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Ostergruss von Julia Hartl

Kneipen, in die sich sonst keiner traut

Zwei Herren sitzen am Tresen, eingehüllt in Zigaretten-Rauch. Der eine nimmt einen langen Schluck aus seiner Bier-Flasche, dann setzt er an: “Also weißt Du, ob nun rot oder weiß – Wein ist einfach nicht mein Ding.” Der andere zieht an der Kippe, nippt an seinem Glas und schweigt bedeutsam. Die Wirtin wischt feucht über den Tresen.

In der „Schwarzen Hexe“
In der „Schwarzen Hexe“

Ich sitze in der “Schwarzen Hexe”, eine Kneipe, die sonst nicht so zu meinem Einzugsbereich gehört. Es ist Montag, früher Abend, und voll. Mehr als 200 Kneipen, Bars und Clubs gibt es in der Neustadt. Viele habe ich schon besucht. Manche machen so schnell wieder dicht, dass ich es einfach nicht schaffe. Und dann gibt es noch solche, wie die “Schwarzen Hexe” – hier würde ich mich allein wahrscheinlich gar nicht hertrauen. Aber ich habe mir einen kräftigen Freund zur Unterstützung mitgenommen. Die „Hexe“ befindet sich an dem kleinen Platz an der unteren Alaunstraße zwischen Wettspielhölle und Orientbasar. Ich sehe mich um. Am Tisch neben der Toilette sitzen zwei Damen im fortgeschrittenen Alter und klassischem Rentner-Look, die Likörchen und die kleinen Biere sind schon lange ausgetrunken. Sie schwatzen noch. Am Nebentisch ein martialisch tätowierter Skinhead, der den frühen 90ern entsprungen scheint, samt passendem Renee-Girl. Weiter schweift mein Blick: Der riesige Röhrenfernseher schweigt. Neben der Bar hängt ein Telefon-Automat. Der wird immer noch benutzt.

Wir leeren unser Bier und verstehen, warum alle anderen hier auf Flaschen-Getränke zurückgreifen. Während sich der Weinkenner am Tresen inzwischen in einen Kfz-Experten mit Fußballwissen verwandelt, verlassen wir den Schankraum auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer.

Lounge, Bar oder Club

„L's“ Lounge, Bar oder Club?
„L's“ Lounge, Bar oder Club?

Fast am anderen Ende der Alaunstraße befindet sich “L’s Bar”. Die Räume haben eine bewegte Vergangenheit, “L’s” ist mindestens das sechste Konzept. Zuletzt war hier eine Gay-Bar drin. Das Ambiente erinnert noch stark daran. Mürrisch reicht uns der Wirt zwei Biere. Gebannt starren wir auf den riesigen Flachbildschirm, der hinter dem Tresen hängt. Es läuft die NDR-Schlagerparade, gerade ist ein lustiger Seemann zu sehen. Kombiniert mit der anatolischen Kneipen-Musik ein perfekter Mix. Als der Wirt unsere Blicke registriert, dreht er den Fernseher laut und macht die Stereo-Anlage aus. Wir wagen nicht zu widersprechen.

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Zwar sind wir die einzigen Gäste, doch im Fünf-Minuten-Takt kommt jemand herein, raucht eine Zigarette mit dem Wirt, tuschelt etwas und verschwindet wieder. Sind wir hier beim Paten der Neustadt? Im Hinterzimmer locken Spielautomaten mit gepolsterten Ledersesseln. Verwirrt und verschlagert ziehen wir von dannen, diese Abenteuerlust ist vorerst gestillt.


Nachtrag 2014

L’s heißt jetzt Leyla

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Sivert Høyem am 11. April im Alten Schlachthof

21 Kommentare

  1. nächstes mal nimmste zwei “bodyguards” mit und dann ab in’s “route 66”!

  2. wieder einmal der Versuch, der Neustadt ein etwas verruchtes, leicht schmuddeliges Image eine existierenden Halbunterwelt zu verpassen?

    Hatte die Neustadt nicht, wird sie nicht haben, jedenfalls nicht in dem Sinne anderer Großstädte. Darüber sollte man eigentlich froh sein.

  3. Du hast mir schon früher erkläsrt, das in einer Kneipe am Bischofsweg ungefähr 200 Jahre Knast sitzen würden, ich hab es damals nicht geglaubt und werde es wohl auch heute nicht machen ;)

  4. cooler artikel, von mir aus hättste noch mehr solche kneipen besuchen und beschreiben können – ich geh da nämlich auch nicht rein :)

  5. Die Leute aus der Hexe waren vielleicht schon vor den ganzen Yuppies da, vlt. sind diese sogar sympathischer.
    Wie wäre es denn mal mit einem Ausflug in die Unfaßbar?

  6. Ohja. Unbedingt Unfaßbar. Auch so ein unglaublich anrüchiges Ding. Genauso wie Leos Bierstube gleich nebenan. Man traut sich nicht einmal en passant reinzugucken, bei der Klientel. Die Preise in der Unfassbar sind nett, wenn man sich abschießen möchte. Muss man auch, anders hält man es dort kaum aus. Ich war ein paar mal drin, als ich in der Neustadt neu war; die Menschen haben mir Angst gemacht, die Atmosphäre war unangenehm.

  7. Also, wenn man denkt, daß die Bar Only One immer leer ist, trotzdem fast ein Jahr oder mehr besteht, könnte man schon glauben, da ist die Unterwelt am Werk. Sieht nach dem Versuch, mit einer Kneipe Geld zu waschen. Leider für die ist es zu offensichtlich daß da was nicht stimmt, wenn nie Leute drin sitzen und die Kneipe trotzdem nicht dicht macht.

  8. Möglicherweise sind die Wirte und Angestellten von diversen Kneipen ganz froh, wenn sich der ein oder die andere nicht reintraut, zumindest von den Leuten die hier so kommentieren. Ist schon erstaunlich, was für Vorurteile gepflegt werden. Letztlich ist es ganz einfach, man geht rein bestellt ein Getränk, bekommt es und kann selbst entscheiden, ob es einem gefällt oder nicht. Nur gleich über die anderen Kneipenbesucher aufgrund irgendwelcher subjektiven Wahrnehmungen zu urteilen, ist doch ziemlich dünne.
    Die Bar Only One hat wohl wenig mit der Unterwelt zu tun, eher mit dem Gegenteil. Oder vielleicht doch… ;-)

  9. Nunja, soll ja vorkommen, dass auch Staatsdiener noch einen zweiten Erwerb haben. Müssen dabei ja nicht selbst hinter dem Tresen stehen und Uniform trägt auch nicht jeder Freund und Helfer.

  10. Das “Only one” ist nicht immer leer, letztens war der Biergarten ganz gut gefüllt. Aber es ist auf jeden Fall leerer als anderswo. Mag auch an den ziemlich gesalzenen Preisen liegen, die die für ihre Molekular-Cocktails und alles andere verlangen. Und für 0,2 Liter Gin-Frucht-Mix 5,90 Euro ist einfach mal ziemlich unverschämt. Aber: die hausgemachte Aioli ist der Hammer und absolut zu empfehlen – kost auch nur 3,90 mit Brot ;)

  11. Also ich stelle mich freiwillig als Begleitperson zur Verfügung.
    Ich teste auch regelmäßig die ein oder andere Location, um danach sagen zu können, dass ich da kein zweites Mal hingehen werde, wenn es mir nicht gefallen hat.

  12. Hallo, hier meine Antwort: die Schwarze Hexe hat den Pächter gewechselt und ist nun eine heimeliche Bierkneipe. Seit den neuen Kneipern funktioniert auch die Abluftanlage und die Sanitären Anlagen sind auch für Frauen wieder begehbar. Die Preise sind auch attraktiv. Sauberer Boden und neue Barhocker machen die kleine Kneipe wirklich wieder empfehlenswert.

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