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Von wissenschaftlicher Analyse des Szene-Viertels

Neulich wurde ich aus wissenschaftlichen Gründen befragt, was mir denn an der Neustadt so gut gefällt. Und da man ja bekanntlich Wissenschaftlern immer präzise antworten möchte, geriet ich ins Stocken. Nachdem ich dann eine Weile gestockt hatte, entsprang meinem Munde folgende höchstpräzise Bemerkung: „Na, es ist doch so schön bunt hier.“ Danach wäre ich am Liebsten vor Scham fast im Boden versunken.

Sebnitzer/Ecke Görlitzer Straße 1991
Sebnitzer/Ecke Görlitzer Straße 1991
Einige Stunden später war ich mal wieder unterwegs durch mein geliebtes Viertel, schmunzelte über die Bauarbeiter, die mit ihren nackten muskelbepackten Oberkörpern protzten. Ich freute mich über die vielen Zettel, die an den Autos prangten und mir bei meiner Wahlentscheidung am kommenden Sonntag helfen wollten. Na klar ist die Neustadt bunt, stellte ich bei meinem kleinen Stadtbummel fest. Nur hätte ich es vielleicht wissenschaftlicher ausdrücken können. In dem Gespräch hatte ich auch genau das versucht, ich sprach von Vielfältigkeit, von Gegensätzlichkeit, von schicken Läden und kleinen Ramschbuden. Es gibt ja wissenschaftliche Forschungen über solche Stadtteile wie die Neustadt, die auch gern Szene-Viertel genannt werden.

Einfach ausgedrückt läuft es wohl so ab. Erste Stufe: ein unattraktives Viertel wird von Studenten und Künstlern, der so genannten Avantgarde, entdeckt und durch ihre Anwesenheit aufgewertet. In der zweiten Stufe ziehen Kneipen und Kultureinrichtungen nach, danach kommen die Investoren, die sich in dem Viertel Supergewinne versprechen, Häuser sanieren und damit die ursprüngliche Bevölkerung oftmals verdrängen. Wenig später ziehen Künstler und Studenten wieder weg, weil auch ihnen der Kiez zu teuer geworden ist.

Teilweise kann ich diese Entwicklung in der Neustadt auch sehen, so  sind nur noch ganz wenige hier, die schon länger als 15 Jahre im Viertel wohnen, von den ursprünglichen Kneipen gibt es auch nur noch zwei, mit viel Mühe hält sich noch der eine oder andere traditionelle Laden. Gerade vor Kurzem erst hat mein Lieblingslebensmittelladen auf der Schönfelder Straße seine Pforten wohl für immer geschlossen.

Doch dann stockt die beschriebene Entwicklung: die Avantgarde ist auch nach 15 Jahren noch hier, massenhaft Galerien und Studentenbüros beweisen das. Vielleicht gelingt es der Neustadt, dauerhaft ein Szene-Viertel zu bleiben.

Anmerkung 2006: Mein ehemaliger Lieblingslebensmittelladen auf der Schönfelder Straße hat jetzt in Form eines Bio-Ladens wieder eröffnet.
Anmerkung 2008: Aus dem Bio-Laden ist inzwischen eine Hebammenpraxis geworden. Siehe hier.

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