
Deutschland, Frühjahr 2019. Ein Land in Angst vor Fahrverboten. Erst recht, seit kürzlich das Verwaltungsgericht Stuttgart der Neckar-Metropole ein weiteres Zwangsgeld aufgebrummt hat, falls dort nicht auch Euro-5-Diesel in die Fahrverbotslisten inkludiert werden.
Wirklich das ganze Land? Nein, ein von unbeugsamen Sachsen bewohntes Städtchen tief im Osten weigert sich, bei den Fahrverboten mitzumachen und will Luftreinheit auf anderen Wegen erreichen.
Können Dresdens Autofahrer also aufatmen? Nein. Das Beispiel Stuttgart zeigt, dass es jederzeit denkbar ist, dass ein Gerichtsbeschluss eine solche Politik aushebelt. Zudem wartet auch abseits der Fahrverbote weiteres Ungemach – nicht nur für Diesel-, sondern Autofahrer per se.
Auf den folgenden Zeilen beleuchten wir deshalb die möglichen Szenarien, die in Zukunft Autofahrer betreffen könnten. Auch, aber nicht nur bei uns.
1. Szenario: City-Maut
Dieses Szenario ist das mit dem aktuellsten Nachrichtenbezug. Denn erst vor wenigen Tagen regte der Deutsche Städtetag (ein Zusammenschluss tausender Kommunen, der als interessensvertretender Dachverband fungiert) an, dass Städte und Gemeinden alternative Mittel haben sollten, um Autoverkehr zu reduzieren:
„Die Städte müssen selbst diskutieren und entscheiden, welche Instrumente zur Verkehrslenkung vor Ort sinnvoll eingesetzt werden können. Denkbar wäre beispielsweise eine City-Maut […] Solche Instrumente könnten dabei helfen, den Verkehr flüssiger zu machen und schädliche Umwelteinwirkungen durch Abgase zu reduzieren“
So formulierte es Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Städtetages.
Was ist eine City-Maut? Ganz einfach: Um in bestimmte Kernbereiche einer Stadt mit einem als mautpflichtig definierten Fahrzeug einfahren zu dürfen, muss man eine Gebühr entrichten.
Dies kann in Form einer Plakette pauschal geschehen oder auch durch elektronische Kennzeichenscanner fallabhängig.
Tatsache ist, dass Dresden Mitglied im Städtetag ist. Zwar ist der Vorschlag offen für jeden, doch soweit bekannt hat sich die Stadtregierung noch nicht – weder positiv noch negativ – dazu geäußert.
Ebenfalls ist es jedoch eine Tatsache, dass verschiedene Gruppierungen in der Stadt eine solche Maut schon seit längerem fordern. Auf der Dialogplattform Dresdner Debatte wurde schon 2014 angeregt, die Stadt solle eine Delegation nach Stockholm (wo eine Maut schon seit Längerem besteht) entsenden, um sich von den Vorteilen zu überzeugen.
Was würde das für Autofahrer bedeuten? Die Einführung einer City-Maut würde bedingen, dass das Angebot an Park & Ride-Parkplätzen vor der Stadt enorm ausgebaut würde.
Primär zöge das zwei Optionen nach sich:
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1. Die persönliche tägliche Pendelzeit verlängert sich, weil man auf ÖPNV oder Fahrrad umsteigen müsste.
2. Das Autofahren bekäme einen weiteren verteuernden Unterhalts-Kostenpunkt.
Letzteres ist der Haupt-Beweggrund hinter der Maut: Autofahrer sollen über das Portemonnaie gezwungen werden, nur absolut notwendige Stadtfahrten zu absolvieren. Dies soll den Verkehr entlasten, Luftqualität und Geräuschkulisse verbessern. Und es ist auch ein Ansatzpunkt für das nächste Szenario:

2. Szenario: Generelle Verteuerung
Es mag durchaus zutreffen, dass Dresdens Stadtrat die bisherige Verkehrssituation so „sanft“ wie möglich verbessern möchte.
Allerdings muss auch klar sein, dass es tendenziell schwieriger wird, Kompromisse zu finden, weil sich Fronten bzw. das Denken der Anhänger quer durchs Land verhärten.
Tatsache ist, dass für nicht wenige ein schnellerer, radikalerer Ansatz wünschenswert ist. Das bringt uns zur gesteuerten Verteuerungen des Autofahrens.
Es war Professor Martin Robert Lühder, Verkehrsexperte der Uni Münster, der Anfang des Jahres in einem Interview mit der „Bike-Bild“ sagte:
„… gerade in den Ballungsräumen ist es [das Auto] nicht mehr die richtige Antwort auf die Mobilitätsbedürfnisse. Der Anspruch, dass jeder jederzeit mit seiner Blechkiste in die Stadt fahren kann, passt nicht zusammen mit den Bevölkerungsbedürfnissen in der Stadt selber. […] Wir haben zwei Ansätze. Zum einen Restriktionen und zum anderen die Qualität. Wenn ich den Modal Split verändern will, dann muss ich an diesen beiden Rädchen drehen und zum Beispiel das Autofahren teurer machen“
Was er damit ausdrückt – dass Autofahren generell teurer werden müsse, um die Menschen zum Mobilitätswandel zu zwingen – entspricht dem, was auch viele Politiker und Verbände fordern.
Was würde das für Autofahrer bedeuten? Nach dem Wunsch vieler ist das beste Auto das, das gar nicht erst gebaut wird, völlig gleich, wie es angetrieben wird.
Der einfachste Weg dazu wäre es, das komplexe System der Schadstoffklassen Schlüssel, die Kfz-Steuer, zu nehmen und generell zu überarbeiten.
Dazu wäre es beispielsweise denkbar, dass sowohl Benziner wie Diesel je nach Schadstoffklasse und angefangenen 100cm³ Hubraum höhere Sätze als heute bezahlen müssten. Der Effekt wäre vielfältig:
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1. Es würde bei vielen eine Grundsatzüberlegung anregen, ob überhaupt ein eigenes Auto benötigt wird.
2. Es würde die Steuereinnahmen, die mittelfristig durch den Wechsel auf (steuerbefreite/-ermäßigte) E-Autos stark verringert würden, zunächst steigern und dann zumindest auf einem tragfähigeren Niveau halten – ganz ohne Kfz-Steuer hätte der Bundeshaushalt ein Problem.
3. Es würde die E-Mobilität voranbringen, weil viele nur aus Bequemlichkeit nicht wechseln
4. Es würde den Trend zum Zweit- oder gar Drittwagen, der viel Parkraum überflüssig belegt, ausbremsen.
Allerdings sind erhöhte Kfz-Steuern nur ein Weg, das Autofahren zu verteuern. Was auch denkbar ist bzw. von verschiedenen Seiten vorgeschlagen oder sogar praktiziert wird:
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→ Verteuerung von öffentlich bewirtschaftetem Parkraum.
→ Erhöhung der Kosten für Führerschein- und TÜV-Prüfungen
→ Wegfall des Diesel-Bonus bzw. generelle Erhöhung des Steueranteils bei Kraftstoffen.
→ Die Einführung der ebenfalls brandaktuell diskutierten CO2-Steuer als zusätzlicher Kostenpunkt, der vor allem Verbrennerfahrzeuge treffen würde.
Allerdings dürfte bei aller Verteuerung eines nicht vergessen werden: Es darf vor allem den unteren und mittleren Einkommensschichten nicht die Luft zum Atmen abgeschnürt werden.
Bedeutet, die Alternativangebote müssen a) zahlreich und attraktiv und b) eine echte finanzielle Alternativ sein – nicht nur weil das Autofahren so teuer ist. Im Idealfall bekommt der, der sich vom Auto abwendet, eine spürbare Kostenreduktion und Erhöhung seiner persönlichen Lebensqualität.

3. Szenario: Urbaner Verkehrs-Umbau
Als jüngst in der Innenstadt für eine Verkehrswende in Dresden demonstriert wurde, zeigte sich einmal mehr, wie anfällig städtische Verkehrsadern für Störungen sind – denn die 500 Teilnehmer produzierten einen veritablen Stau.
Tatsache ist, dass selbst in einer Welt, in der „überflüssiger“ Autoverkehr weitestgehend reduziert wird, immer noch Verkehr existieren wird. Handwerker, Carsharing, ferner auch ÖPNV. Das alles wird sich nicht entfernen lassen; die komplett autofreie Stadt ist utopisch.
Dieses Szenario wird die Autofahrer zwar nur indirekt betreffen, aber es ist dennoch eine „Baustelle“ – teils wortwörtlich.
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→ Vor allem an den Hauptverkehrsachsen bildet sich Stau, welcher die dortigen Anwohner durch Abgaskumulation besonders benachteiligt. Zu erwarten ist, dass hier Ampelschaltungen, vor allem durch Integration digitaler Systeme, deutlich flexibler werden und sich am realen Verkehrsaufkommen orientieren.
→ Einer der wichtigsten Emittenten für Feinstaub ist Abrieb aus dem Material von Reifen und Asphalt. Gleichermaßen ist das davon verursachte Rollgeräusch schon bei geringen Tempi die Hauptquelle von Verkehrslärm. Beide Fliegen sollen, geht es nach dem Willen von Materialwissenschaftlern, mit einer Klappe erschlagen werden, die aus neuartigem Asphalt besteht. Dieser ist gleichzeitig leiser und produziert weniger Abrieb. Solche Beläge werden derzeit unter anderem in Kiel und Stuttgart erprobt.
→ Je höher das Tempo, desto größer Fahrgeräusche, Kraftstoffverbrauch, Abgasausstoß und die Risiken für andere Verkehrsteilnehmer – allen voran Radfahrer. Ein oft geäußertes Argument dagegen ist es, die Höchstgeschwindigkeit innerhalb von Städten oder bestimmten Zonen drastisch zu reduzieren – auch unterhalb 30km/h – und dies durch Blitzer scharf zu kontrollieren.
Fazit: Bleibt alles anders
Autofahrer werden sich daran gewöhnen müssen, dass künftig vieles nicht mehr so sein wird, wie wir es kannten. Ja, das mag für viele ein Grund für Zorn sein. Tatsache ist aber auch, dass ein Weitermachen wie bisher schlicht keine Option ist. Nicht einmal primär aus Umweltschutzgründen, sondern vor allem, weil das Auto ob seiner Zahlen längst nicht mehr die komfortable, schnelle Option ist, sondern oft genug nicht mehr als ein Kasten mit Radio, in dem man von Stau zu Stau rollt.