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Anne-Rose Windisch: “Es war halt einmal”

Die Neustadt ist Kult, Szene und vor allem eines: jung. Doch abseits von Galerien, Clubs, Shops und Party-Trubel leben Menschen mit Geschichten aus einer Zeit, da in Dresden-Neustadt an Szene noch nicht zu denken war. Mit freundlicher Unterstützung der Seniorenresidenz Kästner-Passage stellen wir in der neuen Serie “Memento” Persönlichkeiten und ihre Viertelgeschichten vor.

"Man muss ja nicht die Schönste sein"
“Man muss ja nicht die Schönste sein”
Anne-Rose Windischs Leben prägte die Musik. Ihr Mann Arno Windisch baute Trompeten, die über die deutschen Grenzen hinaus begehrt waren. Sie selbst lernte Zither und singt im Chor. Mit 18 Jahren war Frau Windisch Schaffnerin bei der Wiener Straßenbahn, danach arbeitete sie im Rathaus in ihrer Heimat Klingenthal, bis sie nach Dresden kam. Jeden Tag macht sie eine Radtour auf die Hauptstraße. Die Wände ihres Zimmers in der Residenz schmücken zahlreiche Fotos, von der Familie, vom Mann. Das Musikernetzwerk trägt bis heute. Zum Geburtstag des Mannes kommen Postkarten. Durch das geöffnete Fenster dringt Chorgesang: Am Brunnen vor dem Tore. Die Kuckucksuhr ruft die Zeit.

Wir kommen ja nicht aus Dresden, sondern aus dem Vogtland, aus Klingenthal. Mein Mann hat Trompeten gebaut, also nicht nur Trompeten, sondern alle Instrumente. Und in Dresden war die Firma Heckel vor uns in der Carolinenstraße, nicht weit von hier. Und die suchten einen Nachfolger, die gingen in Rente. Und mein Mann fuhr immer von Klingenthal zur Messe nach Leipzig und da wurde er mal angesprochen, ob er nicht Interesse hätte und die Firma übernehmen würde.

Da ist mein Mann nach Dresden gefahren, hat mit den Leuten verhandelt, dann kam er heim und sagte: An dem und dem fange ich an. Ich dachte: na gut. Es kam bisschen überraschend, weil unser Sohn, 1950 geboren, war gerade ein Jahr in der Schule. Das war 1957. Wir sind also nach Dresden gezogen und wo er in der Klasse war, sagt er: Mutti, jetzt ziehen wir aber nimmer um, oder? So schwer ist ihm das gefallen. Es ging dann schon. Aber in dem Alter war das für ihn ein kleiner Schock. Ich habe das nie vergessen, ich dachte, meine Güte …[…]

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Sivert Høyem am 11. April im Alten Schlachthof

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Lichterkinder im Juli am Elbufer

„Lassen Sie mich mal hören“
„Lassen Sie mich mal hören“
Dort auf dem Foto ist unsere jüngste Tochter, die bläst die Windisch-Trompete. Letztens hat mich ein Trompeter angerufen, der sagte: Wissen Sie was, ich habe mir meine Windisch-Trompete vergolden lassen. Die sind eben begehrt, die sind auch in Leipzig im Museum ausgestellt.

Als unser Sohn so weit war, es war die DDR und die kamen zu uns und wollten eine Genossenschaft gründen. Mein Mann fragte: mit wem? Mit den Klempnern! Und da haben wir davon abgesehen und unser Sohn hat das dann nicht gemacht, sondern ging studieren. So war die DDR. Die wollte keinen Privatbetrieb.

Wir hatten dann das Haus in der Carolinenstraße. Unten war die Werkstatt, in der ersten Etage wohnten wir und oben die Kinder. Wir hatten drei. 2010 starb mein Mann. Wir waren 61 Jahre verheiratet. 61 Jahre! Das glaubt heute gar niemand mehr. So lange hält das gar niemand mehr aus. Ich konnte das Haus dann nicht behalten. […] Dann bin ich hierher und seitdem bin ich hier. […]

Ich bin schon lange Dresdner. Wir sind ja lange schon hier. Und ich muss sagen, durch die Musiker hatten wir schöne Kontakte. Die von der Staatsoper kamen zu uns, die Trompeter, und die von der Philharmonie kamen. Die waren nie bloß in der Werkstatt, es gab im Wohnzimmer Kaffee und Kuchen. […]

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Sivert Høyem am 11. April im Alten Schlachthof

So ist das, wenn man alt wird. Man sollte eben gar nicht so alt werden. Das geht nicht nach Wünschdirwas. So ist das halt. Ja, so ist das. Das werden Sie mal merken, wenn sie mal alt sind. Dann denken Sie mal an mich. Ich habe keinen Wunsch mehr. Was ich mir wünsche: dass mich mein Mann holt. Ich hab schon gedacht, vielleicht hat der da oben eine schöne Engelskapelle und er vermisst mich gar nicht. Man muss halt das beste draus machen. Ich war vormittags mit dem Rad wieder unterwegs. Jetzt ist es schön, da kann man die Elbe lang fahren. Da kann man sich sonnen und was zum Lesen mitnehmen. An meiner Carolinenstraße fahre ich nicht mehr vorbei.[…] Es war halt einmal.

10 Kommentare

  1. Ich finde es toll, dass ihr den Geschichten dieser Menschen Gehör verleiht. Die zwei bisherigen Memento-Artikel berühren mich sehr.

    Die ältere Generation wird doch oft viel zu wenig wertgeschätzt und eher als uninteressant und als Last empfunden… Dabei haben sie so viel getan in ihrem Leben und auch so viel zu geben, wenn man sich die Zeit nimmt, ihnen zuzuhören; oder noch besser, sich mit ihnen auszutauschen.

    Tolle Serie!

  2. Respekt…. sehr gute Idee und Umsetzung.
    Lese diese Artikel gewinnbringend, da mal über eigene Zeit / Leben hinaus schauend.
    Danke

  3. Herzlichen Dank für den Artikel von Frau Windisch.
    Ich bin mit ihrer Tochter in die Klasse gegangen und kann mich noch sehr gut an die Familie, das Haus und die Werkstatt erinnern.
    Ihnen alles Gute, Frau Windisch.

  4. Für diese berührende Serie danke ich Ihnen sehr . Habe es erst jetzt entdeckt . Das Schicksal von Frau Raschke hat mich sehr bewegt . Wir hören leider zu wenig zu , wenn die “Alten” erzählen . Ich wünsche mir mehr von diesen traurig-schönen Wahrheiten .
    Ein Kompliment für die Journalistin , welche so sensibel mit dem Thema umgeht .
    Weiter so und freundliche Grüße von ilona

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