Als Heinz Kühne im Juli 1979 in seiner „Rendsburg“ in der Louisenstraße, Ecke Kamenzer, in den Ruhestand ging, endete eine Ära in der Gastronomiegeschichte Dresdens. Seitdem er das Haus nach dem Zweiten Weltkrieg von der zweiten Frau seines Vaters Erwin Kühne übernahm und es genau zwei Jahre nach der Zerstörung Dresdens wieder eröffnete, machte er diese „Rendsburg“ zu einem weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Hotel und Restaurant.

Die Neuorientierung
Und diese 1940er und 1950er Jahre waren nicht leicht. Es gab so gut wie nichts. Mit Pferdewagen wurde von den Brauereien das Bier herangekarrt. Von Bauern aus der Umgebung besorgte er sich Fleisch, Getreide und Gemüse. Die Gäste bezahlten mit Lebensmittelmarken und der inflationären alten Reichsmark. Der Schwarzhandel blühte. 1946 wurde Heinz Kühne erwischt, als er neben seinem zugewiesenen, recht schmalen Kontingent an Lebensmitteln seinen Gästen etwas Besonderes bieten wollte.
Wegen Schwarzkaufs von Lachspastete und einer Schreibmaschine wurde er zu einer Geldstrafe von 1.464 Mark verurteilt. Aber die Schwierigkeiten lagen auch auf anderen Gebieten. So fiel des Öfteren der Strom aus. Dafür standen dann Kerzen auf den Tischen. Und Sperrstunden behinderten das Geschäft.

Im Jahr der Gründung der DDR, 1949, bot Heinz Kühne für die armen alten Menschen in der Umgebung ein warmes Mittagessen an. Sie mussten nur einen Löffel mitbringen.
Kühnes Erfahrungen
Im Laufe der folgenden Jahre besserten sich die Verhältnisse. Heinz Kühne wagte den Spagat zwischen einer Wohngebietskneipe in der Dresdner Neustadt mit all ihren Begleiterscheinungen und einer gehobenen Gastronomie. Schließlich hatte er durch seine Wanderjahre in den 30er Jahren in London, Rom, Paris und in Südamerika gastronomische Luft geschnuppert und Erfahrungen gesammelt. Die großen Häuser in der Dresdner Innenstadt gab es nicht mehr, und er machte die „Rendsburg“ zum ersten Haus am Platze in der Äußeren Neustadt.

Das sprach sich herum und viele auswärtige und auch internationale Besucher, vor allem Künstler, stiegen hier ab – so neben vielen anderen die „Vier Brummers“, Eberhard Cohrs oder Heinz Quermann. Die Hotelbar war oft bis in die frühen Morgenstunden belagert. Dementsprechend konnte man bis nachmittags frühstücken.
Alte Traditionen
Das Haus an der Louisenstraße, Ecke Kamenzer, hatte eine lange Tradition hinter sich. Eine erste urkundliche Erwähnung gab es 1645. Ein Korbflechter und Weidner namens Johann Martin Paulus bekam, wie aus einer alten Chronik hervorging, die Lizenz, „an vorüberziehende Wanderer, fahrende Leute und so das Bedürfnis war“, Trunk und Wegzehrung anbieten zu dürfen. Im Laufe der Zeit wurde um-, an- und aufgebaut, den Kriegen und Besatzungen getrotzt. Im Jahre 1797 wurde der Gasthof mit dem neuen Namen „Bei dem letzten Willen“ erwähnt.

Als aus dem „Letzten Willen“ die „Rendsburg“ wurde
Ein weiteres einschneidendes Datum in der Geschichte des Hauses war das Jahr 1865. Sieben Jahre zuvor heiratete ein gewisser Johann Karl Gottlieb Philipp, gebürtig aus Schullwitz, der in der Antonstadt (heute Äußere Neustadt) bereits mehrere Grundstücke besaß und somit selbst die Bürgerrechte hatte, die den Gasthof führende Henriette Wilhelmine, verwitwete Kunze. Durch Ratsbescheid vom 5. Juli 1865 erhielt der Gasthof mit Herberge den Namen „Stadt Rendsburg“. Der Name war tatsächlich von der in Holstein befindlichen Stadt abgeleitet. Anscheinend war Philipp im Jahre 1864 als Korporal im Deutsch-Dänischen Krieg dort stationiert und hatte gute Erinnerungen daran. 1883/84 wurde das alte Haus abgerissen und ein neues, größeres an dieser Stelle errichtet.
Die „Stadt Rendsburg“ wurde während des Kaiserreiches ein gutgehendes Restaurant und Hotel für die prosperierende Mittelschicht in der Antonstadt.
Die Tiefschläge des 20. Jahrhunderts
Immer wiederkehrende Tiefschläge, wie die Kriegsjahre 1914 bis 1918, die Auseinandersetzungen um die politische Macht in der Weimarer Republik in den 20er Jahren, die Hyperinflation, das NS-Regime und die Zerstörung Dresdens am Ende des 2. Weltkrieges brachten die Inhaber immer wieder an den Rand der Geschäftsaufgabe. 1927, in der kurzen Zeit der sogenannten Goldenen Zwanziger, übernahm der Vater von Heinz Kühne, Erwin Kühne, die Gastwirtschaft als Inhaber und dann die gesamte Immobilie, die zeitweise dem Bäcker in der Kamenzer Straße 1 gehörte, am 1. September 1930.
Und in den 30er Jahren begannen für den Sohn Heinz Kühne die Lehr- und Wanderjahre durch die ganze Welt. Zum Glück überlebte er unversehrt als Soldat den Zweiten Weltkrieg.
Drehort für DEFA und MDR
Die „Rendsburg“ und die angrenzende Louisenstraße waren in den frühen 50er Jahren Schauplatz für den DEFA-Film „Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse“ (Premiere 1954). Gedreht wurden dort die Ereignisse vom sogenannten Roten Oktober in Dresden 1923, als die KPD eine Sowjetrepublik Sachsen errichten wollte. Der Regisseur Kurt Maetzig logierte in der „Rendsburg“ und genoss des Öfteren seinen Kaffee gemeinsam mit Heinz Kühne an einem Tisch vor dem Restaurant.
In den 90er Jahren diente eines der Hotelzimmer als Drehort für einen Krimi des MDR.

Der sozialistische Staat greift durch
Ein ungewollter Standortvorteil war die durch die Zerstörung der Innenstadt fehlende gastronomische Infrastruktur. Heinz Kühne erkannte aber, dass man stets mit den Anforderungen der Zeit gehen und investieren muss. Vom Marketing und der Betreuung der Gäste verstand er etwas. Und das zahlte sich aus. Bald hatte das Haus 20 Angestellte. Zu groß für ein privatwirtschaftliches Unternehmen. 1961 musste er mit der HO einen Vertrag über die staatliche Beteiligung abschließen. Sozialistische „Gepflogenheiten“ hielten Einzug. Ende der 60er Jahre entstand die Brigade „Neues Leben“, und Ende der 70er Jahre errang man den Titel „Brigade der Sozialistischen Arbeit“. Da gab’s auch für jeden Mitarbeiter eine nicht zu verachtende Zulage bei der Jahresendprämie.
Unbekannte Moderne
Das Hotel wurde je nach Finanzlage, Materialversorgung und Handwerkerkapazitäten immer wieder modernisiert. Bis weit in die Sechziger hinein (teilweise bis in die Neunziger) befanden sich jedoch Bad und Toilette außerhalb der Zimmer. Aber frühzeitig gab es in einigen Zimmern Bidets, die hierzulande nahezu unbekannt waren. Sie dienten der Hygiene nach dem Toilettengang. Das Hotelpersonal musste leider immer wieder feststellen, dass diese Einrichtung als Toilette für die großen und kleinen Geschäfte zweckentfremdet worden war.

Mit dem Ruhestand von Heinz Kühne im Juli 1979 endete vorerst die Dynastie der Gastronomen der Familie Kühne in Dresden als Eigentümer, und die seit 1961 bestehende staatliche Beteiligung. Das „Restaurant und Hotel Stadt Rendsburg“ ging in das sogenannte Volkseigentum über.
Erst mit der Wende übernahm die Tochter Regina Knöfel in dritter Generation das Haus und führte es bis zum 31. Dezember 1999 weiter. Sohn Björn Knöfel schob als Student immer wieder Dienste an der Hotelrezeption und erwirtschaftete für sich ein Zubrot zum Taschengeld. Aus sogenannten rechtlichen Gründen konnte Regina Knöfel Immobilie und Restaurant nicht übernehmen. Das war das Ende des familiengeführten Unternehmens.

Heute herrscht im Gebäude quirliges junges Leben. Aus der alten „Stadt Rendsburg“ wurde das Hostel „Mondpalast“. Einmal jedoch suchten Björn Knöfel mit seiner Frau für ein Wochenende das Hostel auf. An diesem Tag feierte die Tochter mit ihren Freunden ihren 18. Geburtstag in der elterlichen Wohnung. Und dieser Unruhe wollten die Knöfels entfliehen.

















Wie schön! Wir hatten es schon mal gehört wie der „Mondpalast“ früher hiess. Jetzt wissen wir ja auch, dass wir das einem Korporal zu verdanken haben, der in „Holstein“ gekämpft hat. Es verbindet uns sehr viel mit Rendsburg. Danke für den Beitrag!
Ein toller Artikel mit sehr schönen Fotos.
Im übrigen liebe ich es diese alten Straßenbilder zu sehen, wo noch Menschen statt Autos das Bild prägen. So viel Platz für die Menschen. Wie schön das ist.
Die markanten Fenstergiebel im 1.OG fallen sofort ins Auge, und tatsächlich, es gibt sie nicht mehr. Streetview: https://maps.app.goo.gl/8dBW2ZqXgufdu5XQ6
Und wenn man drüber nachdenkt, ist es auch besser so, die massiven Giebel paßten nicht zum Straßenzug – früher nicht, und heute auch nicht.
„in der Antonstadt (heute Äußere Neustadt)“: heißt auch heute vorrangig und historisch korrekt „Antonstadt“, denn es ist nunmal die Vorstadt König Antons. Nur in der DDR-Zeit kam der Schwenk auf, weil man auch eine „Innere Neustadt“ habe. Das war eine ddr-verwaltungsseitig eingeführte Neu-Bezeichnung. Aber es blieb immer die Antonstadt, wie es Friedrich und Johann auch gab und gibt (Augustusstadt als Südvorstadt hingegen kam nie zustande). „Äußere Neustadt“ ist out, es gibt ja auch keinen äußeren Prenzlberg oder äußere Johannstadt. Amen.