Wer am Dienstag, den 2. Juni um 8.30 Uhr an der sächsischen Staatskanzlei vorbeimusste, konnte es laut Klingeln hören. An die 70 Radfahrer*innen hatten sich am Vormittag am Carolaplatz versammelt. Sie protestierten gemeinsam mit BUND und ADFC gegen die geplante „Abwrackprämie“ der Bundesregierung.

Am Dienstag will der Koalitionsgipfel ein umfangreiches Corona-Konjunkturpaket beschließen, worin auch Kaufprämien für Neuwagen vorgesehen sind. Das zehnminütigen Fahrradklingelkonzert war aber auch ein Versuch, den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) „aus einem verkehrspolitischen Alptraum“ wachzuklingeln.
Einfache Kaufprämie mit wenigen Umweltkriterien
Der sächsische Ministerpräsident hatte einige Tage zuvor eine einfache und unkomplizierte Kaufprämie für Autos gefordert – egal ob E-Auto, Hybrid oder Verbrenner. Wie er der Funke-Mediengruppe mitteilte, sei eine solche Prämie angesichts der Corona-Krise dringend notwendig.
Der Kaufanreiz sollte seiner Vorstellung nach an geringe Umweltvorgaben geknüpft sein. Konkret schlug er vor: „Gefördert wird der Kauf von Neuwagen, die umweltfreundlicher sind als das Auto, das der Käufer dafür abgibt. Auf diese Regel würde ich es aber beschränken.“
Aus verkehrspolitischem Alptraum wachrütteln
Die Verbände ADFC und BUND kritisieren Kretschmer dafür scharf. Sie haben sich deshalb am Dienstagmorgen vor Kretschmers Büro mit Fahrradklingeln versammelt. „Wir wollen ihn aus seinem verkehrspolitischen Alptraum retten“, so Konrad Krause vom ADFC.
Mobilitätsprämie für alle
Konrad Krause vom ADFC kritisiert, dass es bei all den geplanten Maßnahmen der Bundesregierung nicht um eine saubere zukünftige Mobilität gehe. Der ADFC schlägt deshalb mit anderen Bündnispartnern eine Mobilitätsprämie für alle vor.
Sie fordern die Finanzierung von Fahrrädern und des öffentlichen Verkehrs durch beispielsweise vergünstigte ÖV-Tickets. Sollte es dennoch eine Autoförderung geben, verlangen sie, dass diese maximal sozial-, klima- und umweltgerecht ausgestaltet wird.
BUND fordert grünes Investitionsprogramm
Auch David Greve vom BUND fordert: „Wir müssen weg von dem automobilen Wahnsinn.“ Der BUND beruft sich auf ein kürzlich formuliertes Maßnahmenpaket, das weit mehr einschließt als nur die Autoindustrie.
In dem Diskussionspapier „Investitionen in eine zukunftsfähige Wirtschaft“ versammelt der BUND zentrale Anforderungen an ein Grünes Investitionsprogramm für eine stabile und grüne Wirtschaft – von Klimaschutz, Energie- und Verkehrswende über Arten- und Naturschutz sowie Agrarwende bis hin zu Gesundheitsvorsorge und Forschung. Neben ADFC und BUND nahm auch der sächsische Umweltminister Wolfram Günthernahm an der Kundgebung teil.
„Wir müssen weg von so einer sinnlosen Abwrackprämie“ Wolfram Günther
Trotz Klingelkonzert kein Kretschmer zu Gast
Dass ADFC und BUND mit ihrer Forderung nicht allein dastehen, zeigt der ARD-Deutschland Trend. Demnach lehnt die Mehrheit der deutschen Bevölkerung mögliche Kaufprämien für Neufahrzeuge grundsätzlich ab. 63 Prozent sagen, sie seien gegen staatliche Anreize beim Auto-Kauf. Konrad Krause schlussfolgert daraus, dass die Mehrheit der Deutschen weiter sei als die Politik. Auch die fünf Wirtschaftsweisen sprechen sich gegen die Abwrackprämie aus.
Weitere Demo am Nachmittag
Im Rahmen des Aktionstages Klimakonjunktur plant FridaysforFuture am heutigen Dienstagnachmittag um 15.30 Uhr eine weitere interaktive Fahrraddemo. Der Protest richtet sich gegen eine Abwrackprämie. Sie fordern außerdem die sofortige Beendigung der Subventionen für fossile Energieträger.
Weitere Informationen:
- Interaktive Fahrraddemo von FFF: Um 15.30 Uhr lädt Fridays for Future jede*n ein am Protest teilzunehmen. Sie treffen sich mit Fahrrad und Mondschutz am Glockenspiel (Japanisches Palais). Von da aus sind mehrere interaktvie Fahrradaktionen geplant.
- #MobilPrämieFürAlle: www.adfc.de/MobilPraemieFuerAlle
- Grünes Investitionsprogramm für eine stabilere und grünere Wirtschaft – weitere Informationen zum Diskussionspapier des BUND siehe: www.bund.net/investitionen_in_eine_zukunftsfaehige_wirtschaft