Ziel war die komfortable Plattenbauwohnung.

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Es blieben die Alten, die Zugewiesenen, aber auch die, die den Freiraum schätzten. Bei alten Damen in großen Wohnungen wohnten Studenten zur Untermiete. Künstler schufen sich Ateliers und Konzerträume, einige Familien bauten sich ihre Wohnungen selbst aus.

Warmwohnen in der Neustadt

In den letzten Jahren der DDR, als die Neustadt aufgegeben schien, gab es hier den Freiraum, der im Rest der Stadt fehlte. Man zog hier einfach ein, zahlte Miete an die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) und nach einer Weile hatte man dann einen Mietvertrag. Zuletzt gab es für einige Altbauten einen Sanierungszuschuss und so mancher baute sich sein eigenes Bad. Das sogenannte Warmwohnen war vor allem in der Neustadt beliebt. Es bot kreativen Lebenskünstlern und Oppositionellen Raum zum Leben und Gestalten.

Ende der achtziger Jahre wurden Abrisspläne bekannt. Die maroden Gründerzeitbauten sollten einem sozialistisch geprägten Plattenbau-Quartier weichen. In der Neustadt regte sich Widerstand, die Interessengemeinschaft (kurz IG) Äußere Neustadt gründete sich 1989 unter dem Dach des Künstlerbundes. Das war neben kirchlichen Institutionen, eine der wenigen Möglichkeiten, sich widerständig als Bürgerinitiative zu organisieren.

Dass die Neustadt nicht abgerissen wurde, ist sicher zu einem Teil der IG zu verdanken. Vermutlich lag es aber vor allem an den fehlenden finanziellen und technischen Mitteln der späten DDR. Aber das gemeinschaftliche Engagement schweißte die Anwohner zusammen. Die IG sollte später, als das Viertel zum Sanierungsgebiet erklärt wurde, noch eine wesentliche Rolle spielen. Als erstes etablierte sie eine Sanierungskommission.

Währenddessen entstand in dieser Zeit die Grundlage für das heutige sogenannte Szene-Viertel. 1989/90 sprossen Kneipen wie Pilze aus dem Boden. Leere Wohnungen oder verlassene Läden wurden neu genutzt. Der Bedarf an Orten der Begegnung und des Vergnügens war groß. In einer dieser Kneipen, der „Bronxx“, wurde dann auch bei Bier und Wein die Idee der Bunten Republik geboren.

BRN 1991 - Der Monarch ohne Geschäftsbereich, Gregor Kunz, hält die Rede zum Volk - Foto: Christoph Anders
BRN 1991 – Der Monarch ohne Geschäftsbereich, Gregor Kunz, hält die Rede zum Volk – Foto: Christoph Anders

Die Ausrufung der Republik und ihre Regierung | Juni 1990

Auf dem Balkon der Republik, eigentlich ein winziger Austritt an einer alten Scheune, drängelten sich Minister und Monarch. Der erklärte am 23. Juni 1990 die Ordentliche Provisorische Regierung (kurz O.P.R.) der Bunten Republik Neustadt für existent. Dies war ein deutlicher Fingerzeig auf den Maiaufstand von 1849. Damals existierte im Zuge der Deutschen Revolution für wenige Tage eine provisorische Regierung, die auch vom durchreisenden Michail Alexandrowitsch Bakunin unterstützt wurde.

Mit diesem Anarchisten fühlten sich viele Regierungsmitglieder der O.P.R. im Geiste verbunden. Denn die Herrschaftslosigkeit wurde auch in der BRN angestrebt. So hatte der Monarch Gregor Kunz keinen Geschäftsbereich, er und seine Minister luden die gesamte Neustädter Bevölkerung zum Regieren ein. Angestrebt wurde, dass die Zahl der Regierungsmitglieder gleich der Anwohnerzahl sei. Die O.P.R. versprach nichts, aber unter anderem harten Widerstand gegen Mietwucher und Spekulation. Gewaltfreiheit, Frieden, Milieuschutz und gutes Wetter waren erklärte Ziele, der sinnlose Konsum der Marktwirtschaft wurde angeprangert.

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Proklamation und ausgerufene Dekrete trugen eine deutliche anarcho-linke Handschrift. Die Verfasser und Akteure der ersten Stunde gehörten größtenteils der Vereinigten Linken (kurz VL) an. Die VL, gegründet im Oktober 1989, verstand sich als Plattform für an einer sozialistischen Reform interessierte DDR-Oppositionelle. Bei der letzten Volkskammerwahl erreichte die VL immerhin einen Sitz. Mit dem Sieg der CDU bei der Volkskammerwahl im März 1990 begann der Weg zur Wiedervereinigung der beiden Deutschen Staaten und alle Gedanken bezüglich einer reformierten deutschen Republik mit Volkseigentum wurden beerdigt.

Idee des Reformierten Sozialismus

In dieser Phase entstand in der Dresdner Neustadt die Idee, mit der Bunten Republik Neustadt dem Traum eines reformierten Sozialismus Gestalt zu geben, wenn auch nur noch mit humoristischem Anstrich. Die Dekrete der O.P.R. drückten aus, was man über die kapitalistische Gesellschaft der BRD dachte und erklärte ihren Auswüchsen den Kampf.

Wenige Monate hatten ausgereicht das Gründungsfest vorzubereiten. Als Termin wurde bewusst das Wochenende vor der Währungsunion gewählt, da diese die Wiedervereinigung vorwegnahm. Die Flagge der Republik wurde zur Ost-West-Fusion. Mickey Mouse nahm den Platz von Hammer und Zirkel im Ährenkranz der DDR-Flagge ein.

Mit der Einführung der Neustadtmark wurde eine eigene Währung geschaffen. Auch mit Blick auf die Währungsunion, bei der es für je zwei DDR-Mark eine Westmark gab, wurde fluchs der Tauschkurs umgekehrt. Für zwei Westmark gab es eine Neustadtmark, die wiederum den Wert einer DDR-Mark hatte. In etlichen Neustädter Geschäften und Kneipen wurde die Neustadtmark akzeptiert. Pässe machten die Neustädter und ihre Besucher zu legitimen und stimmberechtigten Bürgern auf Lebenszeit. Das Neustädter Kulturzentrum Scheune wurde zum Regierungssitz.

Ein Satz Neustadtmark - Foto: Stadtteilarchiv Dresden-Neustadt
Ein Satz Neustadtmark – Foto: Stadtteilarchiv Dresden-Neustadt

Eigene Währung und Staatsbank

Als Staatsbank diente das im Februar 1990 durch Besetzung gegründete Projekttheater auf der Louisenstraße, denn dort stand der einzige bekannte Tresor. Die IG Äußere Neustadt verteilte Pflanzen zur Begrünung der Brachen und Hinterhöfe. Das unabhängige Zentralorgan „Schild Zeitung“ veröffentlichte Proklamation, Dekrete und huldigende Worte an den Monarchen.

Die ausgerufene Autonomie wurde ausgelassen gefeiert. Dazu gehörten unter anderem ein Kinderfest, Kino auf dem Alaunplatz, Open-Air-Konzerte, Kunst- und Trödelmärkte und ein Umzug mit Spielmannskapelle. Die Medienwerkstatt Dresden hielt das bunte Treiben in einem Film fest. Der Soundtrack dafür stammte von der Dresdner Band „Fehlschicht“. Im ihrem Song „Selbstbefriedigung“ heißt es „40 Jahre betrogen, 40 Jahre belogen, die ganze Scheiße weggeschluckt, die Kinder verzogen, Ideale verbogen, und immer rechtzeitig abgeduckt | morgen werden wir annektiert …“ (in einer späteren Fassung lautet diese Zeile dann „… endlich sind wir annektiert“). Passender konnte die Stimmung nicht wiedergegeben werden.

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BRN – Bunte Republik Neustadt 1990 from Äußere Neustadt on Vimeo. Medienwerkstatt Dresden

Miethaie zu Fischstäbchen | Die Abdankung der Regierung (Okt. 1990 bis Juni 1993)

Oktober 1990 – Willkommen in Westdeutschland. Die neue Zeit macht auch vor der Neustadt nicht halt. Große und kleine Fabriken schließen. Die Arbeitslosigkeit schnellt hoch. Rechtsradikale ziehen randalierend durch die Straßen. Die Häuser im Viertel haben plötzlich Eigentümer. Mieter erhalten Kündigungen. Das Wort der Stunde lautet Restitutionsanspruch.

Die sich neuformierende Verwaltung plante die Einführung eines Sanierungsgebiets-Status. Die IG Äußere Neustadt sicherte mit der Sanierungskommission die Mitwirkung der Anwohner in diesem Prozess. Kleine Erfolge waren unter anderem auch, dass Hausbesetzer als sogenannte Instandbesetzer teilweise geduldet wurden, übrigens auch eine Forderung der BRN-Regierung.

Das Motto zum ersten Jahrestag der BRN lautete 1991 daher zwangsläufig „Wir bleiben hier und wehren uns täglich“. Die Ernüchterung über das Angekommensein in der neuen Zeit war deutlich zu spüren. Die Neustadt war tatsächlich Spekulationsobjekt geworden. Die O.P.R. wurde zur provisorischen Regierung, erklärte sich weiterhin für existent und scheute sich nicht Fördergelder von den Nachbarstaaten Dresden und Sachsen in Höhe von 18.100 Mark anzunehmen. Gefeiert wurde von Donnerstag bis Sonntag.

Der Spar-Markt zur BRN 1991 - eine Aktion gegen Verpackungswahn
Der Spar-Markt zur BRN 1991 – eine Aktion gegen Verpackungswahn

Trockenschwimmen im Nordbad

Die IG Äußere Neustadt organisierte ein Badfest mit Trockenschwimmen am Nordbad. Der Kampf für den Wiederaufbau des Stadtteilbades begann. Träger des bunten Treibens wurde der Kulturstadt Dresden e.V., ein neugegründeter Verein, der sich der Kleinkunst und Basiskultur verschrieben hatte. Die Regierung wurde um ein Fair-kehrsministerium ergänzt und erließ ein Verkehrsdekret mit Tempo 30 Zone. Die Neustadt-Mark erfährt eine Neuauflage, das Zentralorgan heißt nun „Schild Schild“ und glänzt mit einer Sonderseite „Schild der Frau“. Erste Rufe nach der Abdankung des Monarchen wurden laut. „Gregor in die Volkswirtschaft“ lautet ein Transparent auf dem großen Abschlussumzug. Die letzten Worte des Monarchen in seiner Rede „Amüsiert Euch noch schön und macht nicht so viel Dreck!“ (Die Union Nr. 144, vom 24.6.1991)

Im November 1991 wurde die Äußere Neustadt zum Sanierungsgebiet erklärt, der Sanierungsbedarf auf 700 Millionen Mark geschätzt (Sächsische Zeitung vom Februar 1992). Von den 570 Häusern sollen für 560 Rückführungsansprüche geltend gemacht werden, ca. 2.000 Wohnungen standen leer. Die staatlichen Zuschüsse für die Sanierung schienen nicht gesichert. (DNN/Union vom 1.4.1992) Man wünschte sich soziale statt Luxussanierung, die Angst vor Vertreibung war groß. Die IG kämpfte für einen Rahmensozialplan und hoffte mit dem Einbau von Duschen und Wannen den Ausbau des Nordbads voranzubringen.

Vielleicht gibt es ja wieder eine BRN-Zeitung - hier das Exemplar von 1991
Schild Schild die BRN-Zeitung von 1991

Unterstützung vom Kulturamt

1992 stand die BRN dann ganz unter dem Motto: „Gegen Mietwucher und Vertreibung – Wohnen ist ein Menschenrecht“ und „Farbe statt Lack“. Das Kulturprogramm wurde vom Kulturamt der Stadt Dresden mit 30.000 Mark unterstützt. Neustädter Initiativen wie die IG, der Malwina e.V. und das Frauenzentrum sowieso stemmten gemeinsam mit den Kulturstadt e.V. die Vorbereitung.

Auf dem Martin-Luther-Platz fand ein Projektemarkt statt, der die ganze soziokulturelle Szene von Sachsen vorstellte. Es gab den „Bunten Kanal“ (TV und Radio). Die inzwischen zahlreich vorhandenen Farbkopierer verhinderten eine Neuauflage der Neustadt-Mark, man befürchtete Raubkopien als Falschgeld. Höhepunkt war unter anderem der erste Dresdner Amateurrockwettbewerb.

Für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen wurde erstmals Eintritt erhoben, um die Kosten zu decken. Es wurde eine „Wehrpflicht“ eingeführt, die einen ernsten Hintergrund hatte. Es galt, sich gegen Bauen ohne Baugenehmigung und Gewalt gegen Mieter zu wehren. (SZ vom 8.6.1992)

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Schon 1992: BRN zu voll

Besucher empfanden die BRN als zu voll und die Verkaufsstände als zu kommerziell (SZ vom 22.6.1992). Die Louisenstraße 44 wurde besetzt, der Verein „Schwarzes Schaf“ bezog das Haus am Vorabend der BRN. Eine weitere Hausbesetzung auf der Louisenstraße 85 führte später zu einem Mietvertrag. Das spätere Stadtteilhaus auf der Prießnitzstraße öffnete erstmals seine Türen und den lauschigen Garten.

Im Frühjahr 1993 war das Erneuerungskonzept für das Sanierungsgebiet endlich fertig gestellt und der städtebauliche Rahmen für die kommenden 15 Jahre gesetzt. Das Konzept regelte die Struktur des Gebiets, teilte ein in reine Wohnstraßen und Straßen mit Gewerbe. Auch Stadtgrün und Spielplätze waren in der Rahmenplanung vorgesehen. Die 1992 gegründete STESAD GmbH, eine Tochtergesellschaft der Stadt Dresden, wurde als Sanierungsträger eingesetzt.

Investoren konnten sich um Sanierungsmittel bewerben, insofern sie sich auf den Sozialplan einließen, der eine Mietpreisbindung von zwölf Jahren vorsah. Und doch gab es zahlreiche Probleme. So konnten auch massive Proteste von Anwohnern und Kulturschaffenden den Abriss des Ballsaals Aktiv an der Kreuzung Königsbrücker Straße, Bischofsweg im Mai 1993 nicht verhindern. Er musste einem Bürobau weichen. Mieter erhielten vermehrt Kündigungen, denn die Sanierung eines leer gezogenen Hauses versprach eine höhere Rendite nach Fertigstellung.

Regierung erklärte Auflösung

Im Vorfeld der vierten BRN verkündete die Provisorische Regierung ihre Auflösung. Die Ermüdung durch den jahrelangen zähen Kampf um den Erhalt des Viertels, Politikverdrossenheit, fehlende Unterstützung bei der Vorbereitung und die Reduzierung der Förderung waren hauptsächliche Gründe. Die Feierlichkeiten begannen daher mit einem ausgefallenen Bad der Regierung in der Elbe, die sich damit auflöste.

Die Eröffnungsparty fand dann in der Lederfabrik statt, einem Gebäudekomplex an der Böhmischen Straße. Die Fabrik war inzwischen geschlossen und befand sich in der Abwicklung. Die Gebäude standen kurz vor dem Abriss und füllten sich noch einmal mit prallem Kultur-Leben.

Der Projektemarkt auf dem Martin-Luther-Platz entwickelte sich zum Markt der Möglichkeiten, mit Gästen aus Tschechien und Polen. Mit einer Frühstückstafel auf der Rothenburger Straße begann eine langjährige Tradition, die bis heute anhält und sich inzwischen sonntags durch das ganze Viertel zieht. Die Macher bedauerten eine vorrangig konsumierende Haltung der Besucher, daher blieb das Programm verschwommen und man hoffte auf mehr Eigeninitiative. (SZ vom 19./20. Juni 1993). Das Motto war entsprechend vage „Jeder zeigt jedem Kreativität“. Eine Auseinandersetzung zwischen linken und rechten Jugendlichen in der Nacht von Freitag zum Sonnabend überschattete das Fest. In der Folge gingen Schaufensterscheiben zu Bruch und eine Spar-Kaufhalle wurde geplündert, die Polizei war anfangs ohnmächtig.

2020 gab es eine BRN-TV-Talk-Runde, die sich mit der Gründungszeit der BRN beschäftigte.

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Geschichte der Bunten Republik Neustadt in drei Teilen

Der anarchistische Staat oder Die gezähmte Widerspenstige – 1. Teil, 2. Teil, 3. Teil


Anmerkungen

Quelle: Zeitungsartikelarchiv aus den Jahren 1989 – 2020 des Stadtteilarchivs Dresden, im Bestand Dresdner Tageszeitungen und Artikel aus überregionalen Magazinen mit Bezug auf die Dresdner Neustadt. Wir zitieren aus folgenden Zeitungen:

  • DIE UNION (später Dresdner Neueste Nachrichten)
  • SZ (Sächsische Zeitung)
  • SAX – Das Dresdner Stadtmagazin

Die Autorin ist Bewohnerin der Neustadt seit 1990 und leitet das Stadtteilhaus Dresden Äußere Neustadt. Einige Jahre war sie Mitorganisatorin der BRN (1998-99, 2011-2017), seit 2018 betreibt sie das BRN-Büro. Der Autor war langjähriger Bewohner der Neustadt, mitverantwortlich für die Kommerzialisierung der BRN und leitet das Online-Magazin „Neustadt-Geflüster“. Mit freundlicher Genehmigung der Dresdner Hefte.

2 Kommentare

  1. Dieses Jahr ist doch die Chance dem Geist der 90iger wieder näher sein zu können als in den letzten Jahren! Straßenmusik live statt Wummerboxen, Kaffee und selbstgebackener Kuchen statt kommerzieller Bierbuden, Nachbarn statt der einfallenden Jugend aus Hoyerswerda, statt perfekter Durchorganisation Improvisation. Lasst uns einfach, nachbarschaftlich und kreativ sein!

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