Ein sichtlich zerknirschter Ordnungsbürgermeister trat heute Nachmittag vor die Presse. „Wir können mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein“, sagte Detlef Sittel (CDU). Denn als heute Nacht um halb Fünf die letzten Wahlvorstände die Arbeit einstellten, waren noch nicht alle Stimmen ausgezählt. Es fehlen noch die Stimmen aus insgesamt sechs Lokalen. Damit ist die öffentliche und legitimierte Wahlauszählung unterbrochen.
Die Stadtverwaltung darf die Stimmen nicht auszählen. Das darf erst wieder der Wahlausschuss. Der ist planmäßig für den 11. und 12. Juni zur öffentlichen Sitzung einberufen. Normalerweise hätte der Ausschuss nur die Ergebnisse überprüft, nun muss eventuell noch ausgezählt werden, vielleicht auch nur die ausgezählten Stimmen ins System eingetragen werden. Auf jeden Fall gibt es vor dem 11. Juni kein amtliches Endergebnis, das bestätigte Bürgermeister Sittel heute in der Pressekonferenz. So etwas ist in der Geschichte der Kommunalwahlen seit 1990 noch nicht vorgekommen.
„Ein herzliches Dankeschön geht an die ehrenamtlichen Wahlhelfer für ihren Einsatz am gestrigen Tag! Nicht nur die hohe Wahlbeteiligung, auch die erstmals durchgeführte Stadtbezirksbeiratswahl haben diesen Wahlsonntag zu einer großen Herausforderung werden lassen“, sagt Oberbürgermeister Dirk Hilbert. „Viele Wahlvorstände waren bis tief in die Nacht beschäftigt und stellten sicher, dass der größte Teil der Wahllokale auch ausgezählt ist. Ohne dieses ehrenamtliche Engagement wäre die Organisation und Durchführung der Wahl nicht möglich gewesen.“ Insgesamt gab es 365 Urnenwahlbezirke und 139 Briefwahlbezirke. „Der engagierte Einsatz aller Beteiligten ist ein sehr gutes Zeichen für unsere Demokratie und kann nicht genug gewürdigt werden,“ so Oberbürgermeister Dirk Hilbert.
Wahlbeteiligung 68,6 Prozent
Rund 430.000 Wahlberechtigte waren zum Gang an die Urnen aufgerufen. Rund 90 500 von ihnen beantragten Briefwahl, bei den Europa- und Kommunalwahlen 2014 waren es etwa 40 000 weniger. Laut vorläufigem Ergebnis haben sich 68,6 Prozent der Wählerinnen und Wähler an der Europawahl beteiligt – nach jetzigen Erkenntnissen ein sehr hoher Wert auch im Vergleich mit anderen Kommunen in Sachsen und Deutschland. Für die Kommunalwahlen stehen die Zahlen noch nicht fest. Über die hohe Wahlbeteiligung freute sich auch Bürgermeister Sittel, das sei ein Sieg für die Demokratie.
Aber eben jene hohe Wahlbeteiligung brachte es auch mit sich, dass die Wähler*innen teilweise bis zu zwei Stunden warten mussten. Einige konnten ihre Stimme erst nach 18 Uhr abgeben. Sittel: „Wer im Wahlraum war, durfte wählen“. Die Wahlhelfer*innen haben in der Regel die Schule bzw. den Kindergarten als Wahlraum ausgelegt.
Sittel brachte die Überlegung ins Spiel, dass man künftig vielleicht von vornherein eine Auszählung der Stadtbezirksbeiratswahl an einem Folgetag planen könne. Die nächste Wahl ist im September die Landtagswahl, die ist, so Sittel „praktisch, rechtlich und organisatorisch einfacher“.
Für die Stadtratskandidat*innen ist diese Verzögerung nun ein ziemliches Dilemma, da es noch etliche Fälle gibt, in denen der Einzug auf der Kippe steht. Selbst die Mehrheitsverhältnisse können sich noch leicht verschieben.
Zwischenergebnisse der Stadtratswahl
Da gegenwärtig nur 498 der 504 Urnen- und Briefwahlbezirke ausgezählt wurden, handelt es sich bisher um Zwischenergebnisse, die sich noch verändern können.
Stärkste Partei wurden die Grünen mit 20,4 Prozent (2014: 15,7), gefolgt von der CDU mit 18,3 Prozent (27,6), der AfD mit 17,1 Prozent (7,0) und den Linken mit 16,2 Prozent (20,9). Während die AfD und die Grünen somit deutlich zulegen konnten, mussten CDU und Linke Stimmenverluste hinnehmen. Die weiteren Parteien und Wählervereinigungen folgen mit deutlichem Abstand: SPD 8,8 Prozent (2014: 12,8), FDP 7,5 Prozent (5,0), Freie Wähler 5,3 Prozent, Piraten 2,4 Prozent (3,3), die Partei 1,8 Prozent (0,9), Freie Bürger 1,5 Prozent und die NPD 0,6 Prozent (2,8).
Vorläufig verteilen sich 70 Sitze auf die Parteien wie folgt:
GRÜNE 15 Sitze, CDU 13 Sitze, DIE LINKE und AfD zwölf Sitze, SPD sechs Sitze, FDP fünf Sitze, Freie Wähler, Piraten, Die Partei und die Freien Bürger jeweils ein Sitz. Die NPD wäre demnach nicht mehr im Dresdner Stadtrat vertreten.
Die Zwischenergebnisse sind zu finden unter www.dresden.de/wahlen
Nachtrag 28. Mai
Die Stadtverwaltung hat nun doch ein vorläufiges amtliches Endergebnis bekannt gegeben – siehe hier.