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Lüstern auf dem Neustädter Markt

Konzentriert beobachtete Klara Fensel die Bauarbeiter auf dem Neustädter Markt, die vor dem Rathaus einen Graben zogen. Mit Spitzhacken, Spaten und Schaufeln gingen sie zu Werke. Wahrscheinlich erneuerten sie eine Gasleitung, wie Klara vermutete. Doch das war ihr gleich. Was sie interessierte, waren die kleidungsfreien Oberkörper der meist jungen Männer, die an diesem heiteren späten Frühlingsvormittag Anfang Juni 1925 in der warmen Sonne bronzefarben glänzten.1 Unter der Haut strafften und entspannten sich die Muskeln im Rhythmus der Arbeit und machten die 38-jährige Hausfrau aus der Hauptstraße ganz wuschig.

Neustädter Markt - Postkarte von 1921
Neustädter Markt – Postkarte von 1921

Die Augen essen mit

Ihre Nachbarin Selma Schulze kam von einer Gemüsebude und sah Klara schon von Weitem. Schmunzelnd folgte sie deren Blick. „Kannst deinen Mund wieder schließen, liebste Klara. Du bist bei dem Anblick der Adonisse in den kurzen Hosen dort drüben hin und weg. Kann ich gut verstehen. Die sonnengebräunten Muskelpakete der Arme und Rücken, die straffen Bäuche und die strammen Waden, ohh“.

Aus ihrem Tagtraum gerissen, blickte sich Klara irritiert und verlegen um.

„Brauchst nicht rot zu werden, liebstes Klärchen“, bemerkte Selma belustigt. „Man darf sich doch noch ein wenig erfreuen an diesem Anblick“, und zwinkerte wissend. „Mein Franz hatte in jungen Jahren auch keine schlechte Figur. Inzwischen hat sich das Kapital, das er in seine Stammkneipe trug, als Rendite in Form von Hüftgold und Bauchspeck bei ihm angelegt. Aber es stört mich nicht. Dafür habe ich jeden Abend Brustsausen. Wenn ich den BH abmache, saust die Brust nach unten“, lachte Selma schelmisch und ihre Oberweite wippte mit.

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Wunsch und Wirklichkeit

„Ertappt. Ich weiß, Selma, aber man darf sich doch noch an der Schönheit junger männlicher Körper ergötzen. Mein Friedrich ist zwar schlank und sieht mit seinen 40 Jahren noch ganz passabel aus, aber als Schreibtischhengst ist er leider kein Muskelprotz. Deshalb trägt er auch gern weite Hemden. Die erzeugen eine Scheinmuskulatur. Naja, dafür rennt er nicht in die Kneipe, schaut nicht den jungen Weibern nach und fühlt sich am wohlsten, wenn er zu Hause seine Beine unter den Tisch stecken und sein Radio hören kann und ich ihn von hinten bis vorn bediene.“

„Gugge ma da.“ Selma wies nach links auf eine Gruppe sehr modisch gekleideter, sich gegenseitig neckender junger Pennäler2, wahrscheinlich vom Sächsischen Gymnasium auf der Holzhofgasse3. „Hach Klara, pass auf, dass dir dein Sabber bei deren Anblick nicht aufs Kleid kleckert. Außerdem sind die viel zu jung und unerfahren“, rief sie und lachte lauthals los.

Dann schauten beide mit verklärten Blicken wieder zu den arbeitenden Adonissen hinüber und Selma meinte, dass diese halbnackten Mannsbilder mit ihren von der Arbeit gebräunten, frei atmenden Oberkörpern besser aussähen als die mit Hemden. In denen setze sich der Schweiß fest und deren unappetitliche Duftnoten vergällen einem die ganze Lust auf eine nähere Bekanntschaft. Und Klara erwiderte darauf, dass es umgekehrt eine Augenweide in den Elbebädern sei, die die Jungen und Mädchen mit ihren modernen hautengen Badeanzügen böten.

Widersprüche und Konventionen

„Ziehen die aber wieder ihre Kleider, Hosen und Hemden an, dann verleiern sich mir oft die Augen, verschließt sich meine Nase und meine Zehennägel krempeln sich um“, bemerkte Selma pikiert. Diese Muffigkeit der ungewaschenen Bekleidungen sei ekelhaft. Mit einem Grinsen flüsterte sie verschmitzt und augenzwinkernd, dass es besser wäre, wenn diese Leute lieber im Adamskostüm herumlaufen würden.1

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„Was, ganz nackig? Richtig nackig?“ Klara schlug erschrocken die rechte Hand vor den Mund und echauffierte, dass das furchtbar wäre. „Was da alles so baumelt und schaukelt, schwabbelt und wippt. Wenn ich mir das so vorstelle, neee. Mir wird ganz schlecht bei diesen schamlosen Gedanken“, meinte sie. Klaras Gesicht wurde blass und sie war einer gespielten Ohnmacht nahe, während Selma laut losgaggerte.

Freikörperkultur

„Alles gut. Mach dir keinen Kopf, meine Liebe. Dem seien unsere Scham, unsere Gesetze, die Sittenpolizei, die Nachbarn und die Kirche davor. Es reicht schon der Anblick der Nacktbadenden der Freikörperbewegung an der Prießnitzmündung und an den Moritzburger Teichen. Niemand hat etwas gegen diese Schnuggels dort drüben, die mit freiem Oberkörper arbeiten. Aber denke nur mal, die würden so zu einem Abendessen bei dir erscheinen. Du würdest Schnappatmung bekommen.“

Dann schob sie süffisant nach und dabei ihre linke Augenbraue hebend: „Wenn dein Friedrich dann nicht zu Hause wäre, vielleicht auch nicht.“ Klara lief rot an und stand kurz vor einer Explosion.

Schnell versuchte Selma die Situation zu entschärfen. „Oder die andere Seite, wenn du im Badeanzug hier über den Neustädter Markt bummeln würdest. Das ginge gar nicht.“

Dem stimmte Klara, wieder beruhigt, zu. Obwohl sie im Innern ahnte, dass hinter Selmas Worten irgendeine Doppeldeutigkeit stecken könnte. Aber zum Streiten hatte sie keine Lust.

Alles im Wandel

Was in 50 oder 100 Jahren mal sein werde, wisse man sowieso nicht. Die Mode wandle sich stetig und die Konventionen änderten sich ständig. Darin waren sich beide einig.

„Vor dem Krieg war es noch unvorstellbar gewesen, meine Waden komplett in der Öffentlichkeit zu zeigen. Oder dass der Ausschnitt am Hals so tief sein würde, dass die Brüste Gefahr liefen, herauszupurzeln oder dass die Arme, wie jetzt im Sommer, komplett stofffrei sein würden“, bemerkte Selma. „Die Polizei würde mich sofort wegen unsittlichem Verhaltens in der Öffentlichkeit nach Paragraph was weiß ich verhaften und für die Nachbarn wäre ich eine gebrandmarkte Hure.“

Darauf wollte Klara eine bissige Bemerkung machen, so von ‚würde irgendwie passen‘. Aber bei dem bösen Blick von Selma verkniff sie sich selbige. Einig waren sich beide Freundinnen darin, dass sie froh seien, dass man in diesen Zeiten dem Körper mehr Luft und Sonne zukommen lassen dürfe, dass die Korsetts nicht mehr die innere Ordnung von Leber, Magen, Nieren, Milz und Gedärme anatomisch veränderten und dass man mit den langen Kleidern keine kostenlose Hilfskraft der städtischen Straßenreinigung mehr sei.

Und so gönnten sie sich noch einen genussvollen Anblick der freien Oberkörper der arbeitenden Klasse vor dem Neustädter Rathaus, ehe sie sich mit einem Seufzer wieder ihren häuslichen Aufgaben zuwandten.

Anmerkungen des Autors

1 Dresdner Nachrichten vom 6. Juni 1925
2 alte Bezeichnung für Gymnasiasten
3 Das Gebäude wurde in den Bombennächten im Februar 1945 zerstört, abgetragen und nicht wieder aufgebaut.


Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür durchstöbert der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Der vorliegende Text ist literarischer Natur. Grundlage bilden die recherchierten Fakten, die er mit fiktionalen Einflüssen verwebt.

Ergänzungen gern, aber bitte recht freundlich.

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