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Lichterkinder im Juli am Elbufer

Der schöne Schein

Dazu bot das Salonblatt, das Blatt der Reichen und Schönen der Hauptstadt des Freistaates Sachsen im Jahre 1921 reichlich Stoff. Was machte man, wenn die Zeiten nicht so prickelnd sind, wie sie sein sollten? Man sperrte das Böse aus, verbannte es aus dem Kopf.

Salonblatt - Moderne illustrierte Wochenschrift für Gesellschaft, Theater, Kunst und Sport.
Salonblatt – Moderne illustrierte Wochenschrift für Gesellschaft, Theater, Kunst und Sport.

Man vergnügte sich. Kleidete sich nach der neuesten Mode. Nutzte die neuen Freiheiten der ungeliebten Weimarer Republik. Liebte, naschte und vernaschte, tratschte und schmiss die dahinwelkende Papiermark für coole Drinks, wilde Partys, schöne Damen und fesche Herren hinaus, ehe die Inflation eine weitere Null dranhängte. Als wenn es kein Morgen gäbe. Im tiefsten Innern war da wohl eine diffuse Ahnung, dass der neue Spaß nicht ewig dauern würde. Ein starker Gegensatz zu breiten Kreisen der nach dem Krieg verarmten Unter- und Mittelschichten.

Neue Mode für die neue Frau und dem neuen Mann

Die Frau des Jahres 1921 war anders als ihre Vorkriegsschwester. Das Wahlrecht war erkämpft, das Selbstbewusstsein, vor allem in der Ober- und oberen Mittelschicht war gewachsen, obwohl von einer echten Gleichberechtigung noch keine Rede sein kann.

Die Mode wandelte sich. Das Mieder verschwand, die Röcke wurden kürzer, ebenso die Haare. Das Salonblatt schrieb in seiner Nr. 1 des Jahres 1921: „Als die Mode zu Ende der vorigen Saison den hüllenlosen, französischen Rücken lancierte, spielte sie unbestritten einen ihrer größten Trümpfe aus.“

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Zaffaran, bring Würze in dein Leben

Sattes Grün und temperamentvolles Gelb traten in diesem Frühjahr in den Vordergrund. Im Sportlichen verbanden sich geschickt das Zweckmäßige und das Dekorative. Mützen schützten und dicke Schals hielten in dem Restwinter warm.

Und auch das Untendrunter wurde sexy, modischer, reizender. Die Unterröcke wurden zu einem Hauch und die Nachthemden tauschten sich gegen Pyjamas ein.

Bei den Herren von Welt setzte sich der biedermeierlich taillierte Gehrock durch. Schließlich musste man sich vom einfachen Angestellten unterscheiden. Aber mehr Farbe traute sich der wohlsituierte Herr doch nicht. Braun, Blau, Grau, Schwarz, das waren die Männerfarben. Und natürlich strahlendes Weiß für die gut gestärkten und gebügelten Hemden.

Oben mit Hut - unten zeigte die Frau von Welt Bein bis zum Knie.
Oben mit Hut – unten zeigte die Frau von Welt Bein bis zum Knie.

Neuer Lebensstil in Stilblüten

Offener, erotischer, spaßiger – das waren die Zeichen, um diesen, für Viele doch recht trüben Zeiten zu begegnen. Das Salonblatt beglückte seine größtenteils weiblichen Leserinnen und die wenigen lesenden Herren in jeder der wöchentlichen Ausgaben mit ‘Unnützen Randbemerkungen’.

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Archiv der Avantgarden

    „Sentimentale Liebeserklärungen erinnern mich stets an Spieldosen. Beide haben so etwas Unwirkliches im Klang.“
    „Nur ungeschickten Männern wird ein Kuss verübelt.“
    „Es ist leichter, mit zehn Männern befreundet zu ein, als mit drei Frauen.“
    „Auch der ernsthafteste Mann ist für geschickte Schmeichelei aus schönem Munde empfänglich.“
    „Fröhliche Stimmung ist an echtesten, wenn sie mit einem möglichst geringen Maß von Alkohol erzeugt wird. Das ‚Zuviel‘ wirkt so entsetzlich abstoßend.“
    „Behandle Männer wie verwöhnte kleine Kinder, und sie fühlen sich in der Rolle des ‚Mannes‘ besonders wichtig.“
    „Von manierlosen Leuten profitiert man mehr als von drei Kursen Anstandslehre.“

Fasten – die kleine Pause für Zwischendurch

Naja, stimmte so nicht ganz. Wenn die Dame von Scheinwelt schon mal auf den Champagner verzichten sollte, weil gerade Fasten angesagt oder Leber und Magen verrücktspielten oder weil die Freundinnen beschlossen hatten, es mal ein paar Tage vegetarisch zu versuchen, dann wurde das Abenteuer gewagt. Aber mit Stil. Und auf die Freuden für den Gaumen musste nicht wirklich verzichtet werden.

In den Illustrierten gab es den neuesten Look.
In den Illustrierten gab es den neuesten Look.

Wie wäre es mit einem Süppchen aus Butternocken, Klößen von geräuchertem Rheinsalm. Für den nächsten darbenden Fastengang empfahl der Chefkoch Trüffeln vom Erzfeind aus Frankreich, mit italienischen Sardellen gefüllte Oliven sowie weich gedämpfte, blättrige Morcheln. Oder Artischocken in Holländischer Soße. Als die eigentliche Fastenspeise waren jedoch Fondues sehr beliebt. Als Nachtisch offerierte die „Armenküche“ Kaiserschmarren oder einen Strudel mit unterschiedlicher Füllung.

Da nahm man schon beim Lesen der Speisekarte ab, die Zucker- und Cholesterinwerte regulierten sich freiwillig auf ein Normalmaß ein und die Leber freute sich auf den nächsten Ball.

Damen- und Herrenmode zu Urgroßvaters Zeiten.
Damen- und Herrenmode zu Urgroßvaters Zeiten.

Und abends ins Alberttheater

Das Haus bot im Februar 1921 das entsprechende Bühnenstück für die Damen der großen Dresdner Gesellschaft, quasi als Beipack zum Fasten. Spöttisch bezeichnet das Salonblatt die Aufführung „Flamme“ von Hans Müller (den heute keiner mehr kennt) als wahres Dirnenstück. Nun ja, wer möchte schon in diesen Zeiten schwere Kost genießen. „Die Flamme dieses Stückes steigt nicht lauter von Apollons Altar zum Himmel empor – sie schwelt und flackert und zuckt aus trübem Qualm und riecht dabei bedenklich nach den übertriebenen Parfüms, wie sie die Priesterinnen der Venus bevorzugen.“

Der Inhalt: Ein junger Wiener Komponist lernte eine Dirne lieben, brachte sie aus dem Bordell zu seiner Mutter, konnte sie aber trotz aller herzenstreuer Liebe nicht vor der ‚Flamme‘ in ihrem Blute retten. Sturzbäche von Tränen befeuchteten Berge von Taschentüchern und den Boden des Alberttheaters, so dass dort die Gefahr der Schimmelbildung bestand. Das Fazit fiel entsprechend aus. „Im Meer kann man Wesen bewundern, die prachtvoll zartfarbig und graziös wie lebende, schöngeformte Glocken hin und her wallen. Greift man entzückt danach, so hält man eine Handvoll widerlichen, übelduftenden, grauen Schleim.“

Und die Damen und Herren der Dresdner High Society fieberten dem nächsten Ball entgegen. Titanic ist immer.

3 Kommentare

  1. Vielen Dank an Jens und Anton. Da ab kommenden Montag die Buchhandlungen wieder öffnen, nichts wie hin. “Schaufenster Dresden” heißt das kleine Buch, auch im Internet bei Thalia und Amazon zu erhalten. Der nächste Band ist in Vorbereitung.

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