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Blackbox erinnert an DDR-Schicksale

Sozialministerin Petra Köpping (SPD) hat heute auf dem Gelände des Sozialministeriums die mobile Ausstellung „Blackbox Heimerziehung“ eröffnet. Dieses mobile Museum ist ein Seecontainer mit einer Ausstellung im Innen- und Außenbereich, mit dem die Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau an das repressive Heimsystem der DDR und die jugendlichen Opfer sozialistischer Umerziehung erinnert.

Mobile Ausstellung "Blackbox Heimerziehung" erinnert an Schicksale von Kindern und Jugendlichen.
Mobile Ausstellung „Blackbox Heimerziehung“ erinnert an Schicksale von Kindern und Jugendlichen.

Der Container steht unmittelbar hinter dem Sozialministerium an der Erich-Ponto-Straße. Bei der Eröffnung heute sprach unter anderem Alexander Müller, der als Kind und Jugendlicher mehrere Jahre im Jugendwerkhof Torgau und anderen Heimen eingesperrt war, darunter 1983 in dem Dresdner Durchgangsheim auf der Glacisstraße.

Dieses sogenannte Durchgangsheim wird in der Ausstellung besonders thematisiert. 1951 wurde es in Dresden-Wachwitz eröffnet. Im Laufe der Jahre zog es mehrfach um, 1963 in die Döbelner Straße 54 und 1977 in die Togliattistraße 30 (heute Glacisstraße) in der Nähe des heutigen Sozialministeriums.

In den Räumen des heutigen Heinrich-Schütz-Konservatoriums befand sich einst das Durchgangsheim.
In den Räumen des heutigen Heinrich-Schütz-Konservatoriums befand sich einst das Durchgangsheim.

In Durchgangsheimen wurden Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren vorübergehend untergebracht, bis über ihren weiteren Lebensweg entschieden wurde. Aufgrund strenger Vorschriften waren diese Heime gefängnisähnliche Einrichtungen und eine Unterbringung immer mit Freiheitsentzug verbunden.

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Folter und Zwangsarbeit

Während der Eröffnung meldet sich ein älterer Mann zu Wort. In drastischen Worten beschreibt er die Zustände in dem Heim. Zugemauerte Fenster, keine Lichtschalter, Strafstehen, nächtliche Kniebeuge bis zum Umfallen, psychische Folter, Zwangsarbeit. 1977 war er hier eingesperrt. Bis heute sei er nicht rehabilitiert und auch nicht entschädigt.

Die Stadt Dresden schaffe es noch nicht einmal eine Tafel an dem Haus anzubringen, das heute vom Heinrich-Schütz-Konservatorium, einem Eigenbetrieb der Stadt genutzt wird. Genau zu diesem Thema hat die AfD-Fraktion einen Antrag eingereicht. Im Stadtbezirksbeirat Neustadt wurde der ohne Diskussion abgelehnt (Neustadt-Geflüster vom 14. November 2023).

Die Schwierigkeiten mit der Rehabilitierung bestätigt auch Alexander Müller. Seine beeindruckende Geschichte ist in einem Artikel der Magdeburger Volksstimme oder im DDR-Zeitzeugenportal nachzulesen.

Im Inneren der Ausstellung.
Im Inneren der Ausstellung.

Sozialministerin Köpping betonte, dass es wichtig sei, dieses Kapitel der DDR-Geschichte nicht zu vergessen und sich der Schicksale der Kinder und Jugendlichen zu erinnern. Die Blackbox schaffe Aufmerksamkeit. „Zwischen 1949 und 1989 durchliefen etwa 135.000 Kinder und Jugendliche dieses System der repressiven DDR-Spezialheime“, so Köpping. Sie wünscht sich, dass das mobile Denkzeichen hier am Sozialministerium von vielen Menschen besucht wird und eine Plattform für die Auseinandersetzung mit der Geschichte schafft.

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Blackbox Heimerziehung

  • Die Ausstellung kann noch bis 7. Dezember 2023 am Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt montags bis sonnabends zwischen 10 und 16 Uhr besucht werden. Der Eintritt ist frei. Der Zugang zur Ausstellung erfolgt über die Erich-Ponto-Straße.
  • Weitere Informationen: www.blackbox-heimerziehung.de

13 Kommentare

  1. Bla bla bla, das war in großen Teilen das Pendant zum heutigen Jugendstrafrecht. Nur, dass da eben auch ein Teil Strafe drinsteckte. Einen solchen Überflieger hatten wir, wenn er wieder nach Hause durfte oder er sich selbst Ausgang genehmigte in unserem Haus wohnen. Die Familie wurde seiner, alkoholbedingt einfach nicht mehr Herr. Diebstahl und gewaltsames Durchsetzen seiner „Wünsche“ waren an der Tagesordnung. Bis er dann fürs nächste Viertel- oder Halbejahr wieder abgeholt wurde. Ein Unschuldslamm oder Waisenknabe jedenfalls war er nicht.

  2. Nachdem solche Boxen sicher in vielen westdeutschen Städten stehen, ist es zu begrüßen, dass nun auch in DD eine aufgestellt wurde…
    Dass bundesdeutsche Kinderheime mindestens über die ersten drei Jahrzehnte der jungen Republik hinweg alles andere als ein Zuhause waren, ist kein Geheimnis mehr. Als man endlich damit begann, sich um die Zustände in staatlichen wie kirchlichen Einrichtungen zu kümmern, stieß man auf ein System struktureller Gewalt: Kinder wurden verwahrt, gedrillt, mit Strafen überschüttet und gepeinigt, anstatt ihnen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.

    Im Roman erleben wir das Grauen hautnah mit. Für angebliche Vergehen wie Nichtaufessen, Bettnässen oder Sprechen beim Mittagessen erleben die Kinder Schreckliches: Sie müssen mit Bibeln auf ausgebreiteten Armen stundenlang in der Ecke stehen, ihr Erbrochenes essen oder werden für Aufsässigkeit mit Waterboarding (das hier natürlich nicht so heißt) bestraft. Dem liegt ein Erziehungskonzept zugrunde, das die Zucht und Ordnungsmentalität Nazideutschlands fortsetzt.

    Sylvia Wagner: Heimgesperrt. Missbrauch, Tabletten, Menschenversuche: Heimkinder im Labor der Pharmaindustrie. Correctiv-Verlag, Essen 2023, 20 Euro

  3. @Echt? Die Box zieht von Stadt zu Stadt. In Leipzig zum Beispiel stand sie direkt im Stadtzentrum am Nikolaikirchhof. Bevor die Box hinters Sozialministerium zog, stand sie auch zwei Tage vorm Landtag.

  4. Hallo Jens, im Gegensatz zum heutigen Jugendstrafrecht fehlte bei dem Heimsystem in der DDR das Recht. So wurde zum Beispiel der oben erwähnte Alexander Müller während der ganzen Jahre nie wegen irgendeines Deliktes verurteilt, noch nicht einmal angeklagt. Was mir aus Deiner Schilderung nicht so ganz klar ist, hatte die Familie Alkohol-Probleme oder der, wie Du ihn nennst „Überflieger“. Und wenn Du ihn nicht als „Unschuldslamm“ erlebt hast, hast Du Dich eventuell mal gefragt, warum er so war?

    Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Mitschüler, der für zwei Jahre in meiner Klasse war. Maik hieß er. Er hatte von vornherein keine Chance, weil er aus einem Heim kam. Lehrer behandelten ihn strenger, Eltern rieten uns vom Kontakt zu ihm ab. Natürlich war er laut im Unterricht und störte. Natürlich war er prompt auch in eine Schlägerei verwickelt. Ob er Angreifer oder Opfer war, war egal. Maik war schuld. Und natürlich kam er dann nach den zwei Jahren in den Jugendwerkhof. War ja die einfachste Lösung. Dass sich jemand Zeit für ihn genommen hätte, wäre ja zu viel verlangt gewesen.

    Hallo Seldon, vielen Dank für den Hinweis. Ich hoffe, dass Du mit dem Verweis nicht das Unrecht in den DDR-Heimen relativieren willst.

  5. Hallo Anton, immer wieder gern. Nein, es gab Unrecht, hüben wie eben drüben. Dessen Aufarbeitung tut not. Aber eben nicht einseitig und selektiv. Wenn man sich bspw. die Entschädigungsfonds für Heimgeschädigte Ost vs West anschaut, könnte man sonst schon auf die Idee kommen, nur im eh bösen Osten wäre Unrecht geschehen…

  6. Die Stadtbezirksbeiräte, welche in der letzten Sitzung die Aufarbeitung zum Durchgangsheim diskussionslos ablehnten, sollten sich in Grund und Boden schämen. Wenn wir dahin kommen, dass Unrecht und Kindesmisshandlung nur noch gilt, wenn es nicht von der falschen Seite adressiert wird, können wir als Gesellschaft einpacken. Die Ablehnung aufseiten der Rechtsnachfolger der Täter überrascht dabei nicht, die der ansonsten weitgehend integeren grünen Bezirksräte hingegen sehr.

  7. @Thomas: Das hat mich auch sehr erschreckt; diese reflexartige Ablehnung ohne Diskussion. Gerade bei der heutigen, öffentlichen Nutzung, zumal als Ort für Kinder und Jugendliche, wäre es total wichtig und naheliegend, auf die frühere Nutzung hinzuweisen. Ich bin so oft dort und wusste davon nichts …

    Empfehlen kann ich zu dem Thema den bewegenden Kurzfilm „BIEGEN UND BRECHEN“ von Mike Plitt und Falk Schuster, der u. a. beim diesjährigen Filmfest Dresden lief. Der Film kann noch bis 3.12. beim Online-Filmfestival Dreiländereck angeschaut werden. (https://www.kurzfilmfest-dreilaendereck.de/festivalprogramm – Programm 3)

  8. @Lotte: Danke für den Hinweis. Der Alexander, um den es in dem Film geht, ist der selbe, wie oben im Artikel zitiert.

    Ein beeindruckender und gleichzeitig bedrückender Kurzfilm.

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