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Blitzumzug

Oben-Ohne-Fahrraddemo durch die Neustadt

Am 1. Juli um 13 Uhr werden Demonstrant*innen eine „Oben-Ohne-Fahrraddemo“ in der Neustadt starten. Die Route wird durch die Neustadt in die Altstadt, einmal hin und wieder zurück gehen. Organisiert wird das Ganze von dem feministischen Kollektiv „Die Sekt Gabis’s“ in Zusammenarbeit mit der Gruppe “GleicheBrustfüralle”.

Die Aktivist*innen wollen einen Raum schaffen, in dem es nichtmännlich gelesenen Personen1 möglich ist, sich „Okf“, also oberkörperfrei, aufzuhalten. Damit wollen sie für die Ent-Sexualsierung weiblich gelesener Brüste lautwerden. Zuletzt konnte die Gruppe Erfolge bei den Dresdner Bädern verzeichnen, wo seit Mai diesen Jahres alle Menschen oberkörperfrei baden dürfen.

Ankündigung der Fahrraddemo
Ankündigung der Fahrraddemo

Was sagt eigentlich das Gesetz?

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, dass besagt zumindest Artikel 3, Absatz 1 des Grundgesetzes. Außerdem steht da: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Doch trotz dieser Grundsätze gibt es in Deutschland eine unterschiedliche Behandlung von Männer- und Frauenbrüsten. Wie kann das sein? Tatsächlich gibt es kein explizites Gesetz in Deutschland das weiblich gelesenen Personen verbietet, oberkörperfrei in der Öffentlichkeit zu sein. Dennoch gibt es Situationen in denen ihnen dies untersagt werden kann. Es bleiben nämlich noch Paragraph 183a im Strafgesetzbuch, „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ und Paragraph 118 Ordnungswidrigkeitengesetz, „Belästigung der Allgemeinheit“. Nach eigenem Ermessen können Sicherheitsdienste, Polizei oder Ordnungsämter diese Gesetze interpretieren und Personen dazu auffordern ihre nackte Brust zu bedecken. Dass ein Polizist kaum eine männlich gelesene Person bitten würde, das T-Shirt wieder anzuziehen, steht wohl eher in den sozialen Normen als im Grundgesetz geschrieben.

Warum Oben-Ohne

Die Mitglieder von den “Sekt Gabi’s” und “GleicheBrustfüralle” kritisieren diese Normen: „Die Straße gehört uns allen. An unseren Nippel ist nichts pornographischer als an männlich gelesenen Nippeln. Wir sind es satt, dass unsere Körper mit Scham behaftet werden.“ Im Zuge ihres Kampfes um Gleichberechtigung organisiert die Gruppe vielfältige Aktionen. Es geht immer wieder darum, einen Raum zu schaffen in dem Menschen sich frei, oberkörperfrei, bewegen können. „Für viele ist das ein Freiheitsgefühl, das Männer sicherlich kennen. Man macht Sport. Es ist warm, man schwitzt und zieht sich dann das Shirt aus“, erzählt Steff von “GleicheBrustfüralle”. Es geht also einerseits um die pure körperliche Selbsterfahrung, oberkörperfrei Fahrrad zu fahren. Andererseits geht es auch um die Sichtbarkeit der politischen Debatte in öffentlichen Räumen. „Wir nehmen uns jetzt den Raum. Mal schauen wie unsere Aktion wirkt, was es mit uns macht und ob es etwas in den Institutionen ankurbelt“, sagt Steff.

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Julia Hartl - SPD

Plakat einer "Oben-Ohne" Boulder Aktion
Plakat einer “Oben-Ohne” Boulder Aktion

Dass die Aktivist*innen immer wieder mit Ängsten vor Sexualisierung und Übergriffen konfrontiert sind, ist sicherlich Teil des Problems. Solchen Übergriffen wird vorgebeugt. Im ersten Schritt machen die Veranstalter*innen auf mögliche Sicherheitsrisiken aufmerksam, die aufgrund der starken Öffentlichkeit der Aktion auftreten können. Man will die Teilnehmenden schützen, indem man sie aufklärt. Des weiteren wird ein Awareness-Team2 anwesend sein. Das Team wird aus Teilen der Gruppe bestehen, die Erfahrung im Umgang mit Okf-Aktionen haben. Außerdem aus Menschen mit Awareness-Ausbildung. Es wurde vereinbart, dass im Falle eines Übergriffs konfrontativ vorgegangen wird.

Konsens und Räume schaffen

Innerhalb der Gruppe gibt es auch Kontroversen. Zum Beispiel bei der Frage, wie man zu Männern stehe, die sich jetzt, da es noch keine Gleichberechtigung gäbe, oberkörperfrei in der Öffentlichkeit aufhalten. „Im Hier und Jetzt können weiblich gelesene Personen das noch nicht gefahrlos tun. Also sollen Männer sich gefälligst solidarisieren.“ Das bedeutete für einen Teil der Gruppe gleiches Recht für Alle. Viele sehen das auch anders: „Männer darauf hinzuweisen sich etwas anzuziehen ist ein Rückschritt. Wir möchten allen Menschen dieses Recht erkämpfen.“ Ihr Ansatz sei es Räume zu schaffen in denen jeder, unabhängig seines Geschlechts, oberkörperfrei existieren dürfe.

Auch bei der Demo am Sonnabend sind alle Menschen willkommen. FLINTA’s3, also Personen die direkt von der Diskriminierung betroffen sind, werden eingeladen, so oberkörperfrei zu kommen, wie sie sich wohl fühlen. Allies, das sind Menschen die sich gerne solidarisieren möchten, aber kaum bis gar nicht von der Art Übergriffigkeit betroffen sind, sollen wenn möglich nicht komplett mit freiem Oberkörper kommen: „Beglitztert euch, zieht Bikini Oberteile an, bemalt euch! Macht irgendetwas mit eurem Oberkörper. Zieht euch nicht nur aus“, heißt es im Demo-Aufruf.

Erwartet werden rund 100 Teilnehmende. Welche Wirkung ein solcher Demozug auf Passanten hat, wird sich zeigen. Kommentarlos möchte die Autorin zum Schluss stehen lassen, dass die Route der Demonstrant*innen zufällig die Form eines Stinkefingers zeichnet.

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Akustikkollektiv Feministisch

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Julia Hartl - SPD

Erläuterung

1 Das gelesene Geschlecht bezeichnet das Geschlecht, dass andere Personen einem Menschen auf Grund seines Aussehens und seines Verhaltens zuschreiben. So kann sich beispielsweise ein Mensch zwar als Mann identifizieren, jedoch von anderen Personen als Frau wahrgenommen bzw. gelesen werden.
2 Ein Team, das gegen Diskriminierung, übergriffiges Verhalten und sexualisierte Gewalt unterstützt.
3 Die Abkürzung steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen.

Weitere Informationen

7 Kommentare

  1. Ist aber aber nicht schon immer so das die Entblösung der weiblich Brust in Deutschland überhaupt kein Strafbestand darstellt und auch nicht geahndet wird und wurde?

    In der Realität ist es sogar so, das Frauen sich sogar ungestraft komplett nackt zeigen durften nackte Männer hingegen aber ein Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses etc. bekommen haben.

    Eine Liste mit einer Gegenüberstellung der Anzahl der bis jetzt angezeigten Frauen und Männer würde hier mehr Objektivität in diese Diskussion bzw. diesen Aktivismus bringen. In der Begründung der Aktivistinnen steht schon recht viel “kann”. Die Realität ist aber doch eine andere oder?

    Ich persönlich finde die Begründungen recht an den Haaren herbeigezogen, störe mich aber auch nicht an dieser Aktion. Von mir aus.

  2. Das ist mal wieder so typisch Deutsch, und wenn man mich fragen würde, so ist es mir im Grunde egal, ob Ihr alle oberkörperfrei rumlaufen wollt. Ich kann nur sagen, dass das Grundgesetz weit umfangreicher ist, als die einzelnen Zeilen, die sich bestimmte Randgruppen immer wieder herauspicken.

    Denkt einfach auch mal nicht nur an Euch, auch wenn es heißt, dass an jeden gedacht ist, wenn jeder nur an sich denkt.

  3. “und wenn man mich fragen würde…” – Schade, ich wünschte niemand hätte Dich gefragt, @ Jens. Aber da hier alle so auf Dich eingedrungen sind, musstest Du verständlicherweise ein Statement abgeben.
    Übrigens: Wenn mal irgend wo was ist, frage ich mich immer: Was würde Jens, der sich im Neustadt-Geflüster immer so zurückhält, um ja nicht gefragt zu werden, dazu sagen?

  4. @Simmang: Das stimmt nicht ganz. Wobei das vor allem mit Hausrechten zu tun hat (Schwimmbad), scheint mir.
    Männer sollten auch nur richtige Probleme bekommen, wenn sie an sich, wie das so schön bei Meldungen heißt, an sich herummanipulieren.
    Der Tatbestand kommt aber offensichtlich bei Frauen seltener bis gar nicht vor.

    So gesehen ist die Demo berechtigt gewesen. Solange Männer ohne Probleme überall ihre Nippel zeigen können, Frauen aber in öffentlichen Einrichtungen wie Schwimmbädern nicht, ist das ein Problem.

    Hier ein Artikel dazu:
    https://www.sueddeutsche.de/leben/gesellschaft-faktencheck-wie-viel-nacktheit-darf-es-sein-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220603-99-532335

  5. “Räume zu in denen jeder, unabhängig seines Geschlechts, oberkörperfrei existieren darf” gibt es doch: Viele sind privater Natur, einige öffentlich (FKK) Strände u.ä.
    Wenn ichs recht verstehe, geht es darum, mehr öffentlichen Raum zu besetzen mit ureigentlich privaten Anliegen. Damit verschwimmt einmal mehr die Grenze von öffentlich und privat. Private Interessen können, müssen aber nicht mit gesellschaftlich wünschenswertem übereinstimmen. Umgekehrt ebenso.

  6. Ist das noch “Aktivismus” oder eher hedonistische Wichtigtuerei? Ich finde übrigens auch männlich gelesene Oberkörper in der Öffentlichkeit unmöglich. Was soll dieser Hang sich überall entblößen zu müssen? Und was bringts an mehr Frauenrechten, wenn die Damen jetzt oben ohne im Schwimmbad rumhängen dürfen? Richtig: Nichts!

    Vielleicht hinterfragt die Gender/Gleichberechtigungs/Regenbogen/Einhorn-Fraktion mal die Relevanz ihrer Themen und Aktionen zur aktuellen Situation… Die Welt geht unter aber ich werd’ wahrgenommen… Isses das? Entpolitisierter Neoliberalismus?

    Sorry, aber brauch ich genauso wenig wie Dynamo-Hools oder Bratwursttouristen, Skispektakel an der Elbe oder Tellkamps Büchhändlerin und deren Geltungssucht.

    Á propos: Erster Satz des Artikels: “… Am 1. Juli um 13 Uhr werden Demonstrant*innen…” –> Wenn dazu nur weiblich “gelesene” Personen eingeladen sind, warum dann der Stern? Irgendwie kommt ihr doch selber nicht mehr klar, oder?

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