Vor knapp vier Jahren mussten die Bewohner*innen der Rudolf-Leonhard-Straße 1 ausziehen. Bis dahin gab es hier ein buntes Gemisch an Leuten, Kunst, Musik und wildes Leben. Eigentlich wollten sie das Haus damals selber kaufen, das hatte nicht geklappt.
Der ehemalige Eigentümer hatte das Haus nach Konflikten um Mietverträge an einen Projektentwickler verkauft. Kurzzeitig gründeten die Mieter*innen eine Initiative, hofften auf eine gemeinsame Lösung. Die blieb aber aus. Trotzdem: zur Abschiedsparty in der Rule 1 kam der ehemalige Eigentümer sogar mit hin, das Ende war zwar nicht ohne Wehmut, aber doch versöhnlich (Neustadt-Geflüster vom 31. Mai 2021).
Ungeklärter Brand
Zwei Jahre später, im März 2023, standen dann die Schuttcontainer vor dem Haus in Flammen. Die Feuerwehr konnte seinerzeit verhindern, dass Menschen zu Schaden kamen und die Flammen auf die Nachbarhäuser übergriffen. Die Polizei hatte wegen Brandstiftung ermittelt, aber bislang wurde noch kein Täter gefasst. Daher bleibt unklar, ob es fahrlässige Brandstiftung, ein dummer Streich oder ein gezielter Protest gegen die Gentrifizierung des Hechtviertels war.
Inzwischen ist das Haus durchsaniert. Das Erdgeschoss ist inzwischen schon wieder mit großen Silberlettern beschmiert. Nichtsdestotrotz ist das Haus gut bewohnt, bis unters Dach ist Leben im Haus. Wer die alte Rule 1 kannte, wird sich noch an die wunderbaren Graffiti im Haus erinnern, unter anderem namhafte Künstler wie Optic Ninja haben sich im Treppenhaus verewigt, auch die inzwischen zugebaute Brandmauer war ein Kunstwerk.
Einen Hauch dieser Kunst kann man nun noch im Hausflur sehen. Denn zwar ist alles sauber und schick geworden, aber die größten Graffiti haben die Bauarbeiter gelassen, so dass man nun wie durch eine Galerie wandelt – Gentrifizierung in Perfektion.
17 Euro Kaltmiete – pro Quadratmeter
Drei Wohnungen sind noch zu haben, zumindest gibt es bei einer Maklerin entsprechende Angebote. Da ist die Rede von modernem Design-Fussboden, gediegenem Altbauflair, ein wahres Juwel sei dies im Hechtviertel. Die Vier-Zimmer-Wohnung gibt es für 1.850,- Euro plus Nebenkosten, ergibt eine ine Kaltmiete von 17 Euro pro Quadratmeter. Der tägliche Kunstgenuss ist inklusive.
17 Euro pro qm, das wird den Mietspiegel schön nach oben treiben. Verantwortung fürs Viertel sieht anders aus, Gentrifizierung allerdings sieht genauso aus.
Ich könnte im Strahl kotzen
Warum kauft ihr euch nicht selbst paar Wohnungen und vermietet sie dann für lau?
…weil ihr dann mal merkt, was es heißt Vermieter zu sein. Vor allem verantwortlich dafür zu sein, das andere eine ordentliche Wohnung haben. Sich zu kümmern, wenn es Probleme gibt.
Ihr sollte froh sein, dass es noch private Vermieter gibt.
Schöne Sache mit der Galerie im Haus, hätt‘ ich gar nicht erwartet.
Wie schaut denn der Hof jetzt aus?, wobei, der war doch etwas winzig.
Bislang hieß es doch immer: über 14€ kalt nimmt es der DDer Mietmarkt nicht an, nun trauen sich – zwangsläufig – die ersten Maximalisten heraus.
Gleich an der Ecke wurde ebenso das Erdgeschoss neu „verziert“:
https://i.postimg.cc/ydyVjmXJ/punx-death.jpg
Ehrlich gesagt habe ich von RuLe 1 noch nie was gehört (wohne auch erst seit wenigen Jahren in der Neustadt und komme fast nie im Hecht vorbei). Wenn ich mir die vorher-nachher-Bilder aber anschaue, kann ich nicht verstehen, wie jemand einem solchen Drecksloch hinterhertrauern kann. Die Gestaltung ist doch schön geworden.
17 € KM pro qm sind natürlich absolut überzogen, aber das „regelt“ ja bekanntlich der Markt …
@Neustädter.. Du als Vermieter bist wirklich sehr arm dran und hast mein volles Mitgefühl. Schön, dass es so selbstlose Menschen wie dich gibt, die dafür sorgen, dass es im Viertel immer schön sauber ist und sich alle Touristen wohl fühlen können. Danke.
@Pieschener
Soso. Du könntest also im Strahl kotzen?!
Es gibt in Dresden einen Mietspiegel. Der ist von allen Interessengemeinschaften verhandelt und verbindlich. Der verändert sich auch nicht dadurch, dass Vermieter es mal versuchen mehr zu bekommen. Der hält im Zweifel auch vor Gericht stand. Die Kriterien sind im wesentlichen Lage, Ausstattung und Baujahr. Beim Baujahr ist nicht der Zeitpunkt der Renovierung, sondern das tatsächliche Baujahr entscheidend. Im Übrigen finden wir den Erhalt der Graffities cool. Nur nebenbei.
Wenn also jemand so bescheuert ist 17,– kalt für so ne Bude zu bezahlen, können wir gerne eine RAin empfehlen, die auf solche Forderungen extrem humorlos reagiert. Dafür muss man sich allerdings mal informieren und nicht nur dumm rummotzen. Und ja. Wir wissen wovon wir reden. Das haben wir mit unserem Vermieter durch.
Im Strahl gekotzt haben jedenfalls nicht wir.
@Wort zum Sonntach: Ich bin selbst Vermieter in der Leipziger Vorstadt und habe seit mehr als vier Jahren die Kaltmiete nicht erhöht. Warum? Weil ich ein gutes Verhältnis mit meiner Mieterin habe. Sie hat eine preiswerte Wohnung und ich bekomme mein Geld zu Tilgung des Kredits. Passt.
Wie schon gesagt, seit froh das es noch private Vermieter aus Dresden gibt, die sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind und hier nicht den letzen Cent rauspressen.
@Thomas: man kann gern auch mit offenen Augen durch die Welt gehen und sich etwas mit der Geschichte des eigenen Lebensumfelds auseinandersetzen.
Anscheinend war das „Drecksloch“ doch noch gut genug dafür, dass der sich selbst so aufopfernde Projektentwickler die nicht von ihm gestaltete oder in Auftrag gegebene Kunst für eine kostenlose Galerie missbraucht hat. Aber für den Preis muss man ja auch ein bisschen Entertainment bieten.
Ich bin jedenfalls dankbar, dass es in der Neustadt auch noch Hausgemeinschaften gibt, die sich eigenverantwortlich um ihren Wohnraum kümmern und damit beweisen, dass es so etwas wie Vermieter eigentlich nicht zwingend braucht.
@Neustädter
Nach eigener Aussage ist der Grund, warum du die Kaltmiete seit 4 Jahren nicht erhöht hast, dass du und deine Mieterin ein gutes Verhältnis haben. Wenn soziale Verantwortung von „gutem Verhältnis“ abhängig ist, dann ist es keine soziale Verantwortung.
„Warum kauft ihr euch nicht selbst paar Wohnungen und vermietet sie dann für lau?“ Interessante Strohpuppe… äh Forderung meine ich. Wie viele Vermietende kennst du, die das tun? Warum entziehst du dich als Vermieter deiner eigenen Forderung, wenn sie doch die Voraussetzung ist, zu merken, „was es heißt Vermieter zu sein“.
Im Beitrag wird von „Gentrifizierung in Perfektion“ gesprochen. Dem kann ich mich – genauso wie dem „im Strahl kotzen“ – nur anschließen.
@statler und waldorf
„Beim Baujahr ist […] das tatsächliche Baujahr entscheidend.“ Das ist grundsätzlich richtig. Allerdings ist bei „Wiederaufbau/Wiederherstellung“ sowie „Ausbau/Erweiterung“ die Bezugsfertigkeit maßgebend. Ich habe aber keinen Plan, ob das bei diesem Objekt der Fall ist.
nicht ganz richtig ist: „Der ehemalige Eigentümer hatte das Haus nach Konflikten um Mietverträge an einen Projektentwickler verkauft“
Erst hat er das Haus an einen Projektentwickler verkauft, da ihm das dreifache an Geld geboten wurde und danach haben wir als Bewohner_innen unsere Rechte als Mieter_innen eingeklagt (besagte Konflikte um Mietverträge).
Im Anschluss musste er die verbleibenden Mieter_innen auszahlen (wobei ein großer Teil an Projekte im Viertel geflossen ist) und danach hat ihn der Projektentwickler verklagt.
Das Ende vom Lied war: er hat die Selbe Summe bekommen, die auch wir ihm gezahlt hätten.
– Karma is a Bitch –
Naja, jetzt gibt es halt 17 Euro kalt und das Viertel „wohlstandsverwahrlost“ weiter. Es gab damals einen Sanierungs- und Finanzierungsplan für faires, selbstverwaltetes Wohnen mit soziokulturellen Angeboten fürs Viertel.
Sowas passiert, wenn der Markt das Regelt.
Hallo Ehemaliger, wenn ich das richtig verstanden habe, gab es aber auch schon vor dem Verkauf Konflikte, weil die Mietverträge eben nur befristet waren.
Hallo Anton, die unrechtmäßigen Befristungen haben wir hingenommen, da uns mündlich der Verkauf – an uns – zugesichert wurde. Erst als der Eigentümer dem „Ruf des Geldes“ gefolgt ist, sind wir gegen diese Befristungen, juristisch vorgegangen.
@Spatz
Du hast Recht. Aber die Wohnungen waren ja offenbar vorher bewohnt. Also hat eine Modernisierung stattgefunden. Und da gilt nun mal das Baujahr bei der Einstufung im Mietspiegel. Anders wäre es, wenn bspw. ein Dachboden oder ein Hinterhofgebäude, in dem vorher eine Werkstatt war, augebaut worden wäre. Dann gelten andere Regeln.
Der Charme dieses Hauses und vor allem des erweiterten Hofes zur Brache hin (bevor die Ecke wieder bebaut wurde) war mit Geld überhaupt nicht zu bezahlen. Das muß auch niemand verstehen oder zwingend kommentieren, der es nicht erlebt hat oder erleben will. Jetzt zahlt man sich halt dusselig, (zumindest) das Treppenhaus ist hässlich absaniert, der Hof klein und dunkel und es ist immer noch laut von allen Seiten. Und keine Musik mehr im Keller… also ich möchte dort nicht mehr wohnen :)
Leute, wir leben im Kapitalismus. € rulz. Wer ein besseres Modell hat, melde sich bitte. Kommunismus/Sozialismus – siehe Zustand Neustadt vor 89. Günstig wohnen? In Görlitz ist jede Menge Platz.
Soweit ich mich erinnere, haben die Mieter es jahrelang nicht auf die Reihe bekommen, sich zu organisieren und das Haus zu kaufen. Der Eigentümer hat dann die Geduld verloren und an den Projektentwickler verkauft. Auf alle Fälle sieht das Haus jetzt besser aus. Wer für diese Lage 17 Euro pro Quadratmeter zahlt, ist selbst schuld.
@statler und waldorf
Wenn das kernsaniert wurde gelten quasi Neubau Regeln, da zählt kein Mietspiegel und Mietendeckel, da können sie die Miete frei gestalten, da hilft auch kein RA. Und finde mal ne 4Raum Wohnung im Hecht. Quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Die Familien, die es sich leisten können und müssen, zahlen dann halt den Preis. Bescheuert ist nur der Wohnungsmangel…
@Karl A
Das sehen wir etwas anders. Wir wohnen selbst in einem Gründerzeithaus Baujahr 1899. Dieses Haus wurde 1999 kernsaniert. Alles neu. Heizung, Sanitär, Elektro, Fussböden, Einbauküchen…. ALLES! Erhalten wurden die Treppen, die Handläufe und die Fliesen im Hausflur. Man kann also sagen, dass die Objekte vergleichbar sind. Und bevor wir uns mit dem Vermieter angelegt haben, haben wir uns gründlich informiert. Wir streiten nur, wenn wir uns wirklich sicher sind. Dann aber richtig!
Und natürlich ist die Situation für bezahlbaren Wohnraum eher suboptimal. Gerade für (junge) Familien. Das ist uns klar. Deswegen muss man aber noch lange nicht irgendeinen Mietwucher akzeptieren…… Liebe Grüße vom Balkon
@statler & waldorf: Ihr habt den Rechtsstreit gewonnen? Ich sprach vor ein paar Tagen mit jemandem vom Mieterverein, der sagte es nämlich genau so, wie Karl A. Nach einer Kernsanierung gelte das wie Neubau und damit würde der Mietspiegel keine Anwendung finden.
@Anton
Es ist zu keinem Rechtsstreit gekommen. Allerdings hätten wir das durchgezogen. Wir haben dem Vermieter die Sachlage aus unserer Sicht geschildert und ihn gebeten, sich zu informieren. Der Vermieter hat daraufhin zurückgezogen und es nicht auf einen Gerichtsurteil ankommen lassen. Das hätten wir zu 99% gewonnen. Wir haben uns somit auf eine ortsübliche, dem Mietspiegel entsprechende Miete „geeinigt“. Uns wurde allerdings telefonisch mitgeteilt, dass sich die Geschäftsführung unseren Namen „gemerkt“ hat. Damit können wir wunderbar leben. Dann wissen jetzt ja beide Parteien mit wem sie es zu tun haben…… ;-))
PS: Vielleicht hat sich die Rechtsprechung ja geändert. Dann verrate es meinem Vermieter nicht
Frankfurt am Main – Verhältnisse, was es Kaltmieten angeht!
Viel zu teuer und dann ohne eigene Pkw Stellplätze, da gibt’s bessere Angebote in etwas ruhiger Lage als an dieser Stelle.
Heute kaum noch vorstellbar, das der Hecht Anfang der 2000er noch richtig günstig war, den Quadratmeter gab es ( saniert ) ab 6 Euro!
Wer einen alten Mietvertrag aus der Zeit noch hat, bloß nicht ausziehen…
„wenn euch die wohnungen zu teuer vermietet werden, dann kauft sie doch“ großartiges argument. wenn euch lebensmittel zu teuer geworden sind, gründet doch eine fabrik?
und private vermieter würde ich ganz schrecklich vermissen. am ende wäre dann der wohnraum in öffentlicher hand und man hätte bezahlbare mieten wie in wien zB. grauenhaft!
@palisadenhonko:
31 % der Wiener leben im Gemeindebau…
Somit leben 69 % bei privaten Vermietern, Heuschrecken oder in den eigenen 4 Wänden….
Dresden hat in diesem Punkt seine Sonderstellung durch den Verkauf der Woba aufgegeben. (kleiner Kotz), jetzt sind in DD die privaten Vermieter eher die letzte Hoffnung, als das Übel…
Ganz Wien sieht anders aus…
https://youtu.be/GSMci_9oTR4?si=Te1JLFDKt2UyiHPJ
@Echt
Gemeindebau ist ungleich Genossenschaft und Wohnungsgenossenschaften gibt es auch in Wien. Für DD sind privat Vermietende das kleinere Übel, aber keineswegs die letze Hoffnung. Da sehe ich eher genossenschaftslichen Erwerb und somit Entzug aus dem Kapitalmarkt (z.B. über Miethäusersyndikat oder WoGe)
@palisadenhonko: .. hat mich selber erstaunt, wien ist deutlich teurer
https://www.immopreise.at/Wien/Wohnung/Miete
..als ich erwartet hätte…