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Das Alberttheater – die Krone der Neustadt

Teil 4: Der aufhaltsame Abgesang

Die inhaltliche und finanzielle Knechtschaft des sächsischen Hofes war man endlich, trotz teurer Scheidung von der Generalintendanz der Königlichen Hoftheater, 1913 los. Die Sponsoren der Neustadt aus Wirtschaft und Bildungsbürgertum atmeten auf. Doch Clio, die Muse der Historie, pfuschte ihrer Schwester, der Thalia und den Leuten hier vor Ort gehörig ins Handwerk. 1918 wurden die Monarchen, Fürsten und sonstigen Adelsprivilegierten entmachtet, enteignet und zum profanen bürgerlichen Arbeiten verdonnert. Revolution war angesagt.

Dresdner Nachrichten von 1918
Dresdner Nachrichten von 1918

Auch im Haus am Albertplatz hatte diesbezüglich ein Stück eine besondere Premiere. Die Dresdner Nachrichten schrieben darüber in ihrer Frühausgabe vom 9. November 1918. „Aufgeregte Szenen spielten sich gestern Abend auch im Alberttheater ab. Nach Schluss der Vorstellung drang Militär in das Theater ein und nahm allen anwesenden Offizieren Degen, Achselstücke, Kokarden usw. ab. Der Widerspruch und das Zureden besonnener Elemente waren im Theater wie auch auf der Straße gänzlich vergeblich.“ Es brauchte schon Mut, der rasenden Masse zu begegnen.

Vor dem Untergang tanzte man auf dem Vulkan

Die Direktion fasste Mut. Man wollte nun in die Moderne. Mit der neuen bürgerlichen Demokratie pflegte man aber ein zwiespältiges Verhältnis. Man spielte Gerhard Hauptmann und Maxim Gorki, Wedekind und Ibsen, Kokoschka, Hasenclever und Strindberg. Das Heitere kam auch nicht zu kurz.

Kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges rüstete man das Alberttheater noch technisch auf mit einer zeitgemäßen Beleuchtung, einer elektrischen Drehbühne und einem Kuppelhorizont im Zuschauersaal. Das Restaurant im Keller wurde fertig.

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Nicht mehr in die neue Zeit passte der Name. Seit dem 1. September 1921 nannte man sich „Neustädter Schauspielhaus“. Was sich nicht änderte, war die große Schuldenlast aus dem Kauf vom Königshof von 1913 und den darauffolgenden Restaurierungen und Erneuerungen. Die Abonnements und Eintrittspreise deckten die Unkosten in keiner Weise.

Glanzpunkte gab es trotzdem im Schauspiel. 1929 die Dresdner Erstaufführung der „Dreigroschenoper“ von Brecht und Weill und zwei Jahre später die Bühnenfassung von „Emil und die Detektive“ des unweit vom Theater aufgewachsenen Erich Kästner.

Alberttheater - Postkarte um 1920
Neustädter Schauspielhaus – Postkarte um 1920

Die braune Zeit der Gleichschaltung

Die im Herbst 1933 gegründete Reichskulturkammer hatte die Aufgabe, die Kulturbereiche der gesamten Gesellschaft der nationalsozialistischen Ideologie unterzuordnen, die darin wirkenden Künstlerinnen und Künstler, die Institutionen und Finanzen gleichzuschalten, das Judentum auszurotten und bolschewistisches Gedankengut zu vernichten. Kunst- und Kulturschaffende mussten den einzelnen Kammern angehören. Zudem war für die Arbeitserlaubnis ein Ariernachweis erforderlich.

Das Neustädter Schauspielhaus am Albertplatz verlor bedeutende Künstler, Musiker und Regisseure. Die Albert-Theater-AG schlitterte endgültig in die Pleite. An einem breitgefächerten progressiven Spielplan war nach der Machtergreifung der Nazis nicht mehr zu denken.

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In vorauseilendem Gehorsam ließ man die Nazis in den Dresdner Theatern gewähren. Man schaute dem Treiben meist nur zu. In einer Art Handstreich vereinnahmte die Ortsgruppe der NSDAP die Bühnen in der Stadt, wie der Völkische Beobachter schon 1932 stolz schrieb. Der Widerstand war gering.

SA und NSDAP schickten in den ersten Wochen nach der Machtergreifung ihre Anhänger in die Theater. Dort wurden demokratisch gesinnte und links orientierte Akteure ausgepfiffen, dauernd in ihrem Spiel unterbrochen und unter Androhung körperlicher Schadenszufügung von den Bühnen gejagt, in die Arbeitslosigkeit oder ins Ausland getrieben. Andere wurden in Konzentrationslager inhaftiert und teilweise dort umgebracht.

Die SA besetzte das Schauspielhaus in der Altstadt mit vorgehaltenen Pistolen. Der ehemalige Maskenbildner-Assistent und NSDAP-Stadtverordnete Franz Heger residierte dann in schwarzer SS-Uniform am Schreibtisch im Taschenberg-Palais als Direktor der Generalintendanz, wie Emil Ulischberger in seinem Buch „Schauspiel in Dresden“, Henschel-Verlag Berlin 1989, schrieb. Das Ziel der nationalsozialistischen Theaterpolitik war es, eine Tendenz zum Volkstümlichen, Bodenständigen und Vaterländisch-Historischen in den Spielplänen zu etablieren.

Die sozialkritische Dramatik und künstlerische Experimentierfreudigkeit aus der Weimarer Republik wurden als entartet verbannt. Natürlich spielte man nach wie vor mit einem qualitativ guten Ensemble, wie Ponto und Hofmann, die Klassiker, aber nur die, „die sich in ihrem nationalen Gehalt der faschistischen Ideologie unterordnen ließen, wie ‚Wilhelm Tell‘, ‚Hermannsschlacht‘, ‚Prinz von Homburg‘ oder Shakespeares ‚Coriolanus‘, so Emil Ulischberger. Selbstverständlich gab es auch eindeutig tendenziöse Nazi-Stücke sowie die beliebten heiteren Volksstücke und Operetten. Während des Krieges stiegen sogar die Zuschauerzahlen.

Die Mutation zum Theater des Volkes

Die Stadtverwaltung unter Nazi-OB Zörner kaufte 1936 das pleite gegangene Neustädter Schauspielhaus und machte es mit Unterstützung des Reichspropagandaministeriums, der Reichskulturkammer der der Organisation „Kraft durch Freude“ der Deutschen Arbeitsfront zu einem „Haus des Volkes“. Mit hohem kulturellem Anspruch, natürlich auf nationalsozialistischer Grundlage, zog das Mehrspartentheater die Dresdner in Scharen an. Die oben genannten Klassiker, als auch die Operetten bestimmten fortan den Spielplan.

Bis, ja bis am 1. September 1944 alle Theater und sonstigen Bühnen schließen mussten. Die Schauspielerinnen und Schauspieler, die Musikerinnen und Musiker, das technische und administrative Personal wurden der „Kriegswirtschaft“ übergeben, wie es offiziell hieß.

Der finale Todesstoß

Der kam mit den Bomben am 13. und 14. Februar 1945. „Feuerstürme fegten durch die Straßen und ließen eine brennende Wüstenei zurück. Centraltheater und Komödienhaus, sanken in Schutt und Asche, das Theater des Volkes (d.h. das Alberttheater) wurde zerstört, das Opernhaus erhielt Volltreffer, das Schauspielhaus war schwer beschädigt. Die Archive verbrannten, auch die Schauspielbibliothek ging restlos verloren“, so das traurige Resümee von Emil Ulischberger über das Ende der Kultur- und Kunststadt Dresden.

Die Ruine des im Volksmund weiterhin Alberttheater genannten Gebäudes stand noch bis in die fünfziger Jahre mahnend am inzwischen umbenannten Platz der Einheit.

Hätte man das Theater wiederaufbauen können? Hätte man der Neustadt seine Krone wieder zurückgeben können? Hätte, hätte, hätte. Die Ruine war eines der Symbole dafür, was Diktaturen anrichten können. Die Schäden waren mit denen an der Semperoper durchaus vergleichbar. Es war letztendlich eine politische Entscheidung, die auch andere Bauten in Dresden, wie z.B. die Sophienkirche, betraf. Es fehlte schlicht das Geld und der ideologische Wille. Die Gegner der Umwandlung Dresdens in eine „sozialistische Großstadt“ verloren schnell Einfluss, Amt und Würden. Das alte monarchistische und bürgerliche Dresden sollte verschwinden. Doch das machte ein Großteil der Bevölkerung nicht mit.

Es gab zu DDR-Zeiten mal den Plan, an der Stelle des Alberttheaters und des entstandenen Parkplatzes ein Puppentheater zu bauen. Der Plan verschwand in der Schublade. Ebenso erging es (zum Glück) der Idee eines Bürokomplexes. Der jetzige (2020) Noch-Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain ließ einen Ideenwettbewerb ins Leben rufen, um das Gelände von 1,1 Hektar neu zu gestalten. Und es ging auch hier wieder um die alte und wohl ewige Dresden-Frage: historisierend oder modern.

Der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb hat die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universtätsbibliothek durchstöbert. In loser Folge berichten wir über wichtige geschichtliche Ereignisse in der Neustadt.

Ein Kommentar

  1. “Das Ziel der nationalsozialistischen Theaterpolitik war es, eine Tendenz zum Volkstümlichen, Bodenständigen und Vaterländisch-Historischen in den Spielplänen zu etablieren.”
    Kommt mir sehr bekannt vor- schaut mal ins AFD- Kulturprogramm!

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