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Rauf mit der Hundesteuer!

„Scheiße!“, entfuhr es dem Professor und Doktor der Philosophie Edmund Götze, als er auf der Markgrafenstraße1 aus seinem Haus, der Nummer 32, auf den Fußsteig trat und dabei einem frisch gesetzten Haufen einer Hundeverdauungshinterlassenschaft die Ehre des Reintretens erwies. Einige, die ihn kannten, staunten ob der gewöhnlichen Ausdrucksweise und andere schmunzelten schadenfreudig über das Missgeschick, welches einem überall in der Neustadt passieren könnte. Aber das war ihm egal. Professor Götze hasste Hunde, hasste Katzen, hasste Getier jeglicher Art und hasste besonders die verbreitete Hundebeliebtheit in Dresden.

Hund um 1900, auch damals gab es schon eine Hundesteuer
Hund um 1900

Vorsichtig ging er zur Haustür zurück, zog sich den verunreinigten und inzwischen stinkenden Schuh und den anderen gleich mit aus. Auf Strümpfen tippelte er in seine Wohnung in die Beletage und drückte die Schuhe seiner erschrockenen Dienstmagd mit wütendem Gesichtsausdruck in die Hände.

Eigentlich wollte er sich an diesem vorfrühlingshaften Tag des Jahres 1892 mit einigen Freunden aus seinem Philosophenkreis zum wöchentlichen Gelehrtenstammtisch in Gablenz Schänke in der Nummer 9 der Markgrafenstraße treffen. Da er eh zu spät kam, konnte er die Wartezeit bis zum Benutzen der Schuhe mit dem Schreiben eines bitterbösen Briefes an die Redaktion der Mitteilungen des Allgemeinen Mietbewohnervereins zu Dresden zubringen. Er war zwar kein Mieter, sondern Hauseigentümer, aber die Verursacher dieser stinkenden Hinterlassenschaften waren garantiert minderbemittelte Bewohner aus der Umgebung. In seinem Haus hatte er das Halten von Tieren per Mietvertrag verboten. Auch wenn andere darin die größte Tyrannei sahen.

Das Problem

Mit diesem Brief konnte er auch gleich seinem Ärger über die geplanten Erhöhungen der städtischen allgemeinen Steuern Luft machen. Und wenn schon rauf mit den Steuern, dann forderte er eine besonders drastische Erhöhung der Hundesteuer. Dem Unrat auf den Gehsteigen und Straßen müsse dringendst Einhalt geboten werden. Gegen die Wach-, Schäfer- und Fleischerhunde hatte er nichts. Denen begegnete er nicht. Erstere lebten auf dem Lande. Fleischerhunde sah er schon mal eher, beispielsweise wenn er einen Blick auf die Theke von Fleischermeister Starke in der Markgrafenstraße Nr. 4 warf. Ihm ging es also nur um die sogenannten „Luxushunde“, die sich das gewöhnliche Volk, trotz lauter Klagen über die teure Lebenshaltung, dennoch leistete.

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In seinem Nachbarhause lebte eine arme Dame, die sich durch Untervermietung ihren Lebensunterhalt verdiene. Und diese Dame konnte sich trotzdem gleich zwei Köter leisten, „die das ganze Haus beschmutzen und die Mitbewohner durch ihr Bellen sehr belästigen“, machte der Professor seinem Ärger in seinem Brief an die besagte Mietervereins-Zeitung Luft.

Sein Vorschlag zur Problemlösung: „Würde man nun, wie in Berlin, für jeden Hund 20 Mark Steuer, statt nur 9 Mark verlangen, so würde sich bald die Hundeplage vermindern, die Steuern für dieselben trotzdem vermehren.“

"Oh, diese Hunde" - zeitgenössische Postkarte um die Jahrhundertwende.
„Oh, diese Hunde“ – zeitgenössische Postkarte um die Jahrhundertwende.

Die Reaktion von Zeitung und Stadtverwaltung

Beide mahnten zwar Duldsamkeit und gegenseitige Rücksichtnahme an, sahen aber auch die Kehrseite. „Tatsächlich ist ein öffentliches Interesse vorhanden, dass die Zahl der Hunde in den Großstädten nicht zu sehr anwächst und zwar aus sanitären Rücksichten. Alle wissenschaftlichen Autoritäten stimmen darin überein, dass aus verschiedenen Gründen die Gefahr des Tollwerdens für die Hunde in den Großstädten eine viel größere ist als anderwärts.“

Die Residenz hatte noch eine andere Besonderheit gegenüber Berlin, hieß es in der Nummer 27 der Mitteilungen des Allgemeinen Mietbewohnervereins zu Dresden aus dem Jahre 1892. „In Dresden ist man allerdings ziemlich hundefreundlich. Der vor etwa einem halben Jahr vom Rate gemachte Vorschlag, die Hundesteuer auf 15 Mark zu erhöhen, fand im Stadtverordnetenkollegium keinen Anklang.“

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Trotzdem war die Zeitung des Mietervereins der Ansicht, dass man über kurz oder lang um eine Erhöhung der Hundesteuer nicht herumkäme. Dass damit der Stadt erhebliche Einnahmen beschert werden würden, diesen Zahn zog die Stadt dem Professor gleich. „Der Mehrbetrag der zuletzt vorgeschlagenen Erhöhung werde auf ca. 35.000 Mark beziffert.“

Mit Groll zerknüllte Professor Götze die Mieterzeitung und machte sich auf zur Blutdrucksenkung in Gablenz Schänke.

Anmerkungen des Autors

1 heute Rothenburger Straße


Unter der Rubrik „Vor 100 Jahren“ veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Anekdoten aus dem Leben, Handeln und Denken von Uroma und Uropa. Dafür durchstöbert der Dresdner Schriftsteller und Journalist Heinz Kulb die Zeitungsarchive in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Der vorliegende Text ist literarischer Natur. Grundlage bilden die recherchierten Fakten, die er mit fiktionalen Einflüssen verwebt.

3 Kommentare

  1. Tja.

    Was hat sich seitdem geändert? Die Haufen liegen jetzt nicht mehr alle nur so auf dem Gehweg rum – sie wurden auch durch eingetütete Versionen ergänzt, die sich gerne auch mal ein paar jahre im Stadtbild halten und im Zweifel umso ekelhafter stinken.

    Und ein paar nicht-Hundebesitzer haben bemerkt dass die Haltung der Viecher in der Innenstadt in nur den allerwenigsten Fällen annähernd artgerecht sein kann.

    Sagte ich schon „Tja.“?

  2. Richtig. Alle, wirklich alle, Hundebesitzer lassen die Haufen liegen.Man kann ja bald keinen Schritt mehr gehen ohne in einen reinzutreten.
    Da sind mir doch Plastikmüll, Sperrmüll, kaputte Glasflaschen usw. viel lieber…

Kommentare sind geschlossen.