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Verbraucherschutz anno 1913

Dafür gab es seinerzeit weder ein eigenes Ministerium, noch eine Angliederung an ein bestehendes. Aber staatliche Lebensmittelüberwachungen gab es und dieses Institut untersuchte ein Produkt. Dabei handelte es sich um „Sargol“, ein angeblich harmloses Hausmittelchen. Zudem wurde es von der „Société Sargol“ aus Paris vertrieben.

Allerdings waren die Ansprüche an Nahrungsergänzungsmittel damals etwas anders. Das Mittelchen sollte nicht beim Abnehmen helfen. Ganz im Gegenteil: Es sollte besonders bei mageren Männern und Frauen wirken. Herrlich der Werbetext im Simplicissimus vom September 1913, Seite 408: „Ein einfaches Hausmittel wirkt Wunder und verwandelt knochige und übellaunige Männer und Frauen in fleischige und lebenslustige.“

Leute, die jahrelang dünn, knochig und ausgemergelt waren, solle „Sargol“ frisch, vollblutig und stark machen. Auch der ganzen Gestalt sollte es eine ebenmäßige Rundung verleihen, hohlwangige Gesichter ausfüllen und dem ganzen Körper ein Gefühl der Kraft und Lebenslust verleihen. Es ersetze, so das in Sachsen erschienene Prospekt, „das fehlende Glied zwischen Nahrungsaufnahme und Fettansatz, es sei das Zahnrad, das dem Uhrwerk der mageren Menschen fehle“. Das konnte man in einem Bericht in der Dresdner Volkszeitung lesen.

Gewichtszunahme bis zu einem Pfund pro Tag

Der Hersteller versprach eine tägliche Gewichtszunahme von einem halben bis einem ganze Pfund (500 Gramm). Und das bei einem Preis von 5 Mark pro Zehnerpackung. Eigentlich ein guter Preis für ein wirkungsvolles Mittel, dachte man.

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Aber die Konkurrenz schlief nicht. So kam es zu besagter Überprüfung. Der Inhalt setzte sich aus folgenden Stoffen zusammen: ein mit Vanille aromatisiertem Gemisch aus Stärkemehl und Zucker, „veredelt“ mit etwas Kakao. Der Gesamtwert wurde auf etwa 10 bis 20 Pfennig pro Zehnerpackung geschätzt. Dabei schon inklusive die Verpackung, der Versand und andere variable und fixe Kosten. Eine Gewinnmarge, die das Zockerherz der Profithascher fast zum Infarkt brachte.

„Man muss kein Chemiker sein, um zu erkennen, dass eine diesbezügliche Gewichtssteigerung der mageren Mitmenschen nicht zu erreichen sei“, so die Volkszeitung. Und da dieses Produkt von Frankreich aus vertrieben wurde, der Erzfeind seit Jahrhunderten, konnte man auch in diesem Blatt die nationalistisch-chauvinistische Karte ausspielen. „Sargol – die Rache Frankreichs für 1870!“

Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür hat der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universtätsbibliothek durchstöbert.

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