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bewundert, gesammelt, ausgestellt | Behinderungen in der Kuns des Barock und der Gegenwart

Amtliche Wegelagerer 1913

„Fräulein Clara, ich habe Sie schon einige Tage nicht mehr gesehen und dachte schon, Sie seien ernsthaft erkrankt.“ Die so betitelte Tochter des Besitzers des Militäreffektenladens von Geissler & Hast auf der Großen Klostergasse 2, unweit des Neustädter Marktes, blickte leicht errötend zu Boden.

Augustusbrücke um 1900
Augustusbrücke um 1900

Der junge Mann in der Uniform des Brückenamtes Dresden mit Namen Alfons Müller stand lächelnd vor dem Zollhäuschen am Anfang der noch neuen Augustusbrücke. Seit längerem hatte er ein Auge auf die hübsche Maid geworfen. Auch ging er des Öfteren in den Laden ihres Vaters, der ein breites Angebot an Effekten hatte. Dazu zählten Uniformen verschiedenster militärischer Gattungen, sowie Schulterstücke, Epauletten, Achsel- und Schulterschnüre, Schützen- und Fangschnüre, Mützenkordeln und viele andere Applikationen für das Militär. Aber nicht die Uniformen interessierten ihn, denn das Geschäft hatte nichts an Beamtendienstkleidungen zu bieten, sondern das Fräulein Clara war sein Ziel.

Brückenzoll

Seit der Eröffnung der neuen Friedrich-August-Brücke am 30. August 1910 versah Alfons Müller als Beamter des Stadtkämmerers seinen Dienst als Einnehmer des Brückenzolls. Schließlich war der Bau der neuen Brücke teuer und die Stadt holte sich das Geld von den Bürgern, Händlern, Transporteuren und den neuen Automobilbesitzern zurück. Der zunehmende Verkehr, die brummende Wirtschaft und der florierende Tourismus ließen die Kasse kräftig klingeln. Die Residenz zählte damals zu den wohlhabendsten im ganzen Deutschen Kaiserreich.

Dresdner Neueste Nachrichten von 1913
Dresdner Neueste Nachrichten von 1913

Und die Einnahmen aus dem Brückenzoll waren erheblich. Diese Quelle sprudelte seit dem Bau der ersten Brücke, erstmals urkundlich erwähnt um 1230. Im Jahre 1912 waren das insgesamt 279.000 Mark (heute rund 1,5 Millionen Euro)1. Dazu trugen die Brücken der Stadt in unterschiedlichem Maße bei, wie die Dresdner Neuesten Nachrichten am 22. Juli 1913 berichteten. „Der größte Wagenverkehr herrschte auf der Marienbrücke, auf der allein reichlich 109.000 Mark (rund 610.000 Euro) eingenommen wurden. Bekanntlich ist auf dieser Brücke der Lastwagenverkehr besonders stark.“

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Stärker als erwartet seien die Einnahmen auf der Friedrich-August-Brücke (heute Augustus-Brücke genannt) gewesen. Geplant waren 37.000 Mark, erreicht wurden 62.000 Mark (= 347.000 €). Den schwächsten Wagenverkehr und damit die geringsten Zolleinnahmen, hatte laut der DNN die Carolabrücke zu verzeichnen. Ganze 40.000 Mark (= 224.000 €) kamen übers Jahr 1912 dort zusammen.

Die Schattenseiten des Geldsegens

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts brauchten wahrscheinlich die Fußgänger auf ihrem Weg von der Neustadt zur Altstadt und umgekehrt keinen Zoll mehr zu zahlen. Aber der Obolus auf Fuhrwerke und ihren Ladungen blieb wohl bis zum ersten Weltkrieg. Dabei behinderte die Geldeinnahme zunehmend die Flüssigkeit des Verkehrs und Staus wurden wohl zu einer Plage. Über Umweltschutz redete damals niemand, aber das Stopp-and-Go der Kraftfahrzeuge und Fuhrwerke verpestete zunehmend die Luft im Elbtal. Dazu kamen seit 1900 die Ausdünstungen des Heizwerkes hinter der Semperoper und des Kraftwerkes Mitte seit 1895. Von CO2 und Feinstaub wusste damals noch niemand etwas.

Blaues Wunder um 1900
Blaues Wunder um 1900

Besonderheit Blaues Wunder

Die beiden reichen Gemeinden im Dresdner Osten, Loschwitz mit dem Weißen Hirsch und Blasewitz wehrten sich erfolgreich dem Eingemeindungsverlangen der Residenz. Die niedrigen allgemeinen Steuern zogen gut Betuchte an. Das hatte auch Auswirkungen auf den Brückenzoll des Blauen Wunders. Dessen Einweihung erfolgte am 15. Juli 1893.

Die Baukosten von etwa 2,25 Millionen Goldmark leisteten die Anliegergemeinden und der Staat. Durch einen Brückenzoll sollten sie wieder eingebracht werden. Fußgänger, Radfahrer und Straßenbahn-Fahrgäste zahlten je zwei Pfennige, für Hühner und Gänse waren ebenfalls zwei Pfennige und für Zugtiere zehn Pfennige zu entrichten.2 Bis auf 100.000 Mark (= 560.000 Euro) beliefen sich die jährlichen Einnahmen aus dem Brückenzoll.

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Nach dem Ersten Weltkrieg sprach die Sächsische Staatsregierung ein Machtwort und ordnete die Zwangseingliederung der genannten Orte in die Landeshauptstadt an, die am 1. April 1921 vollzogen wurde. Aus Protest hingen an diesem Tag die Flaggen auf Halbmast. Positiv war, dass damit der Brückenzoll sein Ende fand.

Clara und Alfons

Sie kamen wohl nie zusammen. Standesdünkel und das fehlende Kleingeld ließen wohl den kleinen Beamten beim großen Geschäftsmann Geissler abblitzen. Auch von einem Sprung beider in die Elbe aus Liebeskummer ist nichts bekannt. Es muss ja nicht jede unerfüllte Sehnsucht als Drama à la Shakespeare enden.

Anmerkungen des Autors

1 Die Umrechnung von der Mark aus dem Jahre 1913 in Euro basiert auf das Dokument der Deutschen Bundesbank „Kaufkraftäquivalente historische Beträge in deutschen Währungen“, Stand Januar 2022.
2 Siehe Wikipedia


Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür durchstöbert der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Der vorliegende Text ist literarischer Natur. Grundlage bilden die recherchierten Fakten, die er mit fiktionalen Einflüssen verwebt.

Ein Kommentar

  1. Feinstaub kannte man damals schon. Ein Sprengwagen mit innovativer Technik benetzte damals die Straße um den Staub zu binden.

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